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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 341/00 OLG Hamm

Leitsatz: Ist im amtsgerichtlichen Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzogen worden, darf weder das Beschwerdegericht noch das Berufungsgericht bis zum Berufungsurteil den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt anders würdigen als der frühere Richter und etwa im Gegensatz zu dem angefochtenen Urteil nach Aktenlage die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bejahen.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, Aufhebung, Entziehung durch Berufungsgericht, Berufung, keine neuen Tatsachen, keine Entziehung durch Amtsgericht

Normen: StPO 111 a, StGB 69 a

Beschluss: Strafsache gegen M.W.,
wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung,
(hier: vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 10. Juli 2000 gegen den Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 4. Juli 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Münster hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung infolge körperlicher Mängel zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 70,- DM verurteilt. Ferner hat es ein auf § 44 StGB gestütztes Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Von der Entziehung der Fahrerlaubnis hat das Gericht ausweislich der Urteilsgründe mit weiteren Ausführungen abgesehen. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die jeweils - die der Staatsanwaltschaft nachträglich - auf das Strafmaß beschränkt worden sind. Die Staatsanwaltschaft erachtet angesichts der Schwere der Schuld die verhängte Geldstrafe für zu niedrig und ist der Ansicht, dass sich der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erwiesen habe und ihm daher die Fahrerlaubnis hätte entzogen werden und eine Sperrfrist von 7 Monaten hätte verhängt werden müssen.

Nach Vorlage der Akten zur Durchführung des Berufungsverfahrens hat das Landgericht Münster mit Beschluss vom 4. Juli 2000 dem Angeklagten gemäß § 111 a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Der für den 14. September 2000 bestimmte Berufungshauptverhandlungstermin ist wegen Verhinderung des Verteidigers inzwischen auf den 21. September 2000 verlegt worden.

Mit seiner näher begründeten Beschwerde wendet sich der Angeklagte gegen die durch Beschluss vom 4. Juli 2000 angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II. Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.

Die angefochtene Entscheidung verstößt gegen die in § 111 a Abs. 2 2. Halbsatz StPO niedergelegte Wertung des Gesetzgebers, wonach die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben ist, wenn das erstinstanzliche Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht.

Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass sich aus der vom Amtsgericht festgestellten Tat ein Eignungsmangel des Angeklagten ergebe, der dringend zu der Annahme führe, dass die Fahrerlaubnis entzogen werde. Diese Bewertung steht im Gegensatz zu der vom Amtsgericht im erstinstanzlichen Urteil vorgenommene Würdigung, wonach vom Entzug der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB ausdrücklich abgesehen worden ist. Wenn hier zuvor die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet gewesen wäre, hätte das Amtsgericht diese nach einhelliger Rechtsprechung gemäß § 111 a Abs. 2 2. Halbsatz StPO aufheben müssen. Bei dieser Sachlage ist es dem Berufungsgericht verwehrt, die Fahrerlaubnis aufgrund seiner eigenen anderen Beurteilung erneut oder erstmals vorläufig zu entziehen (vgl. KK-Nack, StPO, 4. Aufl. 1999, § 111 a Rdnr. 8 m.w.N.). Bis zum Berufungsurteil darf weder das Beschwerdegericht noch das Berufungsgericht den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt anders würdigen als der frühere Richter und etwa im Gegensatz zu dem angefochtenen Urteil nach Aktenlage die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bejahen (vgl. BVerfG, NJW 1995, 124). Das hat das Landgericht Münster mit dem angefochtenen Beschluss jedoch getan. Es beschränkt sich darauf, die Frage der Geeignetheit des Beschwerdeführers zum Führen von Kraftfahrzeugen anders zu bewerten als das Amtsgericht. Zwischenzeitlich bekannt gewordene neue Tatsachen oder Beweismittel, die nach überwiegender Meinung eine andere Beurteilung der Geeignetheit des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen und in Abweichung der genannten Grundsätze eine erneute oder erstmalige Entziehung der Fahrerlaubnis gestatten könnten, werden in dem angefochtenen Beschluss weder mitgeteilt noch sind diese aus den Akten ersichtlich. Die angefochtene Entscheidung war deshalb aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 3 StPO.


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