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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ss OWi 19/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren.
Zur Verhängung eines Fahrverbotes bei langem Zeitraum zwischen Tat und Urteil

Senat: 5

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachzeit, ausreichende Feststellungen

Normen: StVO 3, StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache gegen N.P.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 11. November 1999 hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 16.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe :
I.
Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 24 StVG zu einer Geldbuße von 200,- DM verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt und gleichzeitig bestimmt, dass das Fahrverbot erst mit der Abgabe des Führerscheins in amtliche Verwahrung, spätestens jedoch vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils, wirksam wird.

Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. November 1999, beim Amtsgericht Dortmund am gleichen Tage eingegangen, Rechtsbeschwerde eingelegt. Nachdem ihm das Urteil am 29. November 1999 zugestellt worden ist, hat der Verteidiger des Betroffenen für diesen die Rechtsbeschwerde mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1999, der am gleichen Tage beim Amtsgericht Dortmund eingegangen ist, begründet und die Verletzung materiellen Rechts gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist als unbegründet verworfen worden, da die Überprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).

Anlass zu näheren Erörterungen gibt nur Folgendes:

1.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die von den Zeugen S. und G. ausweislich der Urteilsgründe bekundete Geschwindigkeitsmessung, die diese durch Nachfahren bei Dunkelheit vorgenommen haben, verwertbar. Die grundsätzlichen Anforderungen, die hinsichtlich der Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren an den Urteilsinhalt gestellt werden (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 2 StVO Rdn. 62), sind vorliegend erfüllt, da die Länge der Messstrecke, die Abstandsverhältnisse, die abgelesene Geschwindigkeit, die Höhe des vorgenommenen Sicherheitsabschlages und die Angabe, ob der Tacho in dem nachfahrenden Fahrzeug justiert oder geeicht war, in den Urteilsgründen mitgeteilt bzw. enthalten sind.

Das Amtsgericht hat darüber hinaus die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze (vgl. OLG Köln VRS 86, 199 und 360; BayObLG VRS 88, 58; OLG Schleswig DAR 1964, 279; OLG Hamm DAR 1969, 194; VM 1993, 67; MDR 1998, 156; Senat, Beschluss vom 29. Juni 1999 - 5 Ss OWi 478/99 -; RÜ-Übersicht bei Burhoff in DAR 1996, 381) ausreichend berücksichtigt. Danach muss der Tatrichter bei einer durch Nachfahren zur Nachtzeit vorgenommenen Geschwindigkeitsermittlung über die allgemeinen Grundsätze zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren hinaus zusätzliche Feststellungen dazu treffen, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren und ob bei den zur Nachtzeit regelmäßig schlechteren Sichtverhältnissen der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt worden ist und damit ausreichend erfasst und geschätzt werden konnte, sowie dazu, ob für die Schätzung eines gleichbleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren und ferner, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil dazu folgende Feststellungen getroffen:

  1. einer Messtrecke von 2.000 m, gemessen an den im Abstand von 500 m aufgestellten Kilometerschildern, wurde bei einem gleichbleibenden Abstand zum Fahrzeug des Betroffenen von etwa 100 m, jeweils gemessen an den im Abstand von 50 m aufgestellten Leitpfosten, eine Geschwindigkeit zwischen 210 km/h und 220 km/h abgelesen. Es herrschte Dunkelheit mit nicht nennenswerter Fremdbeleuchtung. Die Scheinwerfer des nachfahrenden Polizeifahrzeugs reichten nicht bis zur Heckpartie des Fahrzeugs des Betroffenen. Jedoch waren die Konturen des Fahrzeugs durch die Eigenbeleuchtung, insbesondere durch die Kennzeichenbeleuchtung, leidlich erkennbar. Nach Abzug eines im Hinblick auf die schlechten Beleuchtungsverhältnisse als ausreichend erachteten Toleranzwertes von 20 % des auf 210 km/h abgerundeten abgelesenen Wertes (= 42 km/h) ergibt sich die o.g. vorwerfbare Geschwindigkeit von 168 km/h."
  1. diesen Feststellungen muss davon ausgegangen werden, dass aufgrund schlechten Beleuchtungsverhältnisse ein gleichbleibender Abstand zum Fahrzeug des Betroffenen nur schwer eingeschätzt und werden konnte. Da die Scheinwerfer des nachfahrenden nach den getroffenen Feststellungen nicht bis zur Heckpartie Fahrzeugs des Betroffenen reichten und bis auf die keine weiteren Lichtquellen, die das Fahrzeugheck des hätten beleuchten können, vorhanden waren, kann die Feststellung Amtsgerichts, die Konturen des Fahrzeugs des Betroffenen seien "leidlich gewesen, nicht nachvollzogen werden. Aufgrund der beschriebenen muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass für die Polizeibeamten die Konturen des vorausfahrenden Fahrzeugs nicht zu erkennen waren. Da nach den Feststellungen des die Scheinwerfer des Polizeifahrzeugs nicht bis zur Heckpartie des einem Abstand von ca. 100 m vorausfahrenden Fahrzeugs des Betroffenen muss weiter davon ausgegangen werden, dass für die beiden der aus ihrer Sicht jeweils zweite Leitpfosten ebenfalls nicht zu erkennen war, da die Scheinwerfer beim Passieren eines jeweils nicht bis zu dem 100 m entfernten übernächsten Leitpfosten Eine zuverlässige Einschätzung des Abstands war somit nicht möglich.
  1. bedeutet jedoch nicht, dass das Messergebnis zum Nachweis einer des Betroffenen gänzlich ungeeignet und damit ist, es unterliegt vielmehr der tatrichterlichen Würdigung, ob und mit Sicherheitsabschlag Messungenauigkeiten auszugleichen sind (vgl.
  1. Hamm, Beschluss vom 29.06.1999 - 5 Ss OWi 478/99 -; Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 3 StVO Rdnr. 62). Der und auch naheliegenden Ungenauigkeit bei der Ermittlung der des Fahrzeugs des Betroffenen durch Nachfahren aufgrund der Beleuchtungsverhältnisse und der damit verbundenen einen gleichbleibenden Abstand einzuhalten, war sich der ausweislich der Urteilsgründe durchaus bewusst, denn er hat "im auf die schlechten Beleuchtungsverhältnisse" anstelle eines bei einem Tachometer des nachfahrenden Fahrzeugs üblichen von 13,5 bis 15 % (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O. einen Toleranzabzug von 20 % vorgenommen, diesen aber auch für erachtet. Diese tatrichterliche Entscheidung ist aus Sicht nicht zu beanstanden, zumal die Messstrecke lang war. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass selbst bei Reduzierung der vom Tatrichter zugrundegelegten vorwerfbaren von 168 km/h um weitere 7 km/h der Regeltatbestand der lfd. 3 a.3 Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) i.V.m. Tabelle 1 a c) lfd. 5.3.4, der Regelbuße von 200,- DM und ein Fahrverbot von einem Monat (vgl. auch § 2 1 Nr. 1 BKatV) vorsieht, erfüllt wäre.

2.
Die Entscheidung des Tatrichters, neben der Regelbuße von
200,- DM auch das nach der BKatV für den Regelfall vorgesehene Fahrverbot von einem Monat gemäß § 25 StVG gegen den Betroffenen zu verhängen, ist aus revisionsrechtlicher Sicht ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf (vgl. BGH NZV 1992, 117, 119; OLG Hamm NZV 1991, 121). Ohne Rechtsfehler ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass ein Ausnahmefall, der grundsätzlich ein Absehen von der Verhängung des nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV vorgesehenen Regelfahrverbotes rechtfertigen könnte, nicht vorliegt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich zudem, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit, von einem Fahrverbot unter Anhebung der Geldbuße nach § 2 Abs. 4 BKatV abzusehen, bewusst war, bei dieser Prüfung jedoch zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt allein durch eine Erhöhung der Geldbuße nicht erreicht werden kann und daher die Verhängung eines Fahrverbotes erforderlich ist. Diese tatrichterliche Entscheidung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die festgestellten Tatumstände und die sich aus der Person des Betroffenen ergebenden Umstände begründen keinen Ausnahmefall, der ein Absehen von demRegelfahrverbot rechtfertigen würde. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Verhängung des Fahrverbotes für den Betroffenen keine unangemessene Härte bedeutet. Berufliche Nachteile und aus dem Fahrverbot resultierende Erschwernisse und Unannehmlichkeiten beruflicher Art sind von dem Betroffenen grundsätzlich hinzunehmen und begründen keine besondere Härte, es sei denn, das Fahrverbot würde die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährden, weil beispielsweise die Anordnung eines Fahrverbotes bei einem abhängig beschäftigten Betroffenen zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen würde und dieser nicht die Möglichkeit hat, der Kündigung dadurch zu entgehen, dass er das Fahrverbot unter Inanspruchnahme des Vollstreckungsaufschubs gemäß § 25 Abs. 2 a StVG in seinem Urlaub verbüßt (vgl. OLG Düsseldorf VRS 87, 450; OLG Karlsruhe DAR 1990, 148; BayObLG DAR 1990, 362; OLG Hamm VRS 90, 210; NZV 1996, 118). Aus den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich gerade nicht, dass bei dem Betroffenen ein Arbeitsplatzverlust unausweichliche Folge des Fahrverbotes wäre.

Schließlich rechtfertigt auch allein der Umstand, dass die Tat zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung bereits 11 Monate zurücklag und der Betroffene nach den Urteilsfeststellungen keine weiteren Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen hat, kein Absehen vom Fahrverbot. Zwar kann im Einzelfall auch ein erheblicher Zeitablauf zwischen der Tat und der Verurteilung, wenn dieser dem Betroffenen nicht angelastet werden kann, ein Absehen vom Fahrverbot bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße rechtfertigen (vgl. OLG Hamm VRS 97, 449, 454; Beschluss vom 01.04.1996 - 2 Ss OWi 282/96 -). Nach Auffassung des Senats reicht hierfür ein Zeitraum von 11 Monaten zwischen der Tatbegehung und der amtsgerichtlichen Verurteilung jedoch allein nicht aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.


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