Aktenzeichen: 2 Ss 686/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Für die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung im Sinn von § 224 StGB - begangen mittels eines gefährlichen Werkzeugs - ist es nicht ausreichend, wenn der Tatrichter nur feststellt, der Angeklagte habe mit seinem beschuhten Fuß in Richtung des Kopfes des Opfers getreten.
Senat: 2
Gegenstand: Revision
Stichworte: gefährliche Körperverletzung, gefährliches Werkzeug, beschuhter Fuß, Tritt an den Kopf, in dubio pro reo
Normen: StGB 224
Beschluss: Strafsache gegen M.M.,
wegen Körperverletzung.
Auf die Revision des Angeklagten vom 3. April 2000 gegen das Urteil der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 30. März 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Schuldspruch insoweit aufgehoben, als der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist.
Der Angeklagte wird wegen Körperverletzung verurteilt - § 223 StGB.
Unter Verwerfung der Revision im Übrigen wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Herne-Wanne wegen gefährlicher Körperverletzung (im minder schweren Fall) zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40,-- DM verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch teilweise Erfolg, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen lässt.
Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung. Das Landgericht hat, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat, die erhobenen Beweise zutreffend gewürdigt. Die Annahme, der Angeklagte sei Täter einer Körperverletzungshandlung, ist daher nicht zu beanstanden.
Rechtsfehlerhaft ist es jedoch, wenn das Urteil von einer gefährlichen Körperverletzung im Sinn von § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 StGB ausgeht. Dazu hat das Landgericht folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
"Nunmehr trat der Angeklagte mit seinem beschuhten Fuß in Richtung des Kopfes von M., wobei er den davor befindlichen linken Ellenbogen traf - die Art der Schuhe des Angeklagten ließ sich nicht mehr feststellen, vielmehr lediglich, dass er Schuhe trug -. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass sein Tritt den Kopf von M. treffen konnte. Ob der Angeklagte noch einmal oder mehrfach in der beschriebenen Weise gegen M. trat, ließ sich nicht klären."
Hierin hat das Landgericht eine gefährliche Körperverletzung im Sinn von § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 StGB - mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs - gesehen. Seine Annahme hat es wie folgt begründet:
"In der konkreten Anwendungsweise stellt der beschuhte Fuß des Angeklagten ein gefährliches Werkzeug im Sinne der genannten Vorschrift dar, auch wenn eine besondere Festigkeit des Schuhes nicht festgestellt werden konnte. Denn der Tritt war gegen den Kopf von M. gerichtet. Daran ändert nichts, dass M. die Hände/Arme schützend vor den Kopf hielt und deshalb nur der Ellenbogen getroffen worden ist. Denn es hing auch aus der Sicht des Angeklagten nur vom Zufall ab, ob der Tritt in Richtung des Kopfes von dem Ellenbogen abgefangen wurde oder nicht, etwa weil M. sich gerade bewegte und der Tritt deshalb an den Armen/Händen vorbei den Kopf erreichte. Dass der Tritt von relativer Heftigkeit war, folgt aus der Verletzung, die er am Ellenbogen verursacht hat."
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind zur Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB - begangen mittels eines gefährlichen Werkzeugs - nicht ausreichend. Zwar kann nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur ein "beschuhter Fuß" ein gefährliches Werkzeug im Sinn des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sein (vgl. u.a. BGHSt 30, 375 f. = NJW 1982, 1164, 1165; BGH NStZ 1984, 328, 329 mit weiteren Nachweisen; OLG Schleswig SchlHA 1980, 172; Tröndle in Tröndle/Fischer, StGB, 49 Aufl., § 224 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Erforderlich ist dazu aber, dass es sich entweder um einen festen, schweren Schuh und nicht nur um einen leichten (Turn)Schuh handelt (vgl. dazu OLG Schleswig SchlHA 1987, 105; OLG Düsseldorf NJW 1989, 920) oder dass mit einem "normalen Straßenschuh" zumindest mit Wucht oder Heftigkeit einem anderen in das Gesicht oder empfindliche andere Körperteile getreten wird (BGH NStZ 1984, 328, 329 und Beschluss vom 24. September 1987 - NStE Nr. 3 zu § 223 a StGB).
Vorliegend sind vom Landgericht zur Beschaffenheit des Schuhes keinerlei nähere Feststellungen getroffen worden. Mitgeteilt wird nur, dass der Angeklagte mit dem "beschuhten Fuß" getreten habe und, dass "eine besondere Festigkeit des Schuhes nicht festgestellt werden konnte." Berechtigt ist danach ggf. nur die Annahme, dass es sich nicht um einen festen, schweren Schuh gehandelt hat. Offen bleibt aber, ob es sich um einen leichten (Turn)Schuh oder um einen "normalen Straßenschuh" gehandelt hat. Diese Frage kann aber, da der leichte (Turn)Schuh in der Regel den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 StGB nicht erfüllt, nicht offen bleiben (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1987, 105, siehe auch OLG Düsseldorf zur erforderlichen Beschaffenheit eines Turnschuhs, der das Merkmal "gefährliches Werkzeug" erfüllen soll). Etwas anderes folgt vorliegend - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch nicht aus der vom Landgericht festgestellten Ellenbogenverletzung. Eine "Ellenbogenprellung mit einer etwa 1 cm großen oberflächlichen Hautabschürfung, einer deutlichen Schwellung und einer eingeschränkten Ellenbogenbeweglichkeit" spricht weder für einen derart heftigen Tritt mit einem mit einem Turnschuh beschuhten Fuß, dass das ggf. - was allgemein dahinstehen kann - für die Annahme eines gefährlichen Werkzeugs ausgereicht hätte, noch dafür, dass ggf. mit einem mit einem "normalen Straßenschuh" beschuhten Fuß getreten worden ist. Die Verletzung ist nämlich nicht derart schwer, dass sie nicht auch mit einem Turnschuh hätte verursacht werden können.
Der nach allem somit vorliegende Rechtsfehler führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt. Das Landgericht hat ausgeführt, dass es weitere Feststellungen zur Beschaffenheit des Schuhs nicht hat treffen können. Diese sind nach Überzeugung des Senats wegen der inzwischen weiter verstrichenen Zeit auch in einer neuen Hauptverhandlung nicht (mehr) zu erwarten. Deshalb ist der Senat insoweit unter Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo", den schon das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten hätte anwenden müssen, davon ausgegangen, dass der Angeklagte nur einen leichten (Turn-)Schuh getragen hat und damit die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 StGB nicht festgestellt werden können. Da nach den Feststellungen des Landgerichts auch eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinn des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht angenommen werden kann, hat der Senat den Schuldspruch des angefochtenen Urteils dahin berichtigt, dass der Angeklagte nur wegen (einfacher) Körperverletzung nach § 223 StGB verurteilt worden ist. Wegen der daraus folgenden Änderung des Strafrahmens war jedoch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen.
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