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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 167/98 OLG Hamm

Leitsatz: Das Gericht darf eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit nach § 56 g Abs. 1 StGB nur erlassen, wenn es sich zuvor Gewissheit über das Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes verschafft hat; ggf. ist die Entscheidung über den Erlass der Strafe vorübergehend zurückzustellen.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Straferlass, Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes, Zurückstellung der Entscheidung, Ermittlungen

Normen: StGB 56 g

Fundstelle: NStZ 1998, 478; VRS 95, 379

Beschluss: Strafsache gegen H.W.,
wegen Betruges u.a.(hier: Sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Straferlass).

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wuppertal vom 20. Februar 1998 gegen den Beschluss der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen vom 6. Februar 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.05.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Verurteilten beschlossen:

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen vom 6. Februar 1998 wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren trägt, aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 7. Januar 1994 wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Bewährungszeit betrug zunächst drei Jahre, ist dann aber, da der Verurteilte neue Straftaten begangen hatte, um ein Jahr verlängert worden. Die Bewährungszeit ist am 6. Januar 1998 abgelaufen. Im angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Strafe gem. § 56 g Abs. 1 StGB erlassen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wuppertal, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist. Diese verweist darauf, dass inzwischen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wuppertal im Verfahren 11 Js 757/97 bekannt geworden ist, durch die dem Verurteilten vorgeworfen wird, sich seit dem 1. April 1994 seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber seinen drei ehelichen Kindern entzogen zu haben, indem er ihnen keinen Unterhalt zahlte. Zu dem Vorwurf hat der Verurteilte sich bisher nicht eingelassen.

Der Verurteilte hat zur sofortigen Beschwerde nicht Stellung genommen.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat - entsprechend der zutreffenden Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft - auch in der Sache Erfolg.

Nach § 56 g Abs. 1 Satz 1 StGB wird die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen, wenn das Gericht die Strafaussetzung nicht widerruft. Der Straferlass setzt nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. u.a. BGH NStZ 1993, 235; OLG Zweibrücken MDR 1989, 178; Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 56 g Rn. 1 mit weiteren Nachweisen) voraus, dass sich das Gericht die Überzeugung verschafft hat, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung endgültig fehlen. Wenn - etwa - wie hier - aufgrund eines anhängigen Strafverfahrens - der Verdacht besteht, dass ein Widerrufsgrund nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegt, ist die Entscheidung über den Erlass der Strafe vorübergehend - ggf. bis zum Abschluss des neuen Strafverfahrens - zurückzustellen (BGH, a.a.O., OLG Zweibrücken, a.a.O.), bis Täterschaft und Schuld in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise festgestellt werden können.

Dem steht die Regelung in § 56 g Abs. 1 StGB nicht entgegen, da diese eine Frist über den Erlass der Strafe nicht vorsieht (OLG Düsseldorf VRS 89, 365 f.). Demgegenüber ist aber ein Widerruf der Strafaussetzung nach allgemeiner Meinung, der auch die ständige Rechtsprechung des Senats entspricht, grundsätzlich auch nach Ablauf der Bewährungszeit noch möglich (Tröndle, a.a.O., § 56 f Rn. 2 a mit weiteren Nachweisen). Eine Höchstfrist für den Widerruf besteht nicht, § 56 g Abs. 2 Satz 2 StGB ist nicht entsprechend anwendbar (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Lediglich Vertrauensschutzgründe können im Einzelfall einem Widerruf entgegenstehen (Tröndle, a.a.O.). Solche liegen hier aber nicht vor.

Nach allem kam daher vorliegend der Erlass der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 7. Januar 1994 nicht in Betracht. Die in der - der Strafvollstreckungskammer bei ihrer Entscheidung nicht bekannten - Anklage vom 16. Januar 1998 dem Verurteilten zur Last gelegte Unterhaltspflichtverletzung kann, da sie innerhalb der Bewährungszeit begangen worden ist, ggf. (noch) zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung führen.

Deshalb war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Senat hat das Verfahren an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen, damit diese sich nunmehr Gewissheit darüber verschaffen kann, ob die dem Verurteilten zur Last gelegte Tat den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigt. Dem steht weder die Verfahrensdauer entgegen, noch hat der Verurteilte Anlass zur Annahme, die Strafaussetzung werde wegen dieser Straftat, die der Strafvollstreckungskammer bislang nicht bekannt war, nicht widerrufen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.


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