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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 110/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Garantenstellung eines Bademeisters hinsichtlich Gefahren, die nicht üblicherweise beim Badebetrieb eintreten.

Senat: 1

Gegenstand: Klageerzwingungsverfahren

Stichworte: Unterlassungsdelikt, Garantenstellung als "Überwachungsgarant" eines Bademeisters, fahrlässige Tötung

Normen: StGB 13, StGB 222

Beschluss: Ermittlungsverfahren (Klageerzwingungsverfahren) gegen die Bademeister F.M und M.B., wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung,

Anzeigeerstatter: R.T..

Auf die Anträge der Antragstellerin R.T. T. vom 20.04.2000 auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 S. 1 StPO gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts Hamm vom 16.03.2000 sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung dieses Verfahrens hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts beschlossen:

Die Anträge werden als unbegründet verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, § 177 StPO.

Gründe:
Die Beschuldigten sind als Bademeister im M.-Bad in Minden beschäftigt. Sie sind für diese Tätigkeit ausgebildet und nahmen regelmäßig an Kursen für Erste Hilfe sowie an einem Lehrgang "Herz-Lungen-Wiederbelebung" teil.

Am 24.01.1999 erlitt der Ehemann der Antragstellerin, der an einer coronaren Herzkrankheit litt, einen Herzanfall. Er stürzte zu Boden. Der Beschuldigte M. nahm unmittelbar Erste-Hilfe-Maßnahmen auf. Als es zum Aussetzen der Atmung kam, führte er mit Hilfe eines weiteren Badegastes eine Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassagen durch. Der weitere Beschuldigte B. setzte diese Behandlungsmaßnahmen fort, nachdem er den Notfallarzt benachrichtigt hatte. Trotz dieser durchgeführten Reanimationsmaßnahmen kam es zu einer Mangeldurchblutung des Gehirns. Obwohl in der Folgezeit stabile Kreislaufverhältnisse wieder hergestellt werden konnten, setzte die Hirntätigkeit nicht mehr ein. Herr T. verstarb am 24.01.1999 unter den Zeichen eines generalisierten Organversagens.

Die Antragstellerin hatte mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18.03.1999 gegen die namentlich nicht benannten Beschuldigen Strafanzeige - zunächst wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung - erstattet und Strafantrag gestellt. Sie hatte im Wesentlichen vorgetragen, dass es trotz ihres Hilferufens fünf Minuten gedauert habe, bis einer der beiden Bademeister herbeigekommen sei. Diese habe den Zusammengebrochenen völlig falsch behandelt und zunächst in eine stabile Seitenlage gebracht, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits künstliche Beatmung oder Herzmassage angezeigt gewesen wäre.

Nach Einleitung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat der Beschuldigte M. sich dahingehend eingelassen, er habe den Vorfall unmittelbar mitbekommen und sofort sich um den Erkrankten gekümmert. Dabei sei ihm ein Badegast
- der Zeuge S.G. - zur Hilfe gekommen. Später sei die Behandlung von dem Beschuldigten B., der zunächst den Notarzt benachrichtigt habe, übernommen worden. Diese Einlassung ist von dem Beschuldigten B. und von dem Zeugen S.G. bestätigt worden. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt. Die Einstellungsverfügung ist im Wesentlichen darauf gestützt worden, dass die Beschuldigten die Rettungsmaßnahmen nach besten Kräften durchgeführt hätten. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrer rechtzeitigen Beschwerde, die im Wesentlichen darauf gestützt wurde, dass eine Hypoxemiezeit von mindestens 15 Minuten vorgelegen habe. Aus dieser Zeit ergäbe sich, dass die Beschuldigten entgegen ihren Angaben sich nicht rechtzeitig, zumindestens nicht in der richtigen Weise, um den Erkrankten gekümmert hätten. Hätten sich die rechtlich gebotenen Maßnahmen durchgeführt, wäre Herrn T. aller Voraussicht nach noch zu retten gewesen. Zudem seien in dem Bad sämtliche Maschinen vorhanden, um eine effektive Herz-Lungen-Wiederbelebung durchzuführen. Davon hätten die Beschuldigten jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Beschwerde zurückgewiesen. Sie ist davon ausgegangen, dass die Zeitangaben der Beschuldigten in sich stimmig seien. Die Notwendigkeit eines Einsatzes eines Defibrilators habe sich für sie nicht aufdrängen müssen. Dies folge bereits daraus, dass auch die Notärztin nicht unmittelbar ein solches Gerät eingesetzt habe, sondern zunächst die von dem Beschuldigten und dem Zeugen G. begonnene Herzmassage fortgesetzt habe. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass eine Kausalität zwischen dem - möglicherweise - verspäteten Einsatzes eines Tubusses und dem Tod des Herrn T. kaum festzustellen sei. Todesursächlich sei primär die massive Coronarerkrankung, insbesondere das Herzkammerflimmern, was sich mit den Vorerkrankungen decke und auch im Notarztprotokoll notiert sei.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem rechtzeitig erhobenen Klageerzwingungsantrag vom 20.04.2000.

Dieser Antrag ist zulässig. Er entspricht noch den inhaltlichen Formerfordernissen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO. Er hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Es besteht kein für eine Anklageerhebung erforderlicher hinreichender Tatverdacht.

Die Anzeigeerstatterin stützt ihre Beschwerde im Wesentlichen darauf, es bestünde hinreichender Tatverdacht gegen die Beschuldigten wegen des Delikts einer fahrlässigen Tötung (begangen durch Unterlassen) deshalb, weil sie es unterlassen hätten, weitere Rettungsmaßnahmen mit Hilfe technischer Mittel rechtzeitig zu ergreifen, wodurch das Leben des Verstorben hätte gerettet werden können. Dies soll im Wesentlichen durch Sachverständigengutachten bewiesen werden.

Aus diesem Vorbringen folgt schon aus Rechtsgründen kein hinreichender Tatverdacht. Es besteht bereits keine Garantenstellung i.S.d. § 13 StGB, so dass eine Strafbarkeit durch Unterlassen nicht in Betracht kommt. In Betracht käme allenfalls eine Garantenstellung als sogenannter "Überwachungsgarant". Die Garantenstellung eines Überwachungsgaranten ist dadurch gekennzeichnet, dass er für Gefahrenquellen verantwortlich ist und sich daraus seine Pflicht ergibt, Schädigungen Anderer zu verhindern. Seine Pflicht wird nicht durch seine Beziehung zu bestimmten Rechtsgütern begründet, sondern er ist der Allgemeinheit gegenüber für bestimmte Gefahrenquellen verantwortlich (vgl. Schönke/Schröder/Stree, StGB, 25. Aufl., RNr. 11 ff. zu § 13). Im vorliegenden Fall waren die Bademeister verpflichtet, die Badegäste vor den typischen Gefahren, die der Badebetrieb in einem öffentlichen Schwimmbad mit sich bringt, zu schützen. Sie hatten bei Unfällen, die aufgrund dieser Gefahren eintraten, einzugreifen und sofort und effektiv Erste Hilfe zu leisten.

Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch nicht um einen Unfall aufgrund der besonderen Gefahren des Badebetriebs. Alleinige Ursache war die coronare Vorerkrankung des Verstorbenen. Diese führte zum Kreislaufkollaps und zum Zusammenbrechen. In einem solchen Fall bestand für die Bademeister - wie für jeden Dritten - nur die allgemeine Pflicht zur Hilfeleistung, die sich aus § 323 c StGB ergibt. Dies ist jedoch keine besondere Garantenpflicht entsprechend § 13 StGB.

Auch dass die Beschuldigten dann tatsächlich die Notfallbehandlung des später Verstorbenen übernommen hatten, begründet keine Garantenpflicht. Die Beschuldigten wollten sich ersichtlich nicht durch diese Übernahme verpflichten, in besonderem Maße für das Leben und die Gesundheit des Erkrankten einzustehen. Sie wurden lediglich im Rahmen ihrer allgemeinen Hilfsverpflichtung tätig.

Aus diesem Grunde scheidet eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen aus. Eine Strafbarkeit wegen eines Vergehens nach § 323 c ist gleichfalls ersichtlich nicht gegeben. Zumindest lässt sich nicht feststellen, dass die Beschuldigten vorsätzlich nicht alle ihrer Ansicht nach gebotenen Rettungsmaßnahmen durchgeführt haben.

Da somit der Klageerzwingungsantrag keinen Erfolg hat, konnte auch keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Insoweit fehlt es an der notwendigen Erfolgsaussicht gemäß § 114 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 174, 177 StPO]*


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