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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ws 67/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Auslegung eines Antrags auf Beiordnung eines Nebenklägervertreters im Hinblick auf die Neuregelung/auf die Vorschriften des ZeugenschutzG.

Senat: 5

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Prozesskostenhilfe, Unanfechtbarkeit einer Prozesskostenhilfeentscheidung, Unzulässigkeit, Prozesskostenhilfe für das Ermittlungsverfahren, Zeugenschutzgesetzt, Nebenkläger, Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO, Anklageerhebung,

Normen: StPO 397 a, StPO 406 g, StPO 396

Beschluss: Strafsache gegen 1. W.S., und 2. K.S.
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern,
(hier: Beschwerde der Nebenklägerin gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe für das Ermittlungsverfahren)
Nebenklägerin: B.P., vertreten durch Rechtsanwältin M., aus S..

Auf die Beschwerde der Nebenklägerin vom 8. Dezember 1999 gegen den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 17. November 1999 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.04.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde der Nebenklägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 17. November 1999 wird als unzulässig verworfen.

Die Nebenklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:
I. Die am 24. März 1981 geborene Nebenklägerin erstattete am 16. Juli 1997 Strafanzeige gegen ihren Schwager W.S. und ihre Schwester K.S.. In der Strafanzeige warf sie ihrem Schwager W.S. vor, sie im Alter von vier und fünf Jahren bei sogenannten "Flugzeugspielen" mehrfach sexuell missbraucht zu haben, indem er die Nebenklägerin zu Manipulationen an seinem Penis veranlasste. Teilweise sei auch die Schwester der Nebenklägerin K.S. dabei gewesen, die zudem in einem Fall im Beisein der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr mit dem Beschuldigten ausgeübt habe. Mit einem an das Polizeikommissariat Sulingen gerichteten Schreiben vom 08.08.1997 zeigte die Vertreterin der Nebenklägerin an, dass sie mit der Wahrnehmung der Interessen der Nebenklägerin beauftragt sei. In dem Schreiben heißt es weiter wörtlich:

"Ferner zeige ich hiermit schon jetzt an, dass die Betroffene sich dem Verfahren als Nebenklägerin anschließen möchte.

Namens und in Vollmacht der Betroffenen beantrage ich, der Betroffenen für die Durchführung des Verfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr die Unterzeichnerin als Nebenklagevertreterin beizuordnen."

In einem weiteren ebenfalls an das Polizeikommissariat Sulingen gerichteten Schreiben vom 17. September 1997 der Vertreterin der Nebenklägerin wiederholte sie "nochmals meine Bitte um Akteneinsicht sowie den Antrag auf Zulassung der Nebenklage, der Prozesskostenhilfebewilligung und meiner Beiordnung als Nebenklagevertreterin."

Nachdem die Nebenklägerin vom Amtsgericht Sulingen am 22.10.1998 richterlich vernommen worden war und dabei die Vorwürfe gegen ihren Schwager W.S. und ihre Schwester K.S. wiederholt und konkretisiert hatte, erhob die Staatsanwaltschaft Dortmund unter dem 07.12.1998 - 76 Js 634/98 Anklage gegen die Angeschuldigten W.S. und K.S. wegen sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der Nebenklägerin in 13 bzw. 8 Fällen und beantragte die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht - Jugendkammer - in Dortmund verbunden mit dem Antrag, die Geschädigte unter Beiordnung von Rechtsanwältin M. als Nebenklägerin zuzulassen. Die Anklage ging am 10. Dezember 1998 beim Landgericht Dortmund ein. Nachdem das Landgericht Dortmund im Hinblick auf ein weiteres beim Landgericht Verden - KLs 10 Js 22192/97 (3 - 5/98) gegen den Angeschuldigten S. anhängiges Strafverfahren in dem dem Angeschuldigten sexueller Missbrauch zum Nachteil seiner Nichten V. und F.D. zur Last gelegt wurde, Bedenken gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vor Abschluss des beim Landgericht Verden anhängigen Strafverfahrens geäußert hatte, nahm die Staatsanwaltschaft Dortmund am 7. Januar 1999 die Anklage vom 7. Dezember 1998 zurück. Gleichzeitig stellte die Staatsanwaltschaft Dortmund das Verfahren gegen den Angeschuldigten S. gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig ein und verfügte die Einstellung des Verfahrens gegen die Angeschuldigte S. gemäß § 153 Abs. 1 StPO.

Nachdem das Landgericht Verden den Angeschuldigten S. in dem dortigen Verfahren durch Urteil vom 10. Februar 1999 rechtskräftig freigesprochen hatte, nahm die Staatsanwaltschaft Dortmund das Verfahren gegen die beiden Angeschuldigten auf Antrag der Vertreterin der Nebenklägerin zunächst wieder auf, stellte dann aber am 16.06.1999 das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.

Mit Schreiben vom 14.09.1999 forderte die Vertreterin der Nebenklägerin die Staatsanwaltschaft Dortmund zur Weiterleitung der Akten an das Landgericht Dortmund auf "... mit der Bitte, über den Antrag auf Zulassung der Nebenklage sowie den Prozesskostenhilfeantrag vom 08.08.1997 zu entscheiden."

Mit Beschluss vom 17. November 1999 stellte das Landgericht Dortmund die Befugnis der Nebenklägerin fest, sich dem Verfahren als Nebenklägerin anzuschließen, und bewilligte dieser mit Wirkung zum 10. Dezember 1998 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Nebenklagevertreterin.

Gegen diesen Beschluss des Landgerichts Dortmund wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer Beschwerde vom 08.12.1999, und zwar, wie es in der Beschwerdeschrift heißt, "insoweit als die Prozesskostenhilfebewilligung lediglich mit Wirkung vom 10.12.1998 erfolgt ist."

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Nebenklägerin Prozesskostenhilfebewilligung unter Beiordnung der Nebenklagevertreterin mit Wirkung ab 08.08.1997. Das Landgericht Dortmund hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Dezember 1999 nicht abgeholfen.

II.
Die Beschwerde der Nebenklägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 17. November 1999 war mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerde ist nicht statthaft, da das Landgericht Dortmund in dem angefochtenen Beschluss zu Recht lediglich über einen Antrag der Nebenklägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 397 a Abs. 2 StPO n.F., der inhaltlich der Regelung des § 397 a Abs. 1 StPO in der bis zum 01.12.1998 geltenden Fassung entspricht, entschieden hat und diese Entscheidung gemäß § 397 a Abs. 3 S. 2 StPO n.F. unanfechtbar ist.

Da durch das Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998 (BGBl I S 820) die Vorschriften der StPO über die Nebenklage und die sonstigen Befugnisse des Verletzten mit Wirkung zum 01.12.1998 teilweise neu gefasst worden sind und zu diesem Zeitpunkt über die Anträge der Nebenklägerin vom 8. August 1997 noch nicht entschieden worden war, hatte das Landgericht Dortmund seiner Entscheidung die einschlägigen Vorschriften der StPO in der ab 1. Dezember 1998 geltenden Fassung (nachfolgend StPO) zugrunde zu legen. Schon vor dem Inkrafttreten des Zeugenschutzgesetzes gab es für den nebenklageberechtigten Verletzten zwei verfahrensrechtlich unterschiedliche Wege, für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Antrag Prozesskostenhilfe zu erhalten. Während einem Nebenkläger unter den Voraussetzungen des § 397 a StPO a.F. Prozesskostenhilfe mit Wirksamkeit der Anschlusserklärung gemäß § 396 Abs. 1 S. 2 StPO (zur Akzessorietät zwischen Wirksamkeit der Anschlusserklärung und Prozesskostenhilfebewilligung vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 397 a Rdnr. 4; Notthoff DAR 1995, 461), das heißt mit Anklageerhebung gewährt werden konnte, bestand daneben die Möglichkeit für den nebenklageberechtigten Verletzten, bereits im Vorverfahren auf entsprechenden Antrag gemäß § 406 g Absatz 3 StPO a.F. Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu erhalten. Diese auf das Zwischen- und Hauptverfahren einerseits und das Vorverfahren andererseits bezogenen Möglichkeiten, einem nebenklageberechtigten Verletzten Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu gewähren, sind auch nach dem Inkrafttreten des Zeugenschutzgesetzes bestehengeblieben, wobei die Vorschrift des § 397 a Abs. 1 StPO a.F. nunmehr der Regelung in § 397 a Abs. 2 StPO entspricht und sich die ursprüngliche Regelung in § 406 g Abs. 3 StPO a.F. inzwischen in § 406 g Abs. 3 Nr. 2 StPO wiederfindet. Daneben ist durch das Zeugenschutzgesetz die weitere Möglichkeit geschaffen worden, einem Verletzten unter den Voraussetzungen des § 397 a Abs. 1 StPO für den Zeitpunkt ab Anklageerhebung und, davon zu unterscheiden, unter den Voraussetzungen des § 406 g Abs. 3 Nr. 1 StPO für das Vorverfahren einen Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen.

Als Antrag im Sinne des § 397 a Abs. 1 StPO, möglicherweise verbunden mit einem Antrag gemäß § 406 g Abs. 3 Nr. 1 StPO, können die bereits vor Erlass des Zeugenschutzgesetzes vom 30. April 1998 gestellten Anträge der Nebenklägerin, die später wiederholt wurden, schon deshalb nicht ausgelegt werden, weil die Voraussetzungen für eine Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand ersichtlich nicht vorliegen. § 397 a Abs. 1 StPO, auf den insoweit § 406 g Abs. 3 Nr. 1 StPO verweist, setzt nicht nur eine Anschlussberechtigung des Nebenklägers gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 a oder Nr. 2 StPO voraus, sondern darüber hinaus, dass die zum Anschluss berechtigende Tat ein Verbrechen ist oder der Nebenkläger das 16. Lebensjahr bei Antragstellung noch nicht vollendet hat. Die für das den Angeschuldigten zur Last gelegte Verhalten einschlägige Strafvorschrift des § 176 BGB (sexueller Missbrauch von Kindern) ist aber sowohl in der zuletzt geltenden Fassung als auch in der bei Beendigung der Taten gültigen Fassung (vgl. § 2 StGB) lediglich ein Vergehen im Sinne des § 12 StGB. Zudem hatte die Nebenklägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am 08.08.1997 das 16. Lebensjahr bereits vollendet.

Aus der Formulierung des Beschlusses des Landgerichts Dortmund vom 17.11.1999 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 17.12.1999 geht hinreichend deutlich hervor, dass das Landgericht Dortmund auch keine Entscheidung gemäß § 397 a Abs. 1 StPO und/oder § 406 g Abs. 3 Nr. 1 StPO getroffen hat, die im Gegensatz zu Entscheidungen gemäß § 397 a Abs. 2 StPO oder § 406 Abs. 3 Nr. 2 StPO anfechtbar wäre. In den beiden genannten Beschlüssen ist eindeutig von einem Prozesskostenhilfeantrag und von einer Prozesskostenhilfebewilligung unter Beiordnung der Vertreterin der Nebenklägerin die Rede, nicht aber von der Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand.

Der Wortlaut des Schreibens vom 08.08.1997 und die gewählten Formulierungen in den späteren Schreiben der Vertreterin der Nebenklägerin vom 17.09.1997 und 14.09.1999 führen im übrigen zu der Auslegung, dass von der Bevollmächtigten der Nebenklägerin lediglich ein Antrag gemäß § 397 a Abs. 2 StPO (entsprechend § 397 a Abs. 1 StPO a.F.) und nicht allein oder gleichzeitig ein Antrag gemäß § 406 g Abs. 3 Nr. 2 StPO (entsprechend § 406 g Abs. 3.StPO a.F.) gestellt wurde. Bereits in dem Schreiben vom 08.08.1997 wurde die Absicht der Verletzten, sich dem Verfahren als Nebenklägerin anzuschließen, mitgeteilt, und das Prozesskostenhilfegesuch wurde verbunden mit dem Antrag auf Beiordnung der Bevollmächtigten als Nebenklagevertreterin. Auch in den späteren Schreiben vom 17.09.1997 und 14.09.1999 wurden die Anträge auf Zulassung der Nebenklage, Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung der bevollmächtigten Rechtsanwältin der Verletzten als sachlich zusammenhängende, miteinander verknüpfte Anträge formuliert und wiederholt. Aufgrund dieser Verknüpfung, die in den genannten Schreiben zwischen dem Antrag auf Zulassung der Nebenklage und dem Prozesskostenhilfegesuch vorgenommen wurde, konnten die Anträge mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nur dahin verstanden werden, dass die Verletzte die Feststellung ihrer Berechtigung zum Anschluss als Nebenklägerin begehrte und daneben die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts als Vertreter der Nebenklage gemäß § 397 a Abs. 2 StPO, wobei die Anschlusserklärung gemäß § 396 Abs. 1 S. 2 StPO erst mit Erhebung der öffentlichen Klage wirksam und dementsprechend erst zu diesem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe gewährt werden konnte. Wenn zusätzlich zu dem Antrag gem. § 397 a Abs. 2 StPO ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts schon im Vorverfahren gem. § 406 g Abs. 3 Nr. 2 StPO (entsprechend § 406 g Abs. 3 StPO a. F.) hätte gestellt werden sollen, so hätte dies die anwaltlich vertretene Nebenklägerin spätestens bis zum endgültigen Abschluss des Strafverfahrens am 16.06.1999 deutlich machen müssen.

Somit war lediglich ein Antrag gemäß § 397 a Abs. 2 StPO gestellt, dem das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss uneingeschränkt entsprochen hat, da Prozesskostenhilfe nach dieser Vorschrift erst mit Wirksamwerden der Anschlusserklärung, dementsprechend also mit Anklageerhebung, gewährt werden kann.

Die Beschwerde ist daher nicht nur aufgrund der Unanfechtbarkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 397 a Abs. 3 S. 2 StPO) unzulässig sondern auch aufgrund der fehlenden Beschwer der antragsgemäß beschiedenen Nebenklägerin.


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