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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 727/98 OLG Hamm

Leitsatz: Auch bei einem Rotlichtverstoß ist die Rechtsprechung des BGH zum Augenblicksversagen (NJW 1997, 3252 = NZV 1997, 525) zu berücksichtigen (für einem auf einem sog. Wahrnehmungsfehler bzw. auf dem sog. Mitzieheffekt beruhenden Rotlichtverstoß).

Senat: 2

Gegenstand: OWi

Stichworte: Rotlichtverstoß, Fahrverbot, Mitzieheffekt, geringer Handlungsunwert, grobe Pflichtverletzung

Normen: StVG 25 Abs. 1; BKatV 2

Fundstelle: ZAP EN-Nr. 733/98; VM 1999, 14 (Nr. 12); MDR 1999, 93; VRS 96, 64; NZV 1999, 176

Beschluss: Strafsache gegen H.R.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit (Rotlichtverstoß).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 20. Februar 1998 gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwelm vom selben Tag hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 11.08.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und dahin abgeändert, dass der Betroffene unter Wegfall des Fahrverbots zu einer Geldbuße in Höhe von 250,- DM verurteilt bleibt.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe:
Das Amtsgericht Schwelm hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 20. Februar 1998 wegen fahrlässigen Nichtbefolgens des Rotlichtes mit Sachbeschädigung eine Geldbuße von 250,- DM sowie ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt.

Aufgrund der geständigen Einlassung des Betroffenen hat das Amtsgericht folgenden Sachverhalt festgestellt:

"Am 28. August 1997 befuhr der Betroffene mit dem Pkw Fiat Kombi, amtliches Kennzeichen: EN-HR 80 unter anderem die Neustraße in Fahrtrichtung Voerder Straße. An der Kreuzung Voerder Straße/Neustraße/Friedrichstraße zeigte die Lichtzeichenanlage für ihn rot. Der Betroffene hielt zunächst als erster vor der Lichtzeichenanlage auf der Fahrspur für den Geradeausverkehr. Als das Signal für Rechtsabbieger grün wurde und die Fahrzeuge neben ihm anfuhren, fuhr auch der Betroffene los, um weiter geradeaus auf die Voerder Straße in Fahrtrichtung B 7 zu fahren. Er stieß jedoch im Kreuzungsbereich mit einem Fahrzeug des Gegenverkehrs, das bei grün in die Kreuzung einfuhr, zusammen."

Bei der Bemessung der Geldbuße ist das Amtsgericht von dem in Nr. 34.1 der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehenen Regelsatz von 250,- DM ausgegangen.

Zur Frage der Verhängung eines Fahrverbots wird u.a. folgendes ausgeführt:

"Außerdem war gem. § 25 StVG ein Fahrverbot von einem Monat festzusetzen. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 der bundeseinheitlichen Bußgeldkatalogverordnung kommt ein Fahrverbot regelmäßig in Betracht, wenn der Betroffene als Fahrzeugführer das Wechsellichtzeichen einer Ampel nicht befolgt hat, wodurch es zu einer Gefährdung oder Sachbeschädigung gekommen ist.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Das Gericht ist der Auffassung, dass im vorliegenden Fall eine Erhöhung der Geldbuße nicht ausreicht und daher auch nicht von dem Fahrverbot Abstand genommen werden kann. Nach dem Willen des Verordnungsgebers soll durch die in der Bußgeldkatalogverordnung getroffene Regelung eine angemessene und häufige Anwendung dieser besonders wirkungsvollen Nebenfolge einer Verkehrsordnungswidrigkeit erreicht werden, um auf diese Weise zur Hebung der Verkehrssicherheit beizutragen. Der Verordnungsgeber hat angeordnet, dass bei bestimmten Pflichtverletzungen ein Fahrverbot jedenfalls in der Regel in Betracht kommt, soweit hiervon im Einzelfall nicht ausnahmsweise abgesehen werden kann, vgl. § 2 Abs. 4 der Bußgeldkatalogverordnung. Der Verordnungsgeber hat zunächst hiermit klar zum Ausdruck gebracht, dass mit der Erfüllung der Tatbestände des § 2 Abs. 1 der Bußgeldkatalogverordnung stets grobe Verstöße im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG indiziert sind.

Auch der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen könnten. Dies gilt zunächst, soweit der Betroffene zu bedenken gibt, dass er lediglich reflexartig aufgrund eines Augenblicksversagens angefahren sei. Hierzu ist zu bedenken, dass es durch dieses Fehlverhalten zu einem erheblichen Sachschaden gekommen ist. Es entspricht der Systematik des Bußgeldkataloges, dass die Sanktion verschärft wird, sofern es zu einer Gefährdung oder Sachbeschädigung gekommen ist. Diese verschuldete Auswirkung des Verkehrsverstoßes, die auch hier gegeben ist, ist strafschärfend in den Bußgeldkatalog eingearbeitet. ..."

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er sich unter Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch vorrangig gegen die Verhängung des Fahrverbots wendet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches lässt Rechtsfehler erkennen, die zur Aufhebung und Abänderung des angefochtenen Urteils im vorgenannten Umfange führen.

Das Amtsgericht hat bei der Verhängung des Fahrverbots die Besonderheit des von dem Betroffenen begangenen Rotlichtverstoßes verkannt.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen hat der Betroffene ordnungsgemäß vor der für den Geradeausverkehr geltenden und Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage angehalten. Als das Signal für Rechtsabbieger grün wurde und die Fahrzeuge neben ihm anfuhren, fuhr auch der Betroffene los, um weiter geradeaus zu fahren.

Damit weicht der vorliegende Sachverhalt entscheidend vom Regelfall Nr. 34.1 der Bußgeldkatalogverordnung ab, da er einen deutlich geringeren Handlungsunwert aufweist. Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats ist demjenigen, der sich zunächst ordnungsgemäß verhält und bei Rotlicht anhält, dann aber infolge einer auf einem Wahrnehmungsfehler - Verwechslung der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage - sowie des sogenannten Mitzieh-Effektes beruhenden Unachtsamkeit trotz fortdauernden Rotlichts in die Kreuzung einfährt, keine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.d. § 25 Abs. 1 StVG zur Last zu legen (vgl. OLG Hamm, NZV 1995, 82; 1996, 206 (LS); so auch OLG Karlsruhe, NZV 1996, 206).

Die Verhängung eines Fahrverbots kommt damit nicht in Betracht.

Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, es handele sich trotz einer nur bloßen Unachtsamkeit in solchen Fällen gleichwohl um einen Regelfall, der die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertige, wenn nur die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt seien, weil dann eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.d. § 25 Abs. 1 StVG indiziert sei (so der hiesige 3. Senat mit Beschluss vom 14. November 1996 - 3 Ss OWi 1178/96 -; vgl. auch OLG Düsseldorf, NZV 1996, 117), überzeugt dies nicht und dürfte zumindest seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. September 1997 (NZV 1997, 525) zur Frage der Verhängung eines Fahrverbots bei Geschwindigkeitsüberschreitung infolge einfacher Fahrlässigkeit nicht mehr haltbar sein. Der BGH hat nämlich klargestellt, dass einem Betroffenen eine grobe Pflichtverletzung nur dann vorgehalten werden könne, "wenn seine wegen ihrer Gefährlichkeit objektiv schwerwiegende Zuwiderhandlung subjektiv auf grobem Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückgeht." Das besondere objektive Gewicht einer Ordnungswidrigkeit führe für sich allein nicht zur Annahme einer groben Pflichtverletzung.

Da somit im vorliegenden Fall die Voraussetzungen nach § 25 Abs. 1 StVG nicht gegeben sind, scheidet die Verhängung eines Fahrverbots aus.

Aufgrund der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst über die Rechtsfolgen entscheiden. Die vom Amtsgericht verhängte und mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffene Geldbuße in Höhe von 250,- DM erscheint angemessen, so dass es dabei verbleiben konnte.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 3 StPO, 46 Abs. 1 OWiG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der geständige Betroffene sein mit der Rechtsbeschwerde verfolgtes Ziel, das Fahrverbot zum Wegfall zu bringen, erreicht hat.


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