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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 569/98 OLG Hamm

Leitsatz: Die Feststellung einer BAK von 1, 96 %o in einer 52 Minuten nach der Tatzeit entnommenen Blutprobe gibt dem Tatrichter Anlaß, die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit zu erörtern und die BAK zur Tatzeit durch Rückrechnung - ggf - nach sachverständiger Beratung - festzustellen.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Normen: StGB 21, StPO 318

Stichworte: erheblich verminderte Schuldfähigkeit, knapp 2 %o Blutalkoholkonzentration BAK, Rückrechnung, Berufungsbeschränkung, Ausreichende tatsächliche Feststellungen

Fundstelle: StraFo 1998, 387; NZV 1998, 510; VRS 96, 19; zfs 1999, 172

Beschluss: Strafsache gegen R.L. wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XXIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 18. Februar 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.07.1998 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:
I. Am 20. Januar 1997 gegen 23.25 Uhr befuhr der Angeklagte mit seinem PKW die BAB A 45 in Dortmund in Fahrtrichtung Frankfurt, obwohl er infolge des vorangegangenen Genusses alkoholischer Getränke fahruntüchtig war. Eine ihm am 21. Januar 1997 um 00.17 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,96 %o.

Das Amtsgericht Dortmund verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und verhängte für die Wiedererteilung einer neuen Fahrerlaubnis eine Frist von fünf Jahren. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht Dortmund als unbegründet, wobei es das Rechtsmittel in der Berufungshauptverhandlung als wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt erachtete.

Gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat einen - zumindest vorläufigen - Teilerfolg.

1. Die auf die erhobene Sachrüge hin von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung, ob die Kammer mit Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist, ergibt, dass die Feststellungen im Urteil 1. Instanz so vollständig, klar und widerspruchsfrei sind, dass sie eine ausreichende Grundlage für die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. BGHSt 27, 70, 72). Den Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil ist zu entnehmen, dass der Angeklagte zur Nachtzeit mit einem PKW die BAB A 45 befuhr, dabei wegen seiner Fahrweise einer Polizeistreife auffiel und die ihm ca. 52 Minuten nach der Tat entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,96 %o ergeben hat. Diese - wenn auch recht knappen - Feststellungen im Urteil 1. Instanz bilden nach Auffassung des Senats hier eine - noch - ausreichende Grundlage für die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung.

In diesem Zusammenhang vermag sich der Senat nicht der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (vgl. NZV 1997, 244) anzuschließen, wonach bei einer Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt das tatrichterliche Urteil Feststellungen zu den Umständen der Alkoholaufnahme und zu den Gegebenheiten der Fahrt selbst enthalten muß und im Falle ihres Fehlens eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch in der Regel unwirksam sein soll.

2. Die damit auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Überprüfung des Urteils deckt einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf; insoweit hat das Rechtsmittel - jedenfalls vorläufig - Erfolg. Die Sachbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch, weil das Landgericht die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht erörtert hat. Sind aber tatsächliche Umstände erkennbar geworden, die auch nur die Prüfung einer verminderten Schuldfähigkeit des Täters nahelegen, so stellt die Nichterörterung des § 21 StGB einen sachlich-rechtlichen Fehler des Urteils dar.

Nach den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung führte der Angeklagte am 20. Januar 1997 gegen 23.25 Uhr einen PKW und fiel aufgrund seiner Fahrweise einer Polizeistreife auf. Die polizeiliche Überprüfung führte zur Feststellung einer alkoholischen Beeinflussung; eine dem Angeklagten um 00.17 Uhr des darauffolgenden Tages entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,96 %o. Angesichts dieser Feststellungen bestand für das Landgericht Anlaß, die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB zu erörtern und die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit durch Rückrechnung - ggf. nach sachverständiger Beratung - festzustellen. Es erscheint auch angesichts eines Zeitraumes von 52 Minuten zwischen der Tatzeit und der Blutentnahme unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung anerkannten Rückrechnungsregeln nicht ausgeschlossen, dass die Rückrechnung eine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 2,00 %o ergibt.

Ab Blutalkoholkonzentrationswerten von 2,00 %o ist aber in den Urteilsgründen die Frage der verminderten Schuldfähigkeit stets zu erörtern (vgl. BGH, NStZ 1997, 383; BGHSt 37, 231 ff.; Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 20 Rdnr. 9 b m.w.N.). Will das Gericht - auch schon bei einer an der Grenze zu dem Wert von 2,00 %o liegenden Blutalkoholkonzentration - die volle Schuldfähigkeit des Angeklagten annehmen, bedarf es eingehender Würdigung des Gesamtverhaltens des Angeklagten (vgl. BGH, StV 1989, 14). Die Notwendigkeit dieser Prüfung kann nur bei Vorliegen ganz besonderer Ausnahmeumstände entfallen (vgl. OLG Hamm, VRS 59, 415). Die Höhe der festgestellten Blutalkoholkonzentration hat auch unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage alkoholbedingter Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, NJW 1997, 2460) nach wie vor insofern Bedeutung, als sie Aufschluß über die Stärke der alkoholisierten Beeinflussung gibt und in diesem Sinne ein zwar nicht allgemeingültiges, aber immerhin gewichtiges Beweisanzeichen neben anderen ist (vgl. BGH, NStZ 1997, 592).

Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht - wenn es die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht hätte - von der fakultativen Strafmilderungsmöglichkeit des § 21 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht hätte und zu einer niedrigeren Strafe gekommen wäre, so dass das Urteil auch auf dem Begründungsmangel beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).

Mithin war das angefochtene Urteil im gesamten Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).

Gleichzeitig wird über die Kosten der Revision zu befinden sein, weil der Erfolg des Rechtsmittels i.S.d. § 473 StPO noch nicht feststeht.


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