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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 81/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Ein Abweichen von der von der Strafvollstreckungskammer für einen Verurteilten gestellten Prognose kann dann in Betracht kommen, wenn wichtige Gesichtspunkte übersehen worden sind oder wenn nach der Sachlage im Einzelfall auch einem günstigen Eindruck bei der mündlichen Anhörung offensichtlich kein entscheidendes Gewicht beizumessen ist.


Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: bedingte Entlassung, günstige Prognose, persönlicher Eindruck, Abweichen

Normen: StGB 57

Beschluss: Strafsache gegen M.H. wegen Hehlerei (hier: Entscheidung über die bedingte Entlassung aus der Strafhaft).

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen vom 4. Februar 2000 gegen den Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 3. Februar 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21.03.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verurteilten bzw. dessen Verteidigers beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Aussetzung der Vollstreckung der noch nicht verbüßten Reststrafen aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts Essen vom 10. Juni 1998 zur Bewährung wird abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

G r ü n d e :
Der Verurteilte ist durch das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer am 4. August 1994 wegen eines Vergehens gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 a WaffG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und durch das Landgericht Essen am 5. Februar 1997 wegen Hehlerei in neun Fällen, wegen versuchter Hehlerei in fünf Fällen, wegen Urkundenfälschung, wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung in drei Fällen, wegen Betruges in fünf Fällen und wegen Computerbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Durch Beschluss des Landgerichts Essen vom 10. Juni 1998, rechtskräftig seit dem 25. Juni 1998, ist aus den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Einzelstrafen nachträglich auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr fünf Monaten sowie auf eine (weitere) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sieben Monaten erkannt worden. Diese beiden Strafen werden derzeit gegen den Verurteilten vollstreckt. Gemeinsamer 2/3-Zeitpunkt war der
2. Februar 2000. Das Strafende ist auf den 1. Februar 2001 notiert.

Der Verurteilte befand sich nach seiner Festnahme am 10. Oktober 1997 bis zu seiner Abschiebung nach Zagreb am 11. August 1998 zunächst in Untersuchungshaft und danach in Strafhaft. Nachdem er am 16. Dezember 1998 von niederländischen Behörden dem Bundesgrenzschutz in Aachen übergeben worden war, wurde er in der Justizvollzugsanstalt Aachen verwahrt. Durch Verfügung vom 29.12.1998 wurde jedoch seine Entlassung angeordnet, weil er nicht freiwillig nach Deutschland gekommen war. Er wurde dem Ausländeramt zur erneuten Abschiebung übergeben, was am 29. Dezember 1998 geschah. Am 2. November 1999 wurde der Verurteilte in Gladbeck erneut festgenommen. In dem Verfahren 71 Js 550/99 StA Essen wurde eine neue Anklage wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz erhoben.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster hat durch den angefochtenen Beschluss die Vollstreckung der Strafreste aus dem o.g. Gesamtstrafenbeschluss zur Bewährung ausgesetzt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel der örtlichen Staatsanwaltschaft beigetreten.

Die gemäß §§ 454 Abs. 3, 57 Abs. 1 StGB statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen ist begründet. Der Senat hält eine Aussetzung der noch nicht verbüßten Strafresten aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts Essen vom 10. Juni 1998 derzeit noch für verfrüht, denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann eine Erprobung des Verurteilten in der Freiheit noch nicht verantwortet werden.

Der Senat verkennt nicht, dass die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung u.a. auch auf den persönlichen Eindruck, den sie von dem Verurteilten anlässlich seiner persönlichen Anhörung gewonnen hat, gestützt hat. Dem persönlichen Eindruck der Strafvollstreckungskammer kommt allerdings eine große Bedeutung zu. Wie das Oberlandesgericht mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, kann ein Abweichen von der von der Strafvollstreckungskammer für einen Verurteilten gestellten Prognose aber dann in Betracht kommen, wenn wichtige Gesichtspunkte übersehen worden sind oder wenn nach der Sachlage im Einzelfall auch einem günstigen Eindruck bei der mündlichen Anhörung offensichtlich kein entscheidendes Gewicht beizumessen ist (vgl. zuletzt Senatsentscheidung vom 26. Juni 1997 in 4 Ws 296/97).

Letzteres ist hier der Fall. Die Strafvollstreckungskammer hat die gegen eine Strafaussetzung sprechenden Umstände nicht vollständig gewürdigt. Es kann nämlich nicht unbeachtet bleiben, dass der Verurteilte in der Vergangenheit seit 1973 erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, auch wenn es sich bei der Mehrzahl der Verurteilungen um Verkehrsdelikte gehandelt hat. Er wurde aber auch wegen Verstöße gegen das Ausländergesetz durch unerlaubte Einreise und unerlaubten Aufenthalts sowie wegen Sachbeschädigung verurteilt. Ungeachtet der laufenden Vollstreckung sowie der in Bestandskraft erwachsenen Abschiebungsanordnung ist er erneut unerlaubt in die Bundesrepublik eingereist und hat damit gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Der laufenden Strafvollstreckung liegen erhebliche Hehlereitaten zugrunde, die Strukturen einer organisierten Kriminalität aufweisen und von hoher krimineller Energie getragen waren. Die hier in Rede stehenden Taten beging der Verurteilte in der Zeit zwischen Mai 1993 und Dezember 1995, wobei er seine Tätigkeit als Gastwirt in Gladbeck zu den inkriminierten Handlungen ausgenutzt hat. Die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, es handele sich um politisch motivierte Straftaten, trifft ersichtlich nicht zu. Ebenfalls trifft nicht zu, dass das kriminelle Verhalten des Angeklagten als "heftige Einmalentgleisung" zu qualifizieren sei.

Die sozialen Beziehungen zu seiner Verlobten und zu seiner Tochter rechtfertigen eine günstige Sozialprognose ebenfalls nicht, denn das Verlöbnis bestand bereits, als der Verurteilte die abgeurteilten Straftaten beging. Vielmehr besteht die Gefahr, dass der Verurteilte in die von seiner Lebensgefährtin gepachtete Gaststätte zurückkehrt und wieder in einem Milieu tätig wird, das bereits einmal Ausgangspunkt zahlreicher Straftaten war. Zudem besitzt er keinerlei Befugnis zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach seiner Haftentlassung müsste er umgehend wieder in sein Heimatland abgeschoben werden. Diese Umstände lassen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit eine Erprobung des Verurteilten in der Freiheit zumindest so lange nicht zu, wie sich der Verurteilte noch nicht nachhaltig unter Vollzugslockerungen beweisen konnte. Vollzugslockerungen sind dem Verurteilten jedoch im laufenden Vollstreckungsverfahren nicht gewährt worden.

Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben und die bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 1 StPO.


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