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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1439/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zum falschen Überholen und zurFestsetzung eines Fahrverbots

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: falsches Überholen mit nicht angepaßter Geschwindigkeit, relative Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, unklare Verkehrslage, Unübersichtlichkeit, unangepaßte Geschwindigkeit

Normen: StVO 2 Abs. 1, StVO 3 Abs. 1, StVO 5 Abs. 2, StVO 5 Abs. 3

Beschluss: Bußgeldsache gegen J.H.,
wegen fahrlässigen falschen Überholens mit nicht angepaßter Geschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 02.09.1998 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 02.09.1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14.01.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgerich nach Anhörung und im wesentlichen auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft sowie nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Verurteilung wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 StVO entfällt.

Die Kosten der Rechtsbeschwerde trägt der Betroffene.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 1, 2, 3, 5, 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 250,- DM sowie zu einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt und gleichzeitig bestimmt, dass das Fahrverbot erst mit der Abgabe des Führerscheins in amtliche Verwahrung, spätestens jedoch 4 Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, wirksam wird.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit am 03.09.1998 bei den Bielefelder Justizbehörden eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Urteilszustellung an den Verteidiger am 13.10.1998 mit am 13.11.1998 bei den Bielefelder Justizbehörden eingegangenem weiteren Schriftsatz seines Verteidigers mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II. Die Rechtsbeschwerde war mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zu verwerfen, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die allein erhobene Sachrüge hin bis auf die fehlerhafte Annahme eines tateinheitlich begangenen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 StVO keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat, auf dem das angefochtene Urteil beruht.

Anlass zu näherer Erörterung gibt nur Folgendes:

1. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen - abgesehen von der Annahme eines fahrlässigen Verstoßes auch gegen § 2 Abs. 1 StVO - dessen Schuldspruch.
Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene am 14.11.1997 mit seinem PKW den PKW des Zeugen B. auf der Ummelner Straße in Bielefeld nach einer kurz vor der Einmündung der Korbacher Straße gelegenen Bahnunterführung ca. 150 m vor einer sich anschließenden, unübersichtlichen Rechtskurve überholt habe. Der Zeuge habe aus eigener Unachtsamkeit den Überholvorgang zunächst nicht bemerkt und sein Fahrzeug von einer ursprünglich im Bereich der Bahnunterführung gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 30 km/h auf eine Geschwindigkeit von etwas über 60 km/h beschleunigt und den Betroffenen erst kurz vor der genannten Rechtskurve wahrgenommen, dann jedoch seine Geschwindigkeit verringert, um diesem ein Einscheren vor seinem Fahrzeug zu ermöglichen. Der Betroffene, der währenddessen sein Fahrzeug über die zulässige Höchstgeschwindigkeit hinaus weiter beschleunigt habe, um den Überholvorgang noch vollenden zu können, habe dann im Bereich der unübersichtlichen Rechtskurve bei dem Versuch, nach rechts einzuscheren, die Gewalt über sein Fahrzeug verloren. Dessen Fahrzeugheck sei ausgebrochen und das Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn geschleudert, wo es zum Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden Fahrzeug der Zeugin V., die die Ummelner Straße in Gegenrichtung befahren habe, gekommen sei. Infolge des Zusammenstoßes sei sowohl an dem Fahrzeug des Betroffenen als auch an dem der Zeugin V. erheblicher Sachschaden entstanden.

Nach diesen Feststellungen hat der Betroffene sich zunächst eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 StVO schuldig gemacht. Den Tatbestand des § 5 Abs. 2 S.1 StVO, der dem Schutz des Gegenverkehrs dient (OLG Hamm, VRS 59, 271; BayObLG VM 1972, S. 51; VRS 70, S. 292; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 33. Aufl., § 5 StVO, Randnummern 4, 25, 33 f), hat er verwirklicht, indem er seinen Überholvorgang fortsetzte, obwohl er aufgrund der sich im Straßenverlauf anschließenden unübersichtlichen Rechtskurve nicht übersehen konnte, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs, hier in Gestalt der Zeugin V., ausgeschlossen war. Indem es aufgrund dieses Fehlverhaltens zu der Sachbeschädigung des Fahrzeugs der Zeugin gekommen ist, hat der Betroffene gleichzeitig den Tatbestand des § 1 Abs. 2 StVO fahrlässig verwirklicht.

Der Betroffene hat aber auch gleichzeitig gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen. Diese Bestimmung dient in Abgrenzung zu der Bestimmung des § 5 Abs. 2 S.1 StVO dem Schutz des Querverkehrs, des zu Überholenden und des nachfolgenden Verkehrs (Jagusch/Hentschel, a.a.O., Randnummern 4, 34; OLG Koblenz, VRS 72, S. 463). Der Betroffene hat hier, indem er seinen Überholvorgang trotz des gleichzeitigen Beschleunigens durch den Zeugen B. fortgesetzt hat, diesen Zeugen bei unklarer Verkehrslage i.S.v. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO überholt. Angesichts des Fahrverhaltens des Zeugen und der nur geringen zum Überholen zur Verfügung stehenden Fahrstrecke von ca. 150 m bis zur anschließenden Rechtskurve konnte nämlich mit einem ungefährdenden Überholen des Zeugen durch den Betroffenen aus dessen Sicht nicht mehr gerechnet werden. Dementsprechend mußte der Zeuge auch sein Fahrzeug abbremsen, um dem Betroffenen den Abschluß seines Überholvorgangs zu ermöglichen; gleichwohl kam es aber dazu, dass der Betroffene die Gewalt über sein Fahrzeug im Bereich der anschließenden Rechtskurve verlor und dadurch auch den ihm unmittelbar nachfolgenden Zeugen B. gefährdete.

Tateinheitlich mit den Verstößen gegen §§ 5 Abs. 2, 3 Abs. 3 Nr. 1; 1 Abs. 2 StVO hat der Betroffene sich auch eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 S.1, 2 StVO schuldig gemacht. Der Betroffene ist in der Rechtskurve, in deren Verlauf er die Gewalt über sein Fahrzeug verloren hat, mit einer der Straßenführung nicht angepaßten Geschwindigkeit gefahren, wodurch es zum Ausbrechen des Fahrzeughecks gekommen ist. Die Voraussetzungen der sogenannten relativen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß § 3 Abs. 1 S.1, 2 StVO liegen hier bereits deshalb vor, weil bereits aufgrund des Unfallgeschehens feststeht, dass die von dem Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit offensichtlich zu hoch war und zum Ausbrechen des Fahrzeughecks im Kurvenbereich geführt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 04.02.1998 - 3 Ss OWi 14/98 OLG Hamm -; KG VRS 33, S. 54, 55; BayObLG, VRS 53, S. 433, 435). Dieser Geschehensablauf verdeutlicht nämlich hinreichend, dass die Geschwindigkeit des Betroffenen in der Kurve offensichtlich für die Straßenführung zu hoch war (vgl. Senat, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.; OLG Neustadt, VRS 21, S. 214). Die in Fällen der sogenannten relativen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß § 3 Abs. 1, S.1, 2 StVO ansonsten erforderliche Feststellung, welche Geschwindigkeit den Umständen nach höchstens zulässig war, sowie, dass der Betroffene diese Geschwindigkeit wesentlich überschritten hat (vgl. dazu BGH, VRS 28, 430, 432; KG, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.), war hier damit ausnahmsweise entbehrlich (Senat, a.a.O., m.w.N.).

Zu Unrecht hat das Amtsgericht dagegen auch einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 StVO angenommen. Diese Bestimmung, die das Rechtsfahrgebot zum Gegenstand hat, tritt nämlich hinter § 5 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 StVO, die insoweit eine Sonderregel bilden, zurück (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 5 StVO Rdnr. 71 m.w.N.).
Die fehlerhafte Annahme eines Verstoßes auch gegen § 2 Abs. 1 StVO nötigt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Dieser Rechtsfehler hat sich nämlich erkennbar nicht zum Nachteil des Betroffenen ausgewirkt. Das Amtsgericht hat gegen ihn die bereits für einen Verstoß gegen die §§ 5 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1; 1 Abs. 2 StVO vorgesehenen Regelrechtsfolgen verhängt (vgl. die lfd. Nr. 9.1. des Bußgeldkataloges). Da zudem bereits die relative Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach der lfd. Nr. 3 des Bußgeldkataloges i.V.m. Tabelle 4 eine Regelgeldbuße von 150,- DM nach sich zieht, kann bei dieser Sachlage ausgeschlossen werden, dass die gegen den Betroffenen verhängten Rechtsfolgen durch die fehlerhafte Annahme eines tateinheitlich begangenen, fahrlässigen Verstoßes auch gegen § 2 Abs. 1 StVO zu dessen Nachteil beeinflußt worden sind.

2. Auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Die vom Amtsgericht verhängten Rechtsfolgen sind wie ausgeführt bereits für einen Verstoß gegen die §§ 5 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1; 1 Abs. 2 StVO für sich genommen gerechtfertigt. Angesichts des Hinzutretens des ebenfalls mit einem Regelbußgeld in Höhe von 150,- DM gemäß der lfd. Nr. 3 des Bußgeldkataloges i.V.m. der dortigen Tabelle 4 bedrohten, tateinheitlich verwirklichten Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 StVO erscheint die Rechtsfolgenbemessung äußerst maßvoll und lässt einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen. Das Amtsgericht war sich ausweislich der Urteilsgründe auch der Möglichkeit bewusst, insbesondere von der Verhängung des Fahrverbotes aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzusehen, wie seine Ausführungen zu dem hohen eigenen Sachschaden des Betroffenen und dem Mitverschulden des Zeugen B. verdeutlichen. Die Wertung des Amtsgerichts, dass sich der Verstoß des Betroffenen trotz Mitverschuldens des Zeugen B. als grob verkehrswidrig und als die überwiegende Unfallursache darstellt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmen. Dasselbe gilt für den vom Amtsgericht gewonnenen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen, auf den es wesentlich die Verhängung des Fahrverbotes gestützt hat. Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, dass nach diesem Eindruck auch die eigene Unfallbeteiligung mit hohem Eigenschaden bei dem Betroffenen bisher keine tiefgreifende Einsicht in sein eigenes Fehlverhalten habe bewirken können, so dass insbesondere das Fahrverbot zu nachhaltiger Mahnung und Warnung erforderlich erscheine. Diese aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Wertung stellt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde insbesondere auch keine Pönalisierung zulässigen Verteidigungsverhaltens des Betroffenen dar. Der Senat teilt die Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht, dass der Betroffene, hätte er in dem vom Amtsgericht vermißten Sinne Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt, sich zu seinem Verteidigungsvorbringen in Widerspruch gesetzt hätte, wonach das Überholen problemlos möglich gewesen wäre, wenn der Zeuge B. nicht beschleunigt hätte. Die Rechtsbeschwerde übersieht insoweit nämlich, dass auch das Amtsgericht selbst von der Annahme ausgeht, dass bei einer Beibehaltung seiner ursprünglichen Geschwindigkeit durch den Zeugen dieser hätte gefahrlos durch den Betroffenen überholt werden können. Gerade deshalb geht das Amtsgericht nämlich von einem Mitverschulden des Zeugen aus. Der Betroffene muss sich aber entgegenhalten lassen, dass er auch nach seiner Einlassung bemerkt hatte, dass der Zeuge seinerzeit sein Fahrzeug beschleunigte und gleichwohl den Überholvorgang fortsetzte. Wenn der Betroffene aber ein auch nach seiner eigenen Einlassung gegebenes Fehlverhalten trotz der erheblichen Folgen nicht einzusehen vermag, kann dies rechtsfehlerfrei im Rahmen der Entscheidung über die Verhängung des Fahrverbots zu seinem Nachteil verwertet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.


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