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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 1006/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Begründungsumfang betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 StGB.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Begründung, kurze Freiheitsstrafe, Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich, Strafzumessung, Verwerfung

Normen: 47 StGB

Fundstelle: VRS 96, 191

Beschluss: Strafsache gegen I.K.,
wegen Diebstahls.

Auf die (Sprung-)Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Kamen vom 13. Mai 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 28.10.1998, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht und Richter am Oberlandesgericht als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Die Revision wird verworfen.

Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe: I. Die Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Kamen vom 13. Mai 1998 wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden.

Nach den durch den Tatrichter getroffenen Feststellungen, die auf der in vollem Umfang geständigen Einlassung der Angeklagten beruhen, entwendete diese am 30. Dezember 1997 aus den Auslagen der Firma Corso in Kamen eine Jacke zum Preis von 98,- DM, indem sie die Jacke unter der eigenen Kleidung anzog und versuchte, das Geschäft ohne Bezahlung der Ware zu verlassen.

Zur Person der Angeklagten hat das Amtsgericht festgestellt, dass sie verheiratete Hausfrau mit zwei Kindern im Alter von drei Jahren und sechs Monaten ist und die Familie von Sozialhilfe lebt. In den Jahren 1995 und 1996 ist sie wegen Diebstahls zweimal zu Geldstrafen sowie am 23. April 1997 wegen erneuten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Amtsgericht zugunsten der Angeklagten ihr Geständnis sowie den nicht allzu hohen Wert des Diebesgutes berücksichtigt.
Strafschärfend wirkte sich aus, dass sie bereits wiederholt einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und erst im April 1997 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, ohne dass sie dies von der erneuten Tat abzuhalten vermochte. Zur Einwirkung auf die Angeklagte und zur Verteidigung der Rechtsordnung hielt der Tatrichter die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe für unumgänglich, die er mit drei Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet hat.

Da die Angeklagte Bewährungsversagerin sei, habe die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können.

Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihrer nach der Hauptverhandlung beauftragten Verteidiger rechtzeitig Berufung eingelegt. Nach Zustellung des Urteils am 4. Juni 1998 hat sie mit am 2. Juli 1998 per Telefax beim Amtsgericht Kamen eingegangenem Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 1. Juli 1998 das Rechtsmittel als Revision bezeichnet und zugleich allgemein die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Zur Ergänzung dieser Rüge wird mit näheren Ausführungen dargelegt, dass die Begründung des Urteils weder zur Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe noch zur Versagung von Strafaussetzung zur Bewährung ausreichend sei.

II. Der nach Übergang von der Berufung zur Revision zulässigen Sprungrevision (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 335 Rdnr. 10 m.w.N.) ist jedoch der Erfolg zu versagen.

Die Feststellungen tragen den - auch von der Revision nicht in Zweifel gezogenen - Schuldspruch wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB, was keiner näheren Erörterung bedarf (vgl. Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 242 Rdnr. 15 am Anfang m.w.N.).

Aber auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

Zwar ist grundsätzlich mit der Revision davon auszugehen, dass nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen soll. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter 6 Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. BGHR, StGB, § 47 Abs. 1, Umstände 7, NStZ 1996, 429; BGH StV 1994, 370 jeweils m.w.N.).

Dem wird das angefochtene Urteil noch gerecht.

Es entspricht einhelliger Rechtsprechung, dass im Rahmen der Strafzumessung nicht sämtliche Gesichtspunkte, sondern nur die wesentlichen dargestellt werden müssen, um den in § 46 StGB insoweit festgelegten Anforderungen gerecht zu werden. Je einfacher und klarer sich ein Sachverhalt darstellt, desto geringer sind die Anforderungen an den Begründungsaufwand und Begründungsumfang bezüglich der sich aus der Tat ergebenden Rechtsfolgen. Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen für die Strafzumessung ist weder vorgeschrieben noch möglich. Auch daraus, dass ein für die Zumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder gewertet (vgl. BGH NStZ 1996, 539).
Sind nämlich ein oder einige wenige Zumessungsgesichtspunkte so dominierend, dass das Gewicht anderer dahinter deutlich zurücktritt, kann auch - wie hier - die Beschränkung auf diese eindeutig dominierenden Gesichtspunkte ausreichen. Dies gilt auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 47 StGB.
Hier hat der Tatrichter, der im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung diese Frage zu beantworten hat, zur Einwirkung auf die Person der Angeklagten die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe für "unumgänglich" gehalten. Dies hat er insbesondere daraus hergeleitet, dass die Angeklagte regelmäßig immer wieder einschlägig als Diebin in Erscheinung getreten ist und sich auch durch die Steigerung der Strafen bis bereits hin zu einer kurzfristigen Freiheitsstrafe nicht davon hat abhalten lassen, erneut und auch unter der Drohung des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung eine einschlägige Straftat zu begehen. Angesichts der Vielzahl der zuvor abgeurteilten Diebstahlstaten ist ein Rechtsfehler auch nicht darin zu sehen, dass der genaue Ablauf dieser Vortaten und der jeweilige Wert der Beute nicht dargestellt werden. Aus der knappen, hier aber noch ausreichenden Mitteilung der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten lässt sich zudem entnehmen, dass sie zumindest bei der Begehung eines Teils der Vortaten in gleichen familiären Verhältnissen lebte wie jetzt, insbesondere, dass sie auch schon zuvor die Sorge für ein Kind hatte. Die Wirkungslosigkeit früherer Verurteilungen und Strafen lässt hinreichend erkennen, dass die Verhängung der gegenüber der Freiheitsstrafe milderen Geldstrafe jetzt offensichtlich verfehlt wäre und es - erneut und erst recht - der Verhängung einer Freiheitsstrafe als ultima ratio bedarf. Dies hat auch der Tatrichter nicht verkannt, indem er eine auch kurze Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf die Angeklagte für unumgänglich hielt.

Auch wenn er die Vorschrift des § 47 StGB nicht ausdrücklich erwähnt, ergeben die Urteilsgründe jedoch mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB geprüft und im Hinblick auf die Unerläßlichkeit der Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf die Angeklagte rechtsfehlerfrei bejaht worden sind. Erhöhte Anforderungen an die Begründung einer unter 6 Monate liegenden Freiheitsstrafe sind in der Regel dann zu stellen, wenn es sich um einen bislang noch nicht bestraften Täter handelt. Insbesondere in derartigen Fällen bedarf es zusätzlicher Erörterungen, warum auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht verzichtet werden kann (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 1997 in 1 Ss 1425/97).
Die zum Begründungsumfang betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 StGB bei vorbestraften Angeklagten ergangenen und vom Senat nicht außer Acht gelassenen Entscheidungen des OLG Frankfurt vom 3. Februar 1994 (StV 1995, 27) und des OLG Schleswig vom 16. Juni 1992 (StV 1993, 29) sind Einzelfallentscheidungen zu konkreten Sachverhalten, die mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vollständig gleichzusetzen sind. Aus ihnen lässt sich daher hier kein anderes Ergebnis herleiten.
Auf die Frage, ob darüber hinaus auch die im angefochtenen Urteil ohne nähere Begründung erwähnte Verteidigung der Rechtsordnung die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter 6 Monaten unerlässlich macht, kommt es danach vorliegend nicht an.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich auch, dass die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Auch wenn die Urteilsgründe insoweit äußerst knapp sind, ergibt sich aus ihnen doch noch in hinreichender Weise, dass angesichts mehrerer und sich steigernder Vorstrafen und einer erfolglosen Strafaussetzung zur Bewährung der Tatrichter bei im wesentlichen unveränderten persönlichen Verhältnissen nicht die begründete Erwartung haben konnte, dass sich die Angeklagte nunmehr schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die bisher nicht erlebte Einwirkung des Strafvollzugs keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Das Revisionsgericht hat auch diese Ermessensentscheidung des Tatrichters bis zur Grenze des Vertretbaren, die hier jedoch keineswegs erreicht ist, zu respektieren (vgl. Tröndle, a.a.O., § 56 Rdnr. 9 i u. 10 a).

Da das Rechtsmittel somit keinen Erfolg hatte, folgt die Kostenentscheidung aus § 473 Abs. 1 StPO.


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