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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 211/98 OLG Hamm

Leitsatz: Für Strafaussetzung nach § 57 Abs. 1 stGB ist nicht die Gewißheit künftiger Straffreiheit erforderlich, sondern es ist ausreichend, wenn eine wirkliche Chance für ein positives Ergebnis der Erprobung besteht.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung der bedingten Entlassung, Anordnung der Entlassung, Anforderungen, Prognose, verbleibendes Restrisiko

Normen: StGB 57 Abs. 1

Beschluss: Strafsache gegen F.S.,
(hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der erkannten Strafe).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 2. Mai 1998 gegen den Beschluss der 4. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 6. April 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.11.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die bedingte Entlassung des Verurteilten wird zum 20. November 1998 angeordnet.
Die vom Verurteilten dann noch aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Mai 1992 (9 Js 208/90 StA Dortmund) zu verbüßende Restfreiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.

Der Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.

Die im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung erforderliche Belehrung des Verurteilten wird der Justizvollzugsanstalt übertragen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:
I. Der Verurteilte ist in der Vergangenheit erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er ist u.a. schon wegen Raubes bestraft worden. Außerdem wurde er vom Landgericht Bochum am 5. Juni 1967 wegen versuchten Totschlags zu einer Jugendstrafe von 6 Jahren verurteilt. Zur Zeit verbüßt er eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren, zu der er durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Mai 1992 u.a. wegen versuchten Totschlags verurteilt wurde.

Der Verurteilte befindet sich seit dem 25. Mai 1992 in Strafhaft. 2/3 der Strafe waren am 5. August 1997 verbüßt, Strafende ist auf den 5. Mai 2000 notiert.

Die Strafvollstreckungskammer hatte bereits durch Beschluss vom 12. Juni 1997 die bedingte Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von 2/3 der erkannten Strafe abgelehnt. Die dagegen vom Verurteilten eingelegte sofortige Beschwerde ist durch den Senat verworfen worden (2 Ws 317/97). Die Strafvollstreckungskammer hat im angefochtenen Beschluss - nach sachverständiger Beratung - erneut die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung des Verurteilten nach § 57 Abs. 1 StGB verneint. Wegen der Begründung wird - zur Vermeidung von Wiederholungen - auf die dazu gemachten Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren zunächst den von der Strafvollstreckungskammer bereits gehörten Sachverständigen Dr. S. um eine Ergänzung/Erläuterung seines Gutachtens gebeten. Sie hat dann außerdem noch ein weiteres Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. zu der Frage eingeholt, "ob aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten von diesem in Zukunft weitere Straftaten zu erwarten sind" und "ob und ggf. welche (Therapie-)Maßnahmen zur Abwendung einer möglichen Wiederholungsgefahr, ggf. auch im Wege einer Bewährungsauflage, dem Verurteilten aufgegeben werden können bzw. müssen". Der Sachverständige Prof. Dr. L. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass "soweit dies prognostizierbar ist - von Herrn S. keine weiteren Straftaten zu erwarten" sind. Eine Indikation oder Notwendigkeit zu einer psychotherapeutischen Behandlung liege nicht vor, es sei ausreichend, den Verurteilten der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers zu unterstellen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch Erfolg.

Nach § 57 Abs. 1 StGB setzt das Gericht eine nach Verbüßung von 2/3 noch verbleibende Restfreiheitsstrafe dann zur Bewährung aus, wenn verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Für die zu treffende Prognose ist, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung schon wiederholt entschieden hat, nicht die Gewißheit künftiger Straffreiheit erforderlich, sondern es ist ausreichend, wenn eine wirkliche Chance für ein positives Ergebnis der Erprobung besteht. Von dem Bestehen einer solchen Chance ist der Senat nach dem Ergebnis der im Beschwerdeverfahren eingeholten sachverständigen Äußerungen, insbesondere der des Sachverständigen Prof. Dr. L., überzeugt. Dieser ist nach eingehender - nochmaliger - Untersuchung des Verurteilten zu dem Ergebnis gekommen" dass vom Verurteilten keine weiteren Straftaten (mehr) zu erwarten sind. Diesen Feststellungen des Sachverständigen schließt sich der Senat an. Sie werden gestützt durch das psychologische Gutachten des Anstaltspsychologen Dr. S. vom 9. März 1998 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. Juni 1998. Auch dieser sieht letztlich keine Gefahr mehr für weitere Straftaten des Verurteilten. Die von allen Sachverständigen festgestellten positiven Änderungen im Verhalten des Verurteilten werden im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass dieser den ihm in den vergangenen zwei Jahren eingeräumten Erprobungsraum genutzt hat, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen ist, und er in ein sozial intaktes Umfeld entlassen wird.
Nach allem ist der Senat daher davon überzeugt, dass weiterer Strafvollzug zur Einwirkung auf den Verurteilten nicht erforderlich ist.

Bei seiner Entscheidung hat der Senat nicht übersehen, dass bei der zu treffenden Prognoseentscheidung, wie bei jeder probeweisen Entlassung, ein Restrisiko verbleibt. Dieses erscheint aber unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch des inzwischen fortgeschrittenen Alters des Verurteilten, derart gering, dass es auch unter Beachtung der Neufassung des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB n.F. - nicht mehr zur Ablehnung der bedingten Entlassung des Verurteilten führen kann (zu § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB n.F. siehe Senat in StraFo 1998, 174 = NStZ 1998, 376 = StV 1998, 501; zur angemessenen Berücksichtigung eines vertretbaren Restrisikos siehe auch BVerfG NJW 1998, 2202).

Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L., dem sich der Senat auch insoweit anschließt, brauchte der Senat als Bewährungsauflage auch nicht die Teilnahme des Verurteilten an einer Therapie anzuordnen. Vielmehr war die Unterstellung unter die Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers ausreichend. Dies hat der Senat gem. §§ 57 Abs. 3, 56 d StGB angeordnet.

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 57 Abs. 3, 56 a StGB, 454 Abs. 3 StPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.


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