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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1032/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Es bedarf bei fahrzeugbezogenen Geschwindigkeitsverstößen auch dann näherer Angaben zu den Tatorten, wenn sich der Betroffene darauf beruft, die den angegebenen Tatzeiten entsprechenden Fahrtstrecken im Ausland bewältigt zu haben.
2. Regelmäßig darf der Tatrichter auch selbst die Auswertung der Diagrammscheiben vornehmen, ohne dass es der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf. Den Urteilsfeststellungen muß dann jedoch nicht hinreichend sicher entnommen werden können, dass der Tatrichter tatsächlich eine solche Auswertung auch selbst vorgenommen hat.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Aufhebung, Auslandsfahrt, EG-Kontrollgerät, Fahrtenschreiber, mehrere Taten, OWi im Ausland, Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts, Zulassungsbeschwerde

Normen: OWiG 5, StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache gegen W.H.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung,
hier: Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Auf das als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG auszulegende Rechtsmittel des Betroffenen vom 15. Juni 1998 gegen das Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 12. Juni 1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 0.4.09.1998, hinsichtlich der Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch Richter am Landgericht als Einzelrichter (§ 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG n.F.), im Übrigen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 3 und 5 OWiG beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Gladbeck zurückverwiesen.

Gründe:
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde und zur Sache wie folgt Stellung genommen:

"Das Amtsgericht Gladbeck hat den Betroffenen durch Urteil vom 12.06.1998 wegen fahrlässiger Verkehrsordnungswidrigkeiten nach §§ 18 Abs. 5 Satz 2, 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO, § 24 StVG, § 20 OWiG zu sechs Geldbußen in Höhe von 80,00 DM sowie zu einer weiteren Geldbuße in Höhe von 50,00 DM verurteilt.

Da der Betroffene wegen mehrerer Taten im prozessualen Sinne zu Einzelgeldbußen von jeweils unter 200,00 DM (richtig: von jeweils nicht mehr als 500,00 DM - Anmerkung des Senats) verurteilt worden ist, ist sein als öRechtsbeschwerde bezeichnetes Rechtsmittel nach § 300 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde anzusehen. Dieser ist rechtzeitig gestellt und form- und fristgerecht begründet worden. Er führt nach hiesiger Auffassung auch zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, da die besonderen Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG vorliegen dürften.

Danach kann bei Geldbußen bis zur Höhe von 200,00 DM die Rechtsbeschwerde wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts oder wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs zugelassen werden.

Zur Fortbildung des Rechts ist die Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch zu schließen (zu vgl. OLG Hamm, VRS 56, 42 f). Die Fortbildung des Rechts kommt danach nur bei entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und abstraktionsfähigen Rechtsfragen in Betracht (zu vgl. Göhler, OWiG, 12. Auflage, § 80, Rdnr. 3 m.w.N.). Eine solche Rechtsfrage zeigt das angefochtene Urteil auf.

Es ist nämlich zu klären, ob es bei fahrzeugbezogenen Geschwindigkeitsverstößen auch dann näherer Angaben zu den Tatorten nicht bedarf, wenn sich der Betroffene darauf beruft, die den angegebenen Tatzeiten entsprechenden Fahrtstrecken im Ausland bewältigt zu haben. Das Problem des nicht feststellbaren Tatortes bei durch Auswertung von Diagrammscheiben ermittelten fahrzeugbezogenen Geschwindigkeitsverstößen ist bislang lediglich unter dem Gesichtspunkt der Individualisierbarkeit der Tat zur Vermeidung einer Doppelverurteilung erörtert worden (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.09.1991 - 2 Ss OWi 456/91 -, NZV 1992, 159 ff; OLG Düsseldorf, VM 1994, 43 f).

Der danach zur Fortbildung des Rechts zuzulassenden Rechtsbeschwerde ist auch ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.

Das Amtsgericht hat insgesamt sieben Verstöße des Betroffenen gegen die fahrzeugbedingte Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h durch Auswertung der sichergestellten Schaublätter hinsichtlich der Tatzeiten konkretisiert, Feststellungen zu den einzelnen Tatorten jedoch nicht treffen können. Nachdem der Betroffene angegeben hatte, wesentliche Fahrtstrecken im Ausland bewältigt, insbesondere auch eine Fracht nach Belgien transportiert zu haben, in der Folgezeit jedoch Nachweise über die zurückgelegten Fahrtstrecken und über behauptete Grenzübertritte nicht zu den Akten gereicht hatte, hat das Amtsgericht folgendes festgestellt:

"Aus diesem Grunde war es für das Gericht nicht erkennbar, welche Fahrt der Betroffene gewählt hat und in welchem Umfang er die Bundesautobahn bzw. Autobahnen in den Nachbarländern befuhr. Allein aus dem Umstand, dass eine Lieferung nach Belgien erfolgte, kann nicht ermittelt werden, welche Verstöße der Betroffene im Bundesgebiet begangen hat. Aufgrund der Tatsache, dass der Betroffene seit November 1997 trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts nicht in der Lage war, die genaue Fahrtstrecke sowie die Grenzübertritte im einzelnen mitzuteilen, konnten weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft weiter ermitteln. Der Betroffene ist trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts der Auflage nicht nachgekommen. Die fehlende Möglichkeit zur weiteren Ermittlung geht aus diesem Grunde zu seinen Lasten, da er eine weitere Beweiserhebung vereitelte".

Grundsätzlich können nach § 5 OWiG jedoch nur Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen worden sind. Es kommt hinzu, dass bei Auslandsfahrten zu klären wäre, ob nach dem am Tatort geltenden Recht überhaupt ein Verstoß gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen festzustellen ist.

Gleichwohl hat das Amtsgericht geglaubt, Feststellungen zu den Tatorten nicht treffen zu müssen, weil der Betroffene trotz mehrfacher Aufforderung Nachweise zu den einzelnen Fahrtstrecken nicht zu den Akten gereicht hat. Die Überführung des Betroffenen ist aber Aufgabe der Verfolgungsbehörde, während es diesem nicht obliegt, den Entlastungsbeweis anzutreten. Der Betroffene hat auch nicht etwa weitere Beweiserhebungen vereitelt. Das Amtsgericht hätte vielmehr durch Vernehmung des von dem Betroffenen benannten Unternehmers versuchen können, weitere Feststellungen zumindest insoweit zu treffen, dass Auslandsfahrten zu den festgestellten Tatzeiten mit hinreichender Sicherheit hätten ausgeschlossen werden können. Solche und ggf. weitere Beweiserhebungen erscheinen zumindest dann erforderlich, wenn der Betroffene - wie hier - konkrete und nachvollziehbare Anknüpfungstatsachen bezeichnet, die es möglich erscheinen lassen, dass die Verstöße nicht im Bundesgebiet begangen worden sind. Unterläßt das Gericht solche Beweiserhebungen, bedarf es nachvollziehbarer und überprüfbarer Feststellungen, aus welchen Gründen das Gericht gleichwohl von Inlandsfahrten des Betroffenen ausgegangen ist. Das Amtsgericht hat solche Feststellungen jedoch nicht getroffen, sondern ist bereits nach den eigenen Ausführungen davon ausgegangen, dass die festgestellten Verstöße ggf. nicht im Geltungsbereich des Ordnungswidrigkeitengesetzes begangen worden sind.
Das angefochtene Urteil unterliegt bereits aus diesem Grund der Aufhebung.

Es erscheint aber auch fraglich, ob die Geschwindigkeitsverstöße prozeßordnungsgemäß festgestellt worden sind. Insoweit gilt folgendes:

Die Feststellung eines Geschwindigkeitsverstoßes durch Auswertung einer Diagrammscheibe ist grundsätzlich zulässig (zu vgl. OLG Hamm, NZV 1992, 159 ff; OLG Düsseldorf, VM 1994, 43 f; OLG Düsseldorf, VM 1990, 60 f). Regelmäßig darf der Tatrichter auch selbst die Auswertung der Diagrammscheiben vornehmen, ohne dass es der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf (zu vgl. OLG Köln, VRS 65, 159 f; OLG Düsseldorf, VM 90, 60 f). Den Urteilsfeststellungen kann jedoch nicht hinreichend sicher entnommen werden, dass das Amtsgericht tatsächlich eine solche Auswertung auch selbst vorgenommen hat. Die in dem Urteil erfolgte Verweisung auf die in den Akten befindliche Geschwindigkeitsauswertung erweckt den Eindruck, diese sei ohne eigene Prüfung übernommen worden. Das wäre aber rechtsfehlerhaft, da die Auswertung selbst durch die Verweisung nicht Bestandteil der Urteilsgründe nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO wird.

Diesen zutreffenden Ausführungen schließen sich der Einzelrichter in Hinblick auf die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde und der Senat hinsichtlich der Entscheidung zur Sache an.

Das angefochtene Urteil war somit mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.


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