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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 906/98 OLG Hamm

Leitsatz: Ist der Tatrichter zu der Überzeugung gelangt, der Betroffene habe ein Verkehrszeichen nicht nur aus einfacher Unachtsamkeit übersehen, sondern deshalb mißachtet, weil er schneller habe vorankommen wollen, weshlab seine Fehlleistung auf einer grob pflichtwidrigen Außerachtlassung der gebotenen Aufmerksamkeit. beruhe, muss den Feststellungen in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise zu entnehmen, aufgrund welcher äußeren Umstände das Gericht zu dieser Überzeugung gekommen ist.

Gegenstand: OWi

Senat: 3

Stichworte: Augenblicksversagen, einfache Fahrlässigkeit, grobe Pflichtwidrigkeit, Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung

Normen: StVO 3, StVG 25 Abs. 1 Satz 1

Beschluss: Bußgeldsache gegen S.M.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts,
hier: Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 1. April 1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 11.08.1998 durch den Richter am Oberlandesgericht , die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG beschlossen:

Unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Gelsenkirchen zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 1. April 1998 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung um 47 km/h eine Geldbuße von 120,00 DM und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat der Betroffene am 30. Oktober 1997 auf der Bundesautobahn A 2 - Gelsenkirchen-Buer - die durch Zeichen 274 auf 80 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit fahrlässig um 47 km/h überschritten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde festgestellt mit dem Radargerät Multinova 6 F.
Hiergegen hat der Betroffene rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts in zulässiger Weise begründet. Die ebenfalls erhobene Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt worden. Der Betroffene verfolgt in erster Linie seinen Freispruch.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen zumindest vorläufigen Teilerfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie folgt Stellung genommen:

"Die auf die Sachrüge hin gebotene materiell-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen im Schuldspruch nicht erkennen. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, _24 StVG. Das Amtsgericht hat rechtsbedenkenfrei festgestellt, dass der Betroffene die gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO (Zeichen 274) zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 47 km/h überschritten hat. Die dazu getroffenen Feststellungen sind vollständig, die Beweiswürdigung ist lückenlos und folgerichtig. Auch gegen die Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung bestehen Bedenken nicht, zumal der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung als solche nicht bestritten hat.

Der Rechtsbeschwerde kann jedoch nach hiesiger Auffassung hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht versagt bleiben.
Die Festsetzung des einmonatigen Fahrverbotes begegnet rechtlichen Bedenken.
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Bußgeldkatalog-Verordnung kommt die Anordnung eines Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 StVG wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers u.a. in Betracht, wenn ein Tatbestand der Nr. 5.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 Bußgeldkatalog-Verordnung i.V.m. Tabelle 1 a des Anhangs zu Nr. 5 der Anlage verwirklicht wird. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h bis 50 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft ist ein Tatbestand, dessen Verwirklichung gemäß Nr. 5.3.4 der Tabelle 1 a eine Geldbuße von 200,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat regelmäßig vorsieht. Das ändert aber nichts daran, dass alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung des Fahrverbotes § 25 Abs. 1 S. 1 StVG ist. Deshalb vermag das besondere objektive Gewicht einer Ordnungswidrigkeit, welches in der Verwirklichung des Regeltatbestandes zu sehen ist, allein die Annahme einer groben Pflichtverletzung nicht zu rechtfertigen. Es muss vielmehr auch festzustellen sein, dass der Betroffene auch subjektiv besonders verantwortungslos gehandelt hat (BGH, Beschluss vom 11.09.1997, Verkehrsrechtliche Mitteilungen 1998 S. 25 f). Eine grobe Pflichtverletzung kann dem Betroffenen nur vorgehalten werden, wenn seine objektiv schwerwiegende Zuwiderhandlung subjektiv auf groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückgeht (Bundesverfassungsgericht, DAR 1996, 196 f). Deshalb kommt bei der Überschreitung einer durch Vorschriftszeichen beschränkten Geschwindigkeit die indizielle Wirkung der Verwirklichung des Regelbeispiels nur mit Einschränkungen zum Tragen. Der Betroffene hat in diesen Fällen dann nicht auch subjektiv besonders verantwortungslos gehandelt, wenn der Grund für die von ihm begangene erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung darin liegt, dass er das die Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruhe ihrerseits auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit (BGH, a.a.O.).

Der in Gelsenkirchen wohnhafte Betroffene hat nach den Urteilsfeststellungen angegeben, die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht bemerkt zu haben. Dazu hat er ausgeführt, seit dem 15.10.1997 in Bochum zu studieren und regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Universität zu fahren, weshalb ihm die Strecke nicht bekannt sei.

Gleichwohl ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, der Betroffene habe das Verkehrszeichen nicht nur aus einfacher Unachtsamkeit übersehen, sondern deshalb mißachtet, weil er schneller habe vorankommen wollen. Seine Fehlleistung beruhe deshalb auf einer grob pflichtwidrigen Außerachtlassung der gebotenen Aufmerksamkeit.
Den Feststellungen ist jedoch nicht in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise zu entnehmen, aufgrund welcher äußeren Umstände das Gericht diese Überzeugung gewonnen hat. Die getroffenen Feststellungen vermögen deshalb die Verhängung des Fahrverbotes nicht zu tragen. Vielmehr hätte es weiterer tatrichterlicher Feststellungen zu den äußeren Umständen der Geschwindigkeitsbeschränkung bedurft (OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.1997 - 2 Ss OWi 1365/97 -, DAR 98, 150 f). Ist nämlich das die Geschwindigkeitsbeschränkung anordnende Zeichen im Verlaufe der vor der Messstelle befahrenen Strecke mehrfach wiederholt worden oder geht der Messstelle ein sogenannter Geschwindigkeitstrichter voraus, durch den die zulässige Höchstgeschwindigkeit stufenweise herabgesetzt wird, so hat der Betroffene - wenn der Tatrichter seine Einlassung nicht schon aufgrund solcher Umstände als widerlegt ansieht, was regelmäßig nahe liegt - die gebotene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise außer Acht gelassen (zu vgl. BGH, a.a.O.). Das gilt auch dann, wenn sich die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung durch Vorschriftszeichen 274 der Straßenverkehrsordnung aufgrund der ohne weiteres erkennbaren äußeren Situation - etwa im Baustellenbereich einer Bundesautobahn - aufdrängen mußte. Sofern solche äußeren Umstände festgestellt werden können, kann von der Anordnung eines Fahrverbotes wegen grober Pflichtverletzung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände abgesehen werden (BGH, a.a.O.).

Die aufgezeigten Begründungsmängel im Rechtsfolgenausspruch nötigen zur Aufhebung des Urteils insoweit, weil zwischen der Geldbuße und dem Fahrverbot eine Wechselwirkung besteht und eine Entscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil weitere tatsächliche Feststellungen zu den äußeren Umständen der Geschwindigkeitsbeschränkung zu treffen sind."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Die Sache war somit wegen der bestehenden Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot im Rechtsfolgenausspruch insgesamt mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch wegen der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Gelsenkirchen zurückzuverweisen.


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