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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss OWi 503/98 OLG Hamm

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Einlassung Geschwindigkeit über 50 km/h, Haltelinie, Phasenplan, qualifizierter Rotlichtverstoß

Normen: StVO 37


Beschluss: Bußgeldsache gegen K.A.,
wegen fahrlässigen qualifizierten Rotlichtverstoßes u.a..

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 21.11.1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18.06.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Gladbeck zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Gladbeck hat die Betroffene wegen fahrlässigen Nichtbeachtens des Rotlichts einer Wechsellichtzeichenanlage in Tateinheit mit fahrlässigem Nichtmitführen des Fahrzeugscheins zu einem Bußgeld in Höhe von 260,- DM verurteilt und gegen sie ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt.

Nach den zugrundeliegenden Feststellungen befuhr die Betroffene am 26.04.1997 gegen 23.47 Uhr mit ihrem PKW Mazda 323, WES-HE 739, in Gladbeck die Feldhauser Straße in nördlicher Richtung. An der Kreuzung mit der Konrad-Adenauer-Allee soll sie das für sie geltende Rotlicht der dortigen Wechsellichtzeichenanlage mißachtet und die Kreuzung überquert haben, um ihre Fahrt geradeaus auf der Feldhauser Straße fortzusetzen, obwohl die Rotlichtphase für sie schon länger als eine Sekunde angedauert habe. Außerdem führte die Betroffene den Fahrzeugschein für das von ihr geführte Fahrzeug nicht mit sich.

Die Einlassung der Betroffenen, die Ampel noch bei Gelb passiert zu haben, hat das Amtsgericht nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme als widerlegt angesehen. In dem angefochtenen Urteil heißt es hierzu u.a. wie folgt:
öNach eigenen Angaben der Betroffenen ist sie mit einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h gefahren. Dies bedeutet aber, dass sie dann in einer Sekunde eine Strecke von ca. 14 Metern zurücklegt. Als die Lichtzeichenanlage für die Zeugen PM Käding und PM Mittmann Grünlicht zeigte, befand sich die Betroffene bereits 10 Meter vor dem Mast der für sie geltenden Lichtzeichenanlage. Da die Rotlichtphase in diesem Moment bereits zwei Sekunden andauerte, die Betroffene in zwei Sekunden eine Strecke von ca. 28 Metern zurücklegte, befand sie sich bei Beginn des für sie geltenden Rotlichts ca. 18 Meter vor dem Mast der für sie geltenden Lichtzeichenanlage und ca. 13,50 Meter vor der von ihr zu beachtenden Haltelinie. Vor dem Hintergrund der von ihr in einer Sekunde zurückgelegten Strecke von ca. 14 Metern dauerte damit die Rotlichtphase schon länger als eine Sekunde an.

Gegen dieses Urteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie u.a. rügt, die im Urteil festgestellten Tatsachen bildeten keine zuverlässige Grundlage für die vom Amtsgericht verhängten Rechtsfolgen. Die Rechtsbeschwerde wendet sich sodann mit näheren Ausführungen gegen die Zuverlässigkeit der Beobachtungen der die Betroffene belastenden Polizeibeamten und macht geltend, dass das Urteil deren Angaben in wesentlichen Punkten zudem unrichtig wiedergebe.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat mit der nach dem Zusammenhang der Rechtsbeschwerdebegründung erhobenen Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen die Verurteilung wegen eines sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoßes (Rotlichtdauer von mindestens einer Sekunde bei Überqueren der Haltelinie) nicht. Das Urteil ist bereits insoweit nicht nachvollziehbar begründet, als das Amtsgericht ausführt, die Betroffene habe sich bei Beginn der Rotlichtphase der für sie geltenden Lichtzeichenanlage ca. 13,50 m vor der Haltelinie der Lichtzeichenanlage befunden und deshalb die Lichtzeichenanlage bei einer Dauer der Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde passiert. Das Amtsgericht führt nämlich zugleich selbst aus, dass die Betroffene sich der Lichtzeichenanlage mit einer Geschwindigkeit von etwa 14 m/s genähert hatte. Legt die Betroffene aber in einer Sekunde 14 m zurück, so muss sie nach den eigenen Feststellungen des Amtsgerichts die 13,5 m zur allein maßgeblichen Haltelinie in weniger als einer Sekunde zurückgelegt haben, so dass bereits deshalb ein qualifizierter Rotlichtverstoß ausscheiden würde. Maßgeblich für die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes ist nämlich nach der einhelligen Rechtsprechung der Senate des Oberlandesgerichts Hamm allein das Passieren der Haltelinie der Lichtzeichenanlage, so dass es auf die weiteren Ausführungen des Amtsgerichts zu der Entfernung der Betroffenen von dem Mast der Lichtzeichenanlage bei Eintritt der Rotlichtphase unter keinem Gesichtspunkt ankommt (OLG Hamm, 4. Senat, NZV 1998, 169; Senat, Beschluss vom 16.01.1997 - 3 Ss OWi 1540/96 OLG Hamm m.w.N.; vgl. auch BayObLG, NZV 1994, 200; OLG Frankfurt, NZV 1995, 36; OLG Köln, VRS 89, 471).

Hinzu kommt, dass das Amtsgericht nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass sich die Betroffene nach ihrer vom Amtsgericht erkennbar als nicht widerlegt angesehenen Einlassung der Lichtzeichenanlage mit einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h genähert hatte. Bei dieser Sachlage konnte das Amtsgericht aber nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Betroffene mit ihrem Fahrzeug in jeder Sekunde eine Strecke von 14 m zurücklegte. Dies entspricht nämlich einer Geschwindigkeit von 50,4 km/h, mithin einer Geschwindigkeit, die nur ganz geringfügig über 50 km/h liegt. Die Einlassung der Betroffenen, sie sei schneller als 50 km/h gefahren, lässt aber nach den Feststellungen des Amtsgerichts auch ohne weiteres die Annahme zu, die Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Betroffenen habe zur Tatzeit etwa 55, vielleicht auch 60 km/h betragen. Dann hätte die Betroffene aber in jeder Sekunde eine Strecke von 15,4 bis knapp 17 m zurückgelegt. Nachvollziehbare Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das Amtsgericht es hier als ausgeschlossen angesehen hat, dass die Betroffene mit ihrem Fahrzeug möglicherweise auch 55 oder 60 km/h fuhr, enthält das angefochtene Urteil nicht. Dies wird in der neuen Hauptverhandlung durch Befragung der Betroffenen und ggf. durch Vernehmung der zur Verfügung stehenden Zeugen zu klären sein. Sollten sich hierzu keine zuverlässigen Feststellungen treffen lassen, so wird das Amtsgericht nach dem Zweifelssatz zugunsten der Betroffenen von einer deutlich höheren Überschreitung der 50 km/h-Grenze durch sie ausgehen müssen.
Endlich mangelt es dem angefochtenen Urteil auch an einer nachvollziehbaren Feststellung der Lichtphasen der Lichtzeichenanlage. Soweit das Amtsgericht gestützt auf die Aussagen der Zeugen PM Käding und PM Mittmann davon ausgeht, die für die Zeugen geltende Lichtzeichenanlage signalisiere dann Grünlicht, wenn das Rotlicht für die für die Betroffene geltende Lichtzeichenanlage bereits 2 Sekunden andauere, ist dies so jedenfalls nicht nachvollziehbar. Innerorts besteht nämlich, wie senatsbekannt ist, regelmäßig eine Gelblichtphase von 3 Sekunden. Bei einer Gelblichtphase von 3 Sekunden ist aber ein zeitlicher Abstand von nur 2 Sekunden zwischen Grünlicht für die eine Fahrtrichtung und Rotlicht für den Querverkehr nicht denkbar. Zuverlässige Feststellungen zur Lichtphase wird das Amtsgericht vielmehr nur dann treffen können, wenn es einen Phasenplan für die betreffende Lichtzeichenanlage beizieht und verwertet.


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