Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 495/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur Ablehnung eines Beweisantrags auf Ablehnung der Vernehmung von im Ausland lebenden Zeugen und zur Unerreichbarkeit von Zeugen.
2. Zur Beweiswürdigung bei Aussage gegen Aussage.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Auslandszeugen, unzureichende Beweiswürdigung, Unerreichbarkeit von Zeugen, Aussage gegen Aussage, Widerspruch Ablehnung Beweisantrag und Urteilsgründe

Normen: StPO 244 Abs. 3, StPO 244 Abs. 5

Beschluss: Strafsache gegen Y.Y.,
wegen des Verdachts der Vergewaltigung.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XIX. erweiterten kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 13.11.1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.07.1998 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Essen hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Berufung gegen dieses Urteil hat das Landgericht Essen mit dem angefochtenen Urteil verworfen.
Nach den zugrundeliegenden Feststellungen des Berufungsurteils soll der Angeklagte am 13.05.1997 die Nebenklägerin L.C. in deren Wohnung in Essen-Steele vergewaltigt haben. Der Angeklagte soll mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß durchgeführt haben, nachdem er zuvor deren auch körperliche Gegenwehr durch Schläge, Niederdrücken ihres Körpers und Umfassen des Halses der Nebenklägerin unter der Drohung, sie zu töten, gebrochen hatte.

Das angefochtene Urteil stellt weiter fest, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung weder zur Person noch zur Sache eingelassen, sich jedoch im Ermittlungsverfahren und in der 1. Instanz darauf berufen habe, der Geschlechtsverkehr sei im Einverständnis mit der Nebenklägerin erfolgt. Diese Linie verfolge die Verteidigung mit ihren Anträgen weiter. Sie versuche ohne Erfolg, die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin in Frage zu stellen. Sodann setzt sich das angefochtene Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung mit einzelnen Einwänden der Verteidigung gegen die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin auseinander und sieht diese Angriffe nicht als durchgreifend an. Eine darüber hinausgehende Beweiswürdigung, insbesondere zur Zuverlässigkeit der Angaben der Nebenklägerin, enthält das angefochtene Urteil nicht.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten greift das Berufungsurteil mit Verfahrensrügen sowie mit der Sachrüge an.

II. Die zulässige Revision des Angeklagten hat sowohl mit der Verfahrensrüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 S.2, Abs. 5 S.2 StPO als auch mit der allgemeinen Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Berufungskammer des Landgerichts Essen.

1. Die Revision rügt in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S.2 StPO genügenden Form die Verletzung des § 244 Abs. 3 S.2, Abs. 5 S.2 StPO.

Aufgrund der Revisionsrechtfertigung, der Sitzungsniederschrift und der schriftlichen Urteilsgründe ergibt sich hierzu folgender Sachverhalt:

Die Verteidigung hatte in der Hauptverhandlung vom 20.10.1997 einen schriftsätzlich vorbereiteten Beweisantrag verlesen, der u.a. folgenden Wortlaut hatte:

"Nach Aussage der Zeugin C. habe zwischen ihr und dem Angeklagten niemals eine Beziehung bestanden, die über eine Bekanntschaft hinausgegangen sei. Diese Bekanntschaft könne man nicht einmal als gut, erst recht nicht als besonders gut bezeichnen.

Man könne in Anbetracht der Tatsache, dass sie gemeinsam in Peking einen Deutschkurs besucht hätten, bestenfalls von Kameradschaft sprechen.

Der Angeklagte habe einmal in Anwesenheit einer Freundin einen Annäherungsversuch unternommen. Sonst sei nichts vorgefallen. Sie hätten ihre Freizeit nicht miteinander verbracht, seien insbesondere nicht zusammen spazieren oder ins Kino gegangen.
Tatsächlich bestand zwisC. der Zeugin C. und dem Angeklagten schon seit ihrer gemeinsamen Zeit in Peking ein inniges Verhältnis. Dieses Verhältnis ging über eine einfache Beziehung deutlich hinaus. Sie verbrachten ihre Freizeit zusammen. Sie gingen gemeinsam ins Kino, im Park spazieren und mit einem befreundeten Paar häufig aus. Frau C. und der Angeklagte haben sich auch wiederholt umarmt und geküßt. Ihre Beziehung wurde von gemeinsamen Bekannten gerade aufgrund ihrer Verhaltensweisen, der des Angeklagten und der Zeugin, die so waren wie sie zwischen "Liebespaaren" in der chinesischen Gesellschaft üblich sind, zu Recht als eine "Beziehung" gewertet.

Zum Beweis dafür, dass die Zeugin C. und der Angeklagte eine Beziehung zueinander hatten und sich so wie oben von der Verteidigung dargestellt zueinander verhielten, werden folgende Zeugen benannt:
Herr Z.,
Herr T.,
Frau D. Provinz Liaoning,
Herr C., Provinz Liaoning.

Häufig haben der Angeklagte und die Zeugin gemeinsam mit dem anderen Paar, nämlich Herrn T. und Frau D., ihre freie gemeinsame Zeit verbracht.

Herr C. war ein guter Freund des Angeklagten und kennt die Beziehung zwischen. dem Angeklagten und der Zeugin sehr gut.

Die Berufungskammer hat daraufhin die Zeugen Z. und T. zum Beweisthema gehört, die Vernehmung der beiden weiteren, in dem o.g. Beweisantrag benannten Zeugen jedoch mit folgendem Kammerbeschluß vom 10.11.1997 abgelehnt:

"Beschluß
Der Antrag auf Vernehmung der weiteren Zeugen D. und C. zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte und die Zeugin C. eine Beziehung zueinander hatten und sich zueinander so verhielten, wie es zwischen Liebespaaren in der chinesischen Gesellschaft üblich ist, wird zurückgewiesen.

Gründe:
Der Antrag war nach § 244 V 2 StPO zurückzuweisen.
Zum einen ist die beantragte Beweiserhebung nach Überzeugung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich.
Die Vernehmung der beiden in China wohnenden Zeugen, deren Ladung in China zu bewirken wäre, ist unter Beachtung des Ergebnisses der bisher durchgeführten Beweisaufnahme kein Gebot der Aufklärungspflicht. Die behauptete Beweistatsache steht zwar in einem Zusammenhang mit der abzuurteilenden Tat, weil sie der Aussage der Zeugin C. entgegensteht und damit unabhängig davon, dass die der Beweisbehauptung entgegenstehende Bekundung der Zeugin C. durch das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt worden ist, die Glaubwürdigkeit der Zeugin berührt. Die Frage, ob die Zeugin C. vor dem hier abzuurteilenden Vorfall eine engere Beziehung zum Angeklagten hatte, als sie selbst bekundet hat, ist aber für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zum Vorfall selbst und in diesem Zusammenhang für die Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Selbst wenn die Aussage der beiden weiter benannten Zeugen das Gegenteil des bisherigen Ergebnisses ergeben und das Gericht - gestützt auf diese Aussagen - der diesbezüglichen Aussage der Zeugin C. nicht folgen würde, bietet die bisherige Beweisaufnahme eine genügend umfassende Grundlage für die Beurteilung des Beweisergebnisses zum abzuurteilenden Tatgeschehen.

Im übrigen und im Zusammenhang mit den obigen Ausführungen geht das Gericht von einer Verhinderung der beantragten Beweiserhebung aus tatsächlichen Gründen aus. Wie sich aus der eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes ergibt, stehen einer in China zu bewirkenden Ladung der Zeugen oder einer kommissarischen Vernehmung der Zeugen in China Schwierigkeiten entgegen, die Bemühungen, die Beweismittel in absehbarer Zeit herbeizuschaffen, als von vornherein aussichtslos erscheinen lassen.
In der im Beweisbeschluß zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes heißt es:

"Aus Kenntnis des Auswärtigen Amtes wird zur Anfrage des LG Essen wie folgt Stellung genommen: Gemäß RiVASt, Nr. 5, Länderteil China, können deutsche Konsularbeamte Ladungsurkunden in den Räumen der Auslandsvertretung zustellen, falls sie sich freiwillig dazu bereitfinden.
Da hier der vermutliche Aufenthaltsort der Zeugen nicht bekannt ist, kann nicht beurteilt werden, ob die Zeugen vermutlich einer entsprechenden den Bitte einer Auslandsvertretung nachkommen würden.

Nach hiesiger Einschätzung ist darüber hinaus unwahrscheinlich, dass die Zeugen die für eine Aussage in Deutschland erforderliche Ausreisegenehmigung erhalten würden.
Vor einer alternativ in China durchzuführenden konsularischen Vernehmung der Zeugen in einer deutschen Auslandsvertretung müsste von deutscher Seite die Genehmigung der chinesischen Behörden eingeholt werden. Ein entsprechender Antrag würde allerdings wahrscheinlich abgelehnt werden. Frühere Anfragen sind bisher immer abgelehnt worden. Eine neue Haltung der chinesischen Behörden ist insoweit nicht erkennbar.
Das Auswärtige Amt erlaubt sich außerdem den Hinweis, dass nach hiesiger Kenntnis aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse in China sexuelle Beziehungen zwischen (unverheirateten) Liebespaaren eher selten und keinesfalls "üblich" sind.

Die in dem Beweisantrag genannten Anschriften der beiden in China lebenden Zeugen waren dem Auswärtigen Amt ausweislich der Akten im Rahmen der Anfrage durch das Landgericht Essen nicht mitgeteilt worden.

2. Die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung der beiden in China lebenden Zeugen war mit der vom Landgericht hierfür gegebenen Begründung rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung zu der Begründung des Ablehnungsbeschlusses in Widerspruch gesetzt. Der hilfsweise vom Landgericht angeführte Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit der beiden Zeugen ist in dem Ablehnungsbeschluß nicht in der gebotenen Weise näher ausgeführt worden.

a) Über den Beweisantrag auf Vernehmung der beiden Zeugen, deren Ladung in China zu bewirken gewesen wäre, hatte die Berufungskammer gemäß § 244 Abs. 5 S.2 StPO nur nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zu entscheiden. Dabei war es ihr erlaubt und aufgegeben, das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrundezulegen. Das sonst im Beweisantragsrecht weitgehend herrsC.de Verbot einer Beweisantizipation gilt im Rahmen des § 244 Abs. 5 S.2 StPO nicht (BGH, StV 1994, 229, 230; BGHR StPO § 244 Abs. 5 S.2 Auslandszeuge 3 und 6). Die Berufungskammer durfte also ihre Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der Beweisaufnahme durch die Vernehmung dieser beiden Zeugen zu erwarten waren und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt sie dabei unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass die benannten Zeugen die Beweisbehauptung nicht werden bestätigen können oder dass ein Einfluß auf die Überzeugung der Kammer auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn die Zeugen die in ihr Wissen gestellte Behauptung bestätigen werden, wäre die Ablehnung des Beweisantrages rechtlich nicht zu beanstanden gewesen (vgl. BGH, StV 1994, 229, 230). Andererseits war die Kammer jedoch in der Weise gebunden, dass sie sich mit den Gründen ihrer Beschlußentscheidung im Urteil nicht in Widerspruch setzen durfte (BGHR StPO § 224 Abs. 5 S.2 Auslandszeuge 6). So aber ist es hier geschehen:

Ausweislich der Begründung des Ablehnungsbeschlusses geht die Kammer zunächst nicht davon aus, dass die in dem Beweisantrag benannten, in China zu ladenden Zeugen die in ihr Wissen gestellten Tatsachen nicht würden bestätigen können. Vielmehr geht die Kammer im Rahmen der Begründung des Ablehnungsbeschlusses von der Möglichkeit aus, dass die Aussage dieser beiden Zeugen das Gegenteil des bisherigen Beweisergebnisses ergeben und die Kammer gestützt auf die Aussagen der beiden Zeugen den entsprechenden Angaben der Zeugin C. zur Vorgeschichte der Tat nicht werde folgen können. Die weiteren Ausführungen der Kammer in dem Ablehnungsbeschluß, auch für diesen Fall biete die bisherige Beweisaufnahme eine genügend umfassende Grundlage für die Beurteilung des Beweisergebnisses zum abzuurteilenden Tatgeschehen, sind aber bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie konkrete, nachvollziehbare Gründe dafür, dass derartige Aussagen der beiden Auslandszeugen auf keinen Fall die Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen der Tat entkräften könnten, nicht darlegt (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, StV 1994, 229, 230). Solche Gründe ergeben sich auch nicht aus der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils. Das angefochtene Urteil enthält nämlich gerade keinerlei Beweiswürdigung zu der Frage, aus welchen Gründen die Kammer von der Richtigkeit der Angaben der Zeugin und Nebenklägerin C. zum Kerngeschehen der Tat und zum Geschehen nach der Tat überzeugt ist. Nach den Urteilsgründen kann zwar vermutet werden, dass die diesbezüglichen Feststellungen auf den Angaben der Zeugin C. und möglicherweise auch auf den Angaben weiterer Zeugen, etwa der vernommenen Landsleute der Zeugin C., die diese unmittelbar nach der Tat gesehen hatten, sowie der Vernehmungsbeamten der Kriminalpolizei beruhen. Mehr als eine entsprechende Vermutung lassen die Urteilsgründe in Ermangelung jeder Beweiswürdigung hierzu jedoch nicht zu. Damit bleibt letztlich aber auch offen, aus welchen Gründen die bisherige Beweisaufnahme der Kammer eine genügend umfassende Grundlage für die Beurteilung des Beweisergebnisses zum abzuurteilenden Tatgeschehen gegeben haben soll. Hinzu kommt, dass die Kammer, soweit sie in den Urteilsgründen eine Beweiswürdigung vornimmt, sich im Rahmen dieser Beweiswürdigung in Widerspruch zu den Ausführungen in dem Ablehnungsbeschluß gesetzt hat. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit, Erwiesenheit der Beweistatsache oder Wahrunterstellung der Beweistatsache (BGH, StPO, § 244 Abs. 5 S.2 Auslandszeuge 6).

In dem Ablehnungsbeschluß hatte die Kammer ausgeführt, dass die in das Wissen der Auslandszeugen gestellten Tatsachen für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin nicht von ausschlaggebender Bedeutung seien. Diese Begründung läuft letztlich auf die Erwägung hinaus, dass die Kammer den Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen der Tat selbst dann glauben wollte, wenn sich ihre Angaben zur Vorgeschichte der Tat als falsch herausstellen sollten. Mit dieser Wertung sind aber die Ausführungen in der - fragmentarischen - Beweiswürdigung der Kammer nicht vereinbar. Dort stellt die Kammer im Rahmen der Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin C. nämlich gerade auf den Umstand ab, dass die Aussagen dieser Zeugin zur Vorgeschichte der Tat durch die vernommenen Zeugen T. und Z. nicht erschüttert worden seien. In den Angaben dieser Zeugen liege - so die Kammer - kein Widerspruch zur Aussage der Nebenklägerin, der ihre Glaubwürdigkeit in Frage stelle. Mit dieser Begründung hat die Kammer aber im Widerspruch zu der Begründung des Ablehnungsbeschlusses mögliche Abweichungen zwischen den Angaben der von ihr vernommenen Zeugen und den Angaben der Nebenklägerin zur Vorgeschichte der Tat als erheblich angesehen und ihre Überzeugung von der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin gerade auch damit begründet, dass deren Angaben zur Vorgeschichte der Tat mit den Angaben der beiden von der Kammer vernommenen chinesischen Zeugen in Einklang stehe. Hatte die Kammer aber auf diese Weise im Rahmen ihrer Beweiswürdigung tragend auch darauf abgestellt, dass die Angaben der Nebenklägerin zur Vorgeschichte der Tat von dem übrigen Beweisergebnis der Kammer nicht erschüttert worden waren, so ist damit schlechterdings nicht vereinbar, im Rahmen der Ablehnung des Beweisantrages Abweichungen zwischen den Angaben der Nebenklägerin und der hierzu angebotenen Zeugen als bedeutungslos anzusehen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 5 S.2 Auslandszeuge 6; BGHR StPO § 244 Abs. 3 S.2 Bedeutungslosigkeit 18; BGH, NStZ 1994, 195).

b) Soweit die Kammer die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung der beiden in China zu ladenden Auslandszeugen hilfsweise mit der Begründung abgelehnt hat, die beiden Zeugen seien aus tatsächlichen Gründen unerreichbar, war die Ablehnung des Beweisantrages auch mit dieser Hilfsbegründung rechtsfehlerhaft. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Zeuge dann unerreichbar, wenn der Tatrichter unter Beachtung der ihm obliegenden Aufklärungspflicht alle der Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen vergeblich entfaltet hat und keine begründete Aussicht besteht, dass der Zeuge in absehbarer Zeit als Beweismittel herangezogen werden kann (BGH, NStZ 1993, 50 m.w.N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in dem den Beweisantrag ablehnenden Beschluss darzulegen (BGH, a.a.O.). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Konkrete Hindernisse, die der Vernehmung der Zeugen entgegenstellen, werden in dem Ablehnungsbeschluß nicht genannt. Aus der dort in Bezug genommen Auskunft des Auswärtigen Amtes ergeben sich solche Hindernisse ebenfalls nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit. Dem Auswärtigen Amt war nämlich ausweislich der Akten die Anschrift der beiden in China zu ladenden Zeugen durch den Präsidenten des Landgerichts Essen im Rahmen der genannten Anfrage nicht mitgeteilt worden. Gerade diese Angabe war aber für das Auswärtige Amt nach dem Inhalt der dortigen Auskunft von entscheidender Bedeutung dafür, beurteilen zu können, ob die beiden Zeugen vermutlich einer Bitte deutscher Konsularbeamten auf Entgegennahme von Ladungsurkunden in den Räumen der Auslandsvertretung nachkommen würden. Es wäre daher zumindest erforderlich gewesen, dem Auswärtigen Amt den vermutlichen Aufenthaltsort bzw. die in dem Beweisäntrag genannte Anschrift der beiden Auslandszeugen mitzuteilen, um so eine zuverlässige Prognose über die Aussichten einer Ladungsmöglichkeit der Zeugen im Ausland zu erhalten. Auch hätte die Frage einer möglichen Ausreisegenehmigung für die beiden Zeugen konkreter geklärt werden müssen. Das Auswärtige Amt hat in seiner Auskunft zu der Alternative, in China die konsularische Vernehmung der Zeugen in einer deutsC. Auslandsvertretung durchzufahren, ausgeführt, dass die hierzu erforderliche Genehmigung der chinesischen Behörden stets verweigert worden und eine neue Haltung dieser Behörden insoweit nicht erkennbar sei. Zumindest derartige Feststellungen hätten hier auch zur Frage der Ausreisegenehmigung getroffen werden müssen.

3. Die aufgeführten Mängel der Beweiswürdigung des Landgerichts - Fehlen einer umfassenden Würdigung zum Kerngeschehen der Tat und zum Geschehen nach der Tat - begründen gleichzeitig auch die Sachrüge. Insoweit entspricht es gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass insbesondere in Fällen von Aussage gegen Aussage - wie auch im vorliegenden Fall - die Urteilsgründe erkennen lassen müssen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegung einbezogen hat (BGHR, StPO, § 261 Beweiswürdigung 1, 14). In einem solC. Fall ist zudem in besonderem Maße eine Gesamtwürdigung aller Indizien geboten. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Tatopfers darf sich der Tatrichter insbesondere nicht darauf beschränken, Umstände, die gegen die Zuverlässigkeit der Aussage spreC. können, gesondert und einzeln zu erörtern sowie getrennt voneinander zu prüfen, um festzustellen, dass sie jeweils nicht geeignet seien, die Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn nämlich jedes einzelne die Glaubwürdigkeit der Angaben möglicherweise in Frage stellende Indiz noch keine Bedenken gegen die den Angeklagten belastende Aussage aufkommen ließe, so kann doch eine Häufung von - jeweils für sich erklärbaren - Fragwürdigkeiten bei einer Gesamtschau zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit eines Tatvorwurfs führen (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 14 m.w.N.; vgl. BGH, StV 1995, 5, 6; BGH, StV 1996, 249, 582).

4. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass nunmehr die Neufassung des § 177 StGB durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. Strafrechtsgesetz vom 26.01.1998, BGBl I, 174) sowie das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährliC. Straftaten (ebenfalls vom 26.01.1998, BGBl I, 160) als das im Vergleich zur alten Fassung des § 177 StGB mildere Gesetz gemäß § 2 Abs. 3 StGB der Verurteilung des Angeklagten zugrundezulegen ist (vgl. BGHR StGB § 2 Abs. 3 Gesetzesänderung 11).

Zu einer Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen den Angeklagten hat der Senat keine Veranlassung gesehen. Der Angeklagte ist nach Aktenlage die dem Senat insoweit zur Prüfung der Haftfrage offensteht weiterhin der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig. Sollte er in prozeßordnungsgemäßer Weise überführt werden können, wovon nach dem derzeitigen Sachstand auszugehen ist, ist auch gegen die Höhe der erkannten Freiheitsstrafe nichts einzuwenden, so dass auch trotz der mittlerweile deutlich mehr als einem Jahr andauernden Untersuchungshaft deren weiterer Vollzug noch verhältnismäßig ist.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".