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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 (s) Sbd. 1 - 6/98 OLG Hamm

Leitsatz: Die analoge Anwendung der §§ 14, 19 StPO kommt bei einem negativen sachlichen Kompetenzstreit nur dann in Betracht kommt, wenn sonst kein anderer Ausweg besteht, dem Verfahren Fortgang zu geben.

Senat: 3

Gegenstand: Zuständigkeitssache

Stichworte: Bestimmung des zuständigen Gerichts, negativer sachlicher Kompetenzkonflikt zwischen Jugendkammer und Jugendschöffengericht, Willkür, Unzulässigkeit

Normen: JGG 44 Abs. 2 StPO 14, StPO 19

Beschluss: Strafsache gegen S.B.,
Erziehungsberechtigte: K.S.,
zur Zeit in Untersuchungshaft in anderer Sache,
und andere,
wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes u.a.,
(hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts).

Auf die Vorlage der Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23.06.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Antrag des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts des Amtsgerichts Essen vom 23.05.1998 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:
I. Das vorliegende Strafverfahren richtet sich gegen insgesamt 14 jugendliche Angeklagte, denen mit der von der Staatsanwaltschaft Essen zum Jugendschöffengericht in Essen erhobenen Anklage vom 20.11.1997 vorgeworfen wird, in der Zeit vom 31.01.1997 bis zum 28.05.1997 in Essen in wechselseitiger Beteiligung insgesamt 10 Taten des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung, teilweise tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung, sowie des Einbruchsdiebstahls und der Hehlerei begangen zu haben. Mit Verfügung vom 24.03.1998 hatte der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts in Essen die Sache der Jugendstrafkammer beim Landgericht Essen mit der Bitte um Übernahme des Verfahrens gemäß § 40 Abs. 2 JGG vorgelegt, da das Verfahren wegen der großen Anzahl der Angeklagten und Zeugen von einem Berufsrichter allein nicht sachgemäß zu erledigen sei. Die Jugendstrafkammer hat daraufhin mit Beschluss vom 02.04.1998 die Übernahme des Verfahrens vom Jugendschöffengericht abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass sie zwar die Einschätzung des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts teile, dass ein Berufsrichter das Verfahren nicht sachgerecht erledigen könne. Bei dem Umfang des Verfahrens erscheine aber auch eine sachgerechte Verhandlung vor der Jugendkammer kaum möglich zu sein. Das Verfahren müsse daher nach überschaubaren Tätergruppen und Tatvorwürfen abgetrennt werden. Nach der Abtrennung sei es aber auch durch einen Berufsrichter allein zu bewältigen.

Der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts hat das Verfahren daraufhin mit Beschluss vom 23.05.1998 dem Oberlandesgericht zur Frage der Überprüfbarkeit des ablehnenden Beschlusses des Landgerichts Essen vom 02.04.1998 und ggf. zur Entscheidung vorgelegt. Wie sich aus den Akten ergibt, kommt nach Ansicht des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts eine Abtrennung nicht in Betracht. Bei dieser Sachlage sei das Ermessen der Jugendstrafkammer im Rahmen der Übernahmeentscheidung gemäß § 40 Abs. 2 JGG auf Null reduziert, da die Jugendstrafkammer ausweislich des ablehnenden Beschlusses der Ansicht sei, dass das Verfahren für das Jugendschöffengericht zu umfangreich sei. Die Ablehnung der Übernahme erscheine daher willkürlich und sei deshalb durch das Oberlandesgericht überprüfbar, da ansonsten die Vorschrift des § 40 Abs. 2 JGG leerlaufe.

II. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme folgendes ausgeführt:

"Der Antrag auf Entscheidung durch das Oberlandesgericht ist nicht zulässig.
Die nach Anklageerhebung und Vorlage der Akten des Jugendschöffengerichts an die Jugendkammer zur Prüfung der Übernahme des Verfahrens erfolgte ablehnende Entscheidung gem. § 40 Abs. 2 JGG ist nicht anfechtbar.
Es ist nicht überprüfbar, ob der besondere Umfang der Sache eine Übernahme durch die Jugendkammer geboten hätte, denn ob sie ein Verfahren gemäß § 40 Abs. 2 JGG übernimmt, liegt in ihrem sachlich nicht nachprüfbaren Ermessen, da ihr Beschluss gem. § 40 Abs. 4 Satz 1 JGG nicht anfechtbar ist (zu vgl. Brunner, JGG, 10. Auflage, §§ 39-41 Rdnr. 34; OLG Karlsruhe, MDR 1980, 427; Ostendorf, JGG, 4. Auflage, § 40 Rdnr. 7; Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, 2. Auflage, § 40 Rdnr. 7, 10; Eisenberg, JGG, 7. Aufl., § 40 Rdnr. 13). Erwägungen dahingehend, die Jugendkammer habe ermessensmißbräuchlich entschieden, können daher nicht durchgreifen.

Eine analoge Anwendung der §§ 14, 19 StPO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Diese ist für den Fall eines negativen sachlichen Kompetenzstreits mangels ausdrücklicher Regelung in der Strafprozeßordnung anerkannt (BGH 18, 381 ff; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 14 Rdnr. 2 u. § 19 Rdnr. 2). Ein derartiger Kompetenzkonflikt ist jedoch nicht gegeben, da dieser nur dann vorliegt, wenn sonst keine andere Möglichkeit besteht, das Verfahren fortzusetzen. Durch die Vorlage gemäß § 40 Abs. 2 JGG wird jedoch die sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts nicht berührt. Dies wäre erst mit dem Übernahmebeschluß der Jugendkammer der Fall und es entfiele dann gleichzeitig die sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts; lehnt hingegen die Jugendkammer die Übernahme ab, besteht die sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts fort (OLG Karlsruhe, MDR 1980, 427).

Demnach kann die Entscheidung der Jugendkammer des Landgerichts Essen einer Überprüfung durch den Senat und einer Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht zugeführt werden. "

Diesen zutreffenden Erwägungen schließt sich der Senat an. Der Senat selbst hat zuletzt mit Beschluss vom 15.05.1998 - 3 s Sbd. 1-4/98 OLG Hamm - wie zuvor in ständiger Rechtsprechung - entschieden, dass eine analoge Anwendung der §§ 14, 19 StPO bei einem negativen sachlichen Kompetenzstreit nur dann in Betracht kommt, wenn sonst kein anderer Ausweg besteht, dem Verfahren Fortgang zu geben. Ein solcher Fall liegt hier aufgrund der zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft nicht vor, so dass es deshalb auch nicht darauf ankommt, ob die Ablehnung der Übernahme des Verfahrens gemäß § 40 Abs. 2 JGG durch die Jugendkammer willkürlich war oder nicht. Die Prüfung der Willkür einer die Zuständigkeit eines anderes Gerichts begründenden Entscheidung stellt sich nämlich erst dann, wenn die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der §§ 14, 19 StPO gegeben sind. Willkür alleine vermag eine Entscheidungskompetenz des Senats zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dagegen nicht zu begründen. Der Senat konnte daher in der Sache selbst nicht entscheiden, obwohl er sachlich die Auffassung des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts Essen teilt und auch für den Senat die Ablehnung der Übernahme durch die Jugendkammer nicht nachvollziehbar ist.


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