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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 290/98 OLG Hamm

Leitsatz: Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinn von § 70 Abs. 1 StGb liegt nur vor, wenn der Täter unter bewußter Mißachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit bewusst und planmäßig ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu reicht ein nur äußerer Zusammenhang nicht aus, die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluß der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufsverbot, Missbrauch des Berufes, Verhältnismäßigkeit, berufstypischer Zusammenhang, Taten nur bei Gelegenheit

Normen: StGB 70 Abs. 1

Beschluss: Strafsache gegen S.K.,
wegen Diebstahls,
hier: Revision der Angeklagten.

Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der IX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 30. September 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.05.1998 durch die Richterin am Oberlandesgericht , die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht auf Antrag bzw. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung der Angeklagten bzw. ihres Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch aufgehoben, soweit gegen die Angeklagte ein Berufsverbot verhängt worden ist.

Das Berufsverbot entfällt.

Das gegen die Angeklagte mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 7. November 1996 festgesetzte vorläufige Berufsverbot wird aufgehoben.

Die Angeklagte ist für das gegen sie verhängte vorläufige Berufsverbots zu entschädigen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels fallen zu zwei Dritteln der Angeklagten zur Last. In diesem Umfang hat sie auch ihre eigenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die übrigen im Revisionsverfahren entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:
I. Durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 7. November 1996 ist die Angeklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Angeklagten ist weiter für die Dauer von zwei Jahren verboten worden, im Bereich der Alten- und Krankenpflege eine (berufliche) Tätigkeit auszuüben. Zugleich ist gegen die Angeklagte durch Beschluss ein entsprechendes vorläufiges Berufsverbot verhängt worden.

Auf die rechtzeitig von der Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht Essen am 30. September 1997 die Berufung mit der Maßgabe verworfen, dass die Dauer des Berufsverbotes auf ein Jahr und einen Monat abgekürzt wird.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ist die Angeklagte bereits einmal einschlägig in Erscheinung getreten. Am 6. November 1993, während sie mit der Pflege der damals 85 Jahre alten Frau Bongers beauftragt war, hatte sie ihre Tätigkeit dazu ausgenutzt, die im Wohnzimmerschrank aufbewahrte Geldbörse der Schwiegertochter der Frau B. mit Führerschein, Bundespersonalausweis, zwei EC-Scheckkarten sowie etwa 450,00 DM Bargeld zu entwenden. Deshalb ist gegen die Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Rheinberg vom 2. Januar 1994 eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 50,00 DM wegen Diebstahls festgesetzt worden. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass die Angeklagte bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils und der Anordnung des vorläufigen Berufsverbots als Altenpflegerin bei dem öFreien Alten- und Krankenpflege-Dienst e.V. beschäftigt war, diese Arbeitsstelle aufgrund des Urteils 1. Instanz und des gegen sie verhängten vorläufigen Berufsverbotes verloren hat.

Zur Sache hat die Kammer folgendes festgestellt. Die Angeklagte suchte die Geschädigte Be., eine 88 Jahre alte Dame, der nach einer Oberschenkelhalsoperation häusliche Pflege verordnet worden war, am 3. Februar 1996 im Rahmen ihrer Pflegediensttätigkeit auf. Die Zeugin Be. wollte sich ihr gegenüber für die geleistete Pflege erkenntlich zeigen und ihr einen Geldschein schenken. Zu diesem Zweck holte sie aus ihrem Sekretär ihre Geldbörse, in der sich 1.700,00 DM befanden. Sie blätterte die Geldscheine durch und schenkte der Angeklagten sodann einen 50-DM-Schein. Die Angeklagte erbot sich zum Schein, die Geldbörse für die Geschädigte wieder in den Sekretär zurückzulegen, worauf die Geschädigte ihr die Geldbörse übergab. Die Angeklagte täuschte aber nur vor, die Geldbörse in den Sekretär zurückgelegt zu haben, sondern behielt sie samt Inhalt für sich.

Aufgrund dieses Sachverhaltes hat das Landgericht die Angeklagte wegen Diebstahls zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Die Anordnung des Berufsverbots hat das Landgericht damit begründet, die Angeklagte habe den Diebstahl unter Missbrauch ihres Berufes und unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen. Darüber hinaus sei aufgrund der Tat in Verbindung mit der Vortat zu befürchten, dass die Angeklagte bei weiterer Ausübung ihres Altenpflegeberufes erneut der Versuchung erliegen werde, die ihr anvertrauten Pfleglinge zu bestehlen. Die Kammer hat bei der Dauer des verhängten Berufsverbotes die Wirkungen berücksichtigt, die durch die vorläufige Anordnung des Berufsverbotes bereits erzielt worden seien.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision verfolgt die Angeklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Sie rügt die Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO, weil die Kammer die Zeugin W. nicht gehört habe. Im übrigen rügt sie die Verletzung materiellen Rechts, wobei sie insbesondere den Zweifelssatz für verletzt hält.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß §349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II. Das angefochtene Urteil war auf die Sachrüge im Strafausspruch aufzuheben, soweit gegen die Angeklagte ein Berufsverbot verhängt worden ist. Insoweit konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und den Wegfall des Berufsverbotes anordnen, weil ein Berufsverbot in den rechtsfehlerfreien Feststellungen keine ausreichende Grundlage findet.

Nach § 70 Abs. 1 StGB kann gegen einen Angeklagten ein Berufsverbot verhängt werden, wenn er wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Missbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt wird oder nur deshalb nicht verurteilt wird, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, und wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird.

Nach den Feststellungen der Kammer hat die Angeklagte die Tat schon nicht unter Missbrauch ihres Berufs begangen. Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe liegt nur vor, wenn der Täter unter bewußter Mißachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit bewusst und planmäßig ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu reicht ein nur äußerer Zusammenhang nicht aus, die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluß der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein (BGHR, § 70 Abs. 1 StGB - Pflichtverletzung 1, 2 und 4 -; BGH bei Dallinger, MDR 1968, 550), es muss ein berufstypischer Zusammenhang erkennbar sein (BGHR a.a.O. - Pflichtverletzung 3 -; BGH, NJW 1983, 2099).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Angeklagte hat nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils lediglich zwei Gelegenheiten, nämlich eine am 6. November 1993 und eine weitere am 3. Februar 1996, zu Diebstählen ausgenutzt, wobei sich in beiden Fällen die Gelegenheit zur Tat deshalb ergab, weil sie aufgrund ihrer Pflegetätigkeit faktischen Zugriff auf die Diebstahlsobjekte erlangt hatte. Zumindest die Tat des vorliegenden Verfahrens erfolgte nach den Feststellungen, weil sich offenbar eine günstige Gelegenheit bot, die die Angeklagte ausgenutzt hat, ohne dass ein unmittelbarer Zusammenhang der Tat mit ihrer Berufstätigkeit zu erkennen ist. Zwischen Beruf und Tat bestand nur ein äußerer, nicht jedoch ein berufsspezifischer Zusammenhang, bei dem die strafbare Handlung Ausfluß der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein muss. Es ist auch nicht feststellbar, dass die Angeklagte die Möglichkeit, zu ihren Pfleglingen in deren häuslicher Umgebung in Kontakt treten zu können, bewusst und planmäßig dazu ausnutzt, Eigentumsdelikte zu begehen. Eine derartige Schlußfolgerung lassen die beiden Diebstähle, für die die Angeklagte bislang zur Verantwortung gezogen worden ist, nicht zu.

Ebensowenig hat die Angeklagte die ihr vorgeworfene Tat unter grober Verletzung der mit ihrem Beruf verbundenen Pflichten begangen, da darunter nur berufsspezifische Pflichten und solche allgemeinen Pflichten zu verstehen sind, die aus der Berufstätigkeit erwachsen (Dreher, StGB, 47. Auflage, § 70 Rdnr. 4).

Der Anordnung des Berufsverbots steht darüber hinaus entgegen, dass nach der vorzunehmenden Gesamtwürdigung von Täterin und Tat auch bei weiterer Ausübung des Berufs die Gefahr der Begehung gleichartiger erheblicher rechtswidriger Taten nicht zu begründen ist. Dabei ist zu beachten, dass ein Berufsverbot einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeit des Betroffenen darstellt (BGH VRS 15, 112, 115). Daran gemessen hat das Landgericht die Annahme dieser Gefahr nur unzureichend und im Ergebnis rechtsfehlerhaft mit der einschlägigen Vorbelastung der Angeklagten in Verbindung mit der neuen Straftat begründet. Dabei ist zunächst unberücksichtigt geblieben, dass die der Vorbelastung zugrundeliegende Tat zwei Jahre und drei Monate vor der neuerlichen Straftat lag. Außerdem ist versäumt worden zu prüfen, inwieweit die Verurteilung zu Strafe im vorliegenden Verfahren die Angeklagte von weiteren ähnlichen Straftaten abhalten wird (vgl. BGHR, § 70 Abs. 1 StGB - Pflichtverletzung 6 -). Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsfolgen, die gegen die Angeklagte aufgrund der Tat vom 6. November 1993 verhängt worden sind, nur äußerst gering waren. Vorliegend ist der Angeklagten jedoch durch die erkannte Bewährungsstrafe nachhaltig vor Augen geführt worden, dass ein derartiges Verhalten zu empfindlichen strafrechtlichen Sanktionen führt. Zugleich ist ihr durch die Belehrung über die Bedeutung der Strafaussetzung gemäß § 268 a Abs. 3 StPO und den Bewährungsbeschluß bewusst gemacht worden, dass neuerliche Straftaten den Widerruf dieser Strafe nach sich ziehen können. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Angeklagte nunmehr auch ohne Anordnung eines Berufsverbotes ausreichend gewarnt ist. Dann ist aber für die Anordnung eines Berufsverbotes kein Raum mehr. Für eine gegenteilige Annahme fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten, so dass der Senat insoweit selbst entscheiden konnte.

Somit konnte die Anordnung des Berufsverbotes keinen Bestand haben. Da es insoweit keiner weiteren Aufklärung mehr bedarf und die Voraussetzungen für die Anordnung nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben sind, konnte der Senat gemäß § 354 Abs. 1 Satz 1 StPO in der Sache selbst entscheiden.

III. Das gegen die Angeklagte mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 7. November 1996 verhängte vorläufige Berufsverbot war aufzuheben.

IV. Für das in der Zeit vom 7. November 1996 bis zum 19. Mai 1998 gegen die Angeklagte verhängte vorläufige Berufsverbot ist die Angeklagte gemäß §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 Nr. 6 StrEG zu entschädigen. Ausschlußgründe oder Gründe, unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit eine Entschädigung zu versagen, sind nicht ersichtlich.

V. Die weitergehende Revision war auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Der der Angeklagten bzw. ihrem Verteidiger gemäß § 349 Abs. 3 StPO mitgeteilten Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft ist insoweit nichts hinzuzufügen.

VI. Da das Rechtsmittel der Angeklagten teilweise Erfolg hatte, war über die Kosten des Revisionsverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten gemäß §473 Abs. 4 StPO zu entscheiden. Der Senat hält es für angemessen, die Angeklagte mit jeweils zwei Dritteln der Kosten und ihrer notwendigen Auslagen zu belasten und im Übrigen die Kosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.


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