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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 164 - 166/98 OLG Hamm

Leitsatz: Nach der Abgabe der Vollstreckung einer nach den Vorschriften des Strafvollzuges für Erwachsene vollzogenen Jugendstrafe an die Staatsanwaltschaft gem. § 85 Abs. 6 JGG hat die Strafvollstreckungskammer die Prüfung, ob die Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung in Betracht kommt, nicht nach § 57 StGB sondern weiterhin nach Maßgabe des § 88 JGG vorzunehmen.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: bedingte Entlassung, Erwachsenenvollzug, Jugendstrafe, Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit

Normen: StGB 57, JGG 88

Beschluss: Strafsache gegen T.K.,
wegen Betruges u.a.,
hier: Ablehnung der bedingten Entlassung in drei Verfahren.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 12. März 1998 gegen den Beschluss der 19. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 18. Februar 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.04.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:
I. Gegen den Beschwerdeführer werden seit dem 23. Oktober 1995 drei Erkenntnisse vollstreckt:

1. Am 6. März 1996, rechtskräftig seit dem 5. April 1996, ist aufgrund des Gesamtstrafenbeschlusses des Amtsgerichts Bitterfeld - 6 Ls 351 Js 15341/93 (17/94) - eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gegen den Verurteilten festgesetzt worden. In diesen Beschluss ist eingegangen die Verurteilung durch das Amtsgericht Bitterfeld vom 22. August 1994 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten wegen Computerbetruges in 20 Fällen und Betruges in zwei Fällen. Der Verurteilte hatte die zugrundeliegenden Straftaten in der Zeit vom 12. bis zum 24. April 1994 (Bargeldabhebungen mit einer entwendeten EC-Karte an Geldautomaten), am 29. September 1993 (Eingehungsbetrug beim Kauf eines gebrauchten Pkw zu einem Kaufpreis von 5.900,00 DM) und am 23. Dezember 1993 (Eingehungsbetrug beim Kauf eines Funktelefons mit Zubehör für 1.890,85 DM) begangen, nachdem er am 7. April 1993 nach Verbüßung eines Teils einer dreijährigen Jugendstrafe - es handelt sich um das Erkenntnis zu 3. - bedingt aus der Haft entlassen worden war. Einbezogen wurden die Strafbefehle der Amtsgerichte Bitterfeld und Leipzig vom 29. April 1994 und 10. Juni 1994, die wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Tatzeit 19. August 1993 bzw. 27. November 1993, ergangen waren und zu Geldstrafen von 30 bzw. 40 Tagessätzen geführt hatten.

2. Das Amtsgericht Lüneburg - 15 Ls 12 Js 8540/94 (106/94) - hat am 25. September 1995 gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten wegen Betruges in fünf Fällen verhängt. Das Urteil ist seit dem 17. April 1996 rechtskräftig. Der Verurteilte hatte jeweils in betrügerischer Absicht in der Zeit vom 23. Februar bis zum 25. Juni 1994 gebrauchte Pkw und ein schweres Motorrad mit Zubehör für insgesamt 53.400,00 DM erworben.

3. Weiter wird vollstreckt eine Restjugendstrafe von 579 Tagen von ursprünglich drei Jahren, die das Bezirksgericht Leipzig am 4. August 1992, rechtskräftig seit dem 12. August 1992, gegen den Verurteilten verhängt hat. Der Verurteilte hatte in der Zeit von Anfang 1991 bis Mitte 1992 in mehr als 180 Einzelfällen in betrügerischer Absicht Schecks von eigens dafür von ihm eingerichteten Konten oder aber solche, die von Dritten entwendet worden waren, ausgestellt und weitergegeben. Außerdem war er trotz Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit Zahlungsverpflichtungen aufgrund von Kaufverträgen über 19 Funktelefone und elf gebrauchte Pkw eingegangen. Der von ihm erstrebte Vermögensvorteil betrug insgesamt rund 428.000,00 DM. In diese Verurteilung einbezogen wurde eine weitere Verurteilung wegen Betruges und versuchten Betruges mit einem Gesamtschaden von rund 69.000,00 DM.
Die weitere Vollstreckung in diesem Verfahren ist am 8. August 1997 an die allgemeine Vollstreckungsbehörde gemäß § 85 Abs. 6 JGG abgegeben worden.

Die vorgenannten Freiheitsstrafen werden seit dem 23. Oktober 1995 gegen den Verurteilten vollstreckt. Es erfolgte eine Unterbrechung der Vollstreckung in der Zeit vom 13. bis zum 15. August 1996, nachdem der Verurteilte aus einem Freizeit- und Kurzurlaub zunächst nicht zurückgekehrt war, sich dann aber wieder gestellt hatte. Das Strafende ist auf den 3. Februar 2000 notiert.

Der gemeinsame Zweidrittelzeitpunkt der beiden Freiheitsstrafen war auf den 13. Juli 1997 berechnet. Zu diesem Zeitpunkt hat die Strafvollstreckungskammer eine bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft abgelehnt. Eine entsprechende Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer in einem weiteren Beschluss hinsichtlich der Restjugendstrafe nach deren Übernahme getroffen.
Zur Zeit wird geprüft, ob aus den Freiheits- und Geldstrafen dieses Verfahrens und einer weiteren Geldstrafe im Verfahren AG Leipzig vom 7. August 1995 - 61 Ds 704 Js 2661/94 - eine neue Gesamtstrafe zu bilden ist. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat beantragt, insoweit auf eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und eine weitere Freiheitsstrafe von vier Monaten zu erkennen.

Die Strafvollstreckungskammer hat durch den angefochtenen Beschluss die bedingte Entlassung des Verurteilten in allen drei Verfahren, die offenbar wegen des "gemeinsamen Zweidrittelzeitpunkt" ergehen sollte, gemäß "§ 57 Abs. 1, 2 StGB" abgelehnt, weil eine Gesamtwürdigung aller zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ergebe, dass eine Erprobung in der Freiheit nicht verantwortet werden könne.
Gegen diesen dem Verurteilten am 9. März 1998 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte durch seinen Verteidiger am 12. März 1998, eingegangen bei der Posteingangsstelle der Bielefelder Justizbehörden am folgenden Tage, sofortige Beschwerde eingelegt. Sowohl der Verteidiger als auch der Verurteilte selbst haben dieses Rechtsmittel näher begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II. Die fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die bedingte Entlassung aus den gegen den Verurteilten erkannten Freiheitsstrafen richtet sich nach § 57 Abs. 1 StGB n.F.. Danach setzt das Gericht die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe dann aus, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann und der Verurteilte einwilligt. Bei der Entscheidung sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

Die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes aus der Jugendstrafe richtet sich auch in Fällen wie hier, in denen eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft gemäß § 85 Abs. 6 JGG erfolgt ist, nach Maßgabe des § 88 JGG (vgl. OLG Hamm, StV 1996, 277 ff., Brunner/Dolling, JGG. 10. Auflage, § 85 Rdnr. 14), nunmehr in der neuen Fassung. Danach kann die Vollstreckung eines Strafrestes - bei höheren Jugendstrafen nach Verbüßung mindestens eines Drittels und in der Regel mindestens sechs Monaten - zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.

Mit der Neufassung der §§ 57 Abs. 1, 88 JGG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass bei derartigen Entscheidungen eine Abwägung zwischen dem Resozialisierungsinteresse des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vorzunehmen ist. Dabei werde insbesondere darauf abgestellt, dass es von dem Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit abhängig sei, welches Maß einer Erfolgswahrscheinlichkeit für eine Aussetzung des Strafrestes verlangt werden müsse (Bericht des Rechtsausschusses, Bundestags-Drucks. 13/9062, S. 9).

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen kann eine bedingte Entlassung des Verurteilten in den drei vorliegenden Verfahren zur Zeit noch nicht erfolgen.
Der Senat hat dabei nicht übersehen, dass es unter den Bedingungen des Vollzuges offenbar zu einer deutlichen Nachreifung des Verurteilten gekommen ist. Bei seinen teils freien Beschäftigungsverhältnissen zeigt er seit längerer Zeit kontinuierlich weit überdurchschnittliche Arbeitsleistungen. Seine Einkünfte verwendet er zumindest zu einem wesentlichen Teil zur Schuldentilgung, wobei die Abwicklung über ein Treuhandkonto eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt. Das zeigt, dass beim Verurteilten ein Umdenkungsprozeß stattgefunden und er das Unrecht seiner Straftaten eingesehen hat. Auch der Verlust eines freien Beschäftigungsverhältnisses aufgrund einer schlechten Auftragslage hat nicht zu einer Frustration geführt, sondern der Verurteilte ist weiter bemüht, den eingeschlagenen positiven Weg weiter zu verfolgen. Auch in seiner privaten Lebenssituation ist es zwischenzeitlich zu einer Stabilisierung gekommen. Er hat eine Lebensgefährtin gefunden, die er noch in diesem Jahr heiraten möchte.

Gleichwohl bedarf es trotz der durchweg positiven Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt und dieser günstigen Entwicklung des Verurteilten noch eines gewissen weiteren Zeitraumes, in dem der Verurteilte zeigt, dass der Wandel die erforderliche Nachhaltigkeit aufweist und er damit die Gewähr für ein zukünftig straffreies Leben bietet. Die bisher gezeigten positiven Veränderungen lassen derzeit noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit den Schluss zu, dass der Verurteilte auch außerhalb des Strafvollzuges diesen eingeschlagenen Weg weiterverfolgen wird. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Verurteilte in der Vergangenheit eine ungewöhnlich hohe Delinquenz gezeigt hat. Selbst die Verbüßung eines längeren Teils der Jugendstrafe hat ihn nicht davon abhalten können, nur 5 Tage nach seiner bedingten Haftentlassung erneut eine Straftat zu begehen. Er hat somit unmittelbar nach seiner Haftentlassung das Leben, das zuvor von Betrugsstraftaten geradezu geprägt war, unmittelbar wieder aufgenommen. Bei einem derartigen Vorleben kommt unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nur in besonderen Fällen überhaupt noch eine bedingte Entlassung in Betracht. Ein solcher Fall liegt hier zwar wegen der genannten positiven Umstände vor, die positive Entwicklung muss aber nachhaltig sein und darf nicht durch Rückschläge unterbrochen werden. Nach der Überzeugung des Senats bedarf es noch eines weiteren Zeitraumes der Beobachtung. Der von der Strafvollstreckungskammer insoweit vorgesehene Zeitpunkt einer erneuten Prüfung in nunmehr noch vier Monaten erscheint insoweit als angemessen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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