Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 (s) Sbd. 1 - 1/96

Leitsatz: Die Abgabe der Nachtragsentscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung ist, sofern nicht willkürlich, bindend. Für die zu der früheren Vorschrift des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO notwendigen Zweckmäßigkeitserwägungen ist kein Raum mehr (gegen OLG Düsseldorf in MDR 94, 503).

Senat: 3

Gericht: OLG Hamm

Gegenstand: Zuständigkeit

Stichworte: Abgabe, Bindungswirkung, Willkür

Normen: 14 StPO, 462 a Abs. 2 Satz 2 StPO

Fundstelle: JMBl. 1996, 237

Beschluss: OLG Hamm, Beschluss vom 18. April 1996 - 3 (s) Sbd. 1 - 1/96)

Aus den Gründen:
Das Amtsgericht L. hatte den Verurteilten wegen Verletzung der Unterhaltspflicht mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten belegt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit setzte das Amtsgericht auf drei Jahre fest. Es erlegte dem Angeklagten auf, seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau und seiner Tochter nach Kräften nachzukommen, mindestens monatlich 300 DM für die geschiedene Ehefrau und für die Tochter 500 DM zu zahlen. Darüber hinaus mußte der Angeklagte jeden Wechsel des Wohnsitzes und des Arbeitsplatzes während der Bewährungszeit unverzüglich dem Gericht anzeigen. Er wurde zugleich der Aufsicht und Leitung des zuständigen Bewährungshelfers unterstellt. Die Nachtragsentscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung übertrug das Amtsgericht L. dem zuständigen Wohnsitzgericht, dem Amtsgericht H. Der Angeklagte wohnte seinerzeit in H.

Mit Beschluss vom 12.04.1995 übertrug das Amtsgericht L. unter Aufhebung der entsprechenden Regelung des früheren Bewährungsbeschlusses die Nachtragsentscheidung bezüglich der Strafaussetzung zur Bewährung auf das Amtsgericht M. mit der Begründung, dass der Verurteilte in M. wohnhaft sei. Der Verurteilte gab seinen Wohnsitz in M. alsbald auf und begründete einen Nebenwohnsitz in X. Sein Hauptwohnsitz war jedoch, wie er seinem Bewährungshelfer mitteilte, H. Mit Rücksicht hierauf hob das Amtsgericht L. mit Beschluss vom 09.08.1995 den Beschluss vom 12.04.1995 auf und übertrug die Nachtragsentscheidung zur Strafaussetzung zur Bewährung auf das Amtsgericht H. Da der Verurteilte erneut seinen Wohnsitz wechselte und wiederum in X. Wohnung nahm, übertrug das Amtsgericht L. mit Beschluss vom 29.09.1995 unter Aufhebung des Beschlusses vom 09.08.1995 die gem. § 453 StPO zu trennenden Nachtragsentscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung auf das Amtsgericht X.

Das Amtsgericht X. lehnte die Übernahme der Bewährungsaufsicht ab. Es vertritt die Auffassung, dass die Abgabe an das Amtsgericht X. willkürlich und mißbräuchlich und somit unwirksam sei. Zur Begründung bezieht es sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1958 (in NJW 58, 560), die zum früher geltenden § 453 Abs. 2 StPO ergangen war. Das Amtsgericht hat in diesem Zusammenhang auf Zweckmäßigkeitserwägungen abgestellt und ausgeführt, dass das erkennende Gericht, das Amtsgericht L., die Bewährungsüberwachung eben so gut durchfuhren könne, zumal der Verurteilte häufig seinen Wohnsitz wechsele und somit eine Übertragung auf das Wohnsitzgericht unzweckmäßig sei.

Das Amtsgericht L. hat die Akten erneut dem Amtsgericht X. übersandt und auf die bindende Wirkung des Abgabebeschlusses gem. § 462 a Abs. 2 Satz 2 StPO hingewiesen. Daraufhin hat das Amtsgericht X. dem OLG Hamm die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Da sich beide in Rede stehenden Amtsgerichte für die Bewährungsüberwachung für unzuständig erklärt haben, liegt ein Fall des § 14 StPO vor, in dem das gemeinschaftliche obere Gericht das zuständige Gericht zu bestimmen hat.

Das Amtsgericht X. war für die weitere Durchführung der Bewährungsüberwachung für zuständig zu erklären. Mit dem Beschluss des Amtsgerichts L. vom 29.09.1995, mit dem die Nachtragsentscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 462 a Abs. 2 StPO auf das Amtsgericht X. übertragen worden sind, ist die Zuständigkeit des Amtsgerichts X. begründet worden. Diese Übertragung der Zuständigkeit ist gem. § 462 a Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz StPO bindend. Diese Bindungswirkung würde nur dann entfallen, wenn das Amtsgericht L. willkürlich die Abgabeentscheidung getroffen hätte. Was unter Willkür zu verstehen ist, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Danach liegt Willkür dann vor, wenn die Maßnahme auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruht und unter keinen Gesichtspunkten mehr vertretbar erscheint (BGHSt 29, 216 ff.; BVerfGE 29, 45, 49).

Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen gegeben wären, sind nicht ersichtlich. Darauf, ob die Abgabeentscheidung des Amtsgerichts L. die zweckmäßigste ist und ob möglicherweise auch die Bewährungsüberwachung durch das erkennende Amtsgericht L. sinnvoll wäre, kommt es vorliegend für die Frage, ob die Entscheidung des Amtsgerichts L. willkürlich war, nicht an. Hierauf hat der Senat bereits in mehreren - unveröffentlichten - Entscheidungen hingewiesen. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 10.01.1992 (in NStZ 92, 399) eindeutig unter Ablehnung der vom OLG Düsseldorf (in MDR 90, 78) vertretenen Auffassung dargelegt, dass das Fehlen besonderer Gründe, die die Abgabe nach § 462 a Abs. 2 Satz 2 StPO als zweckmäßig erscheinen lassen, noch nicht die Annahme von Willkür rechtfertigt.
Soweit das OLG Düsseldorf in einer späteren Entscheidung (in MDR 94, 503 f.) unter Außerachtlassung der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1992 wiederum das Vorliegen von Willkür bejaht hat in einem Fall, in dem die Bewährungsaufsicht an das Wohnsitzgericht eines Verurteilten, dem Auflagen gemacht worden waren, gem. § 462 a Abs. 2 Satz 2 StPO abgegeben worden war, und hierbei auf die bereits erwähnte Entscheidunq des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1958 verwiesen hat (in NJW 58, 560), sind die Erwägungen des OLG Düsseldorf nicht nachvollziehbar. Die zuletzt genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (in NJW 58, 560) stellt zwar auf Zweckmäßigkeitsüberlegungen ab. Danach sollen die nachträglichen Entscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung dem Gericht des Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes nur dann übertragen werden, wenn dies aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint. Diese Entscheidung ist jedoch zu der früheren Vorschrift des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO ergangen und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Vorschrift des § 462 a StPO und dessen Abs. 2 noch nicht bestanden. Eine dem heutigen § 462 a Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz StPO entsprechende Regelung, wonach die Abgabe der nach § 453 StPO zu treffenden Entscheidungen durch das erkennende Gericht an das Wohnsitzgericht bindend ist, existierte zu dem Zeitpunkt der vom OLG Düsseldorf und vorliegend vom Amtsgericht X. angezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1958 noch nicht. Daher geht der Hinweis auf größere oder geringere Zweckmäßigkeit der Abgabeentscheidung fehl. Maßgeblich ist allein, ob die Abgabeentscheidung willkürlich erfolgt ist; andernfalls ist sie bindend.
Da weiterhin zu überwachen sein wird, ob der Verurteilte den ihm auferlegten Unterhaltszahlungen nachkommt und da verneinendenfalls im Rahmen der Prüfung eines etwaigen Widerrufs der Bewährung eine mündliche Anhörung geboten sein dürfte, erscheint es angesichts der relativ weiten Entfernung zwischen L. und X. vertretbar und sinnvoll, dem Wohnsitzgericht, dem Amtsgericht X., die weitere Bewährungsüberwachung zu übertragen.

Nach alledem kann von einer willkürlichen Übertragungsentscheidung durch das Amtsgericht L. keine Rede sein. Vielmehr ist die Übertragung der weiteren Bewährungsüberwachung auf das Amtsgericht X. bindend. Das Amtsgericht X. war für zuständig zu erklären.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".