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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 BL 82/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zur vorübergehenden starken Belastung des Gerichts

Senat: 3

Gegenstand: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht, BL6

Stichworte: wichtiger Grund, Haftfortdauer, starke Belastung, Entlastung, Fluchtgefahr

Normen: StPO 121

Beschluss: Strafsache gegen A.A.,
wegen Vergewaltigung in zwei Fällen,
(hier:Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Vorlage der Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts am 23.04.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seines Verteidigers beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
Dem Angeklagten, der sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 02.10.1997seit diesem Tage aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Gütersloh vom 02.10.1997 - 12 Gs 765/97 - in Untersuchungshaft befindet, wird mit dem vorgenannten Haftbefehl zur Last gelegt, am 02.10.1997 in Rietberg die zur Tatzeit 17-jährige K.S. in zwei Fällen vergewaltigt zu haben, und zwar zunächst in seiner Unterkunft, sodann einige Zeit später auf einem Feld hinter dem Friedhof in Rietberg.

Mit diesem Vorwurf weitgehend identisch ist die Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 09.02.1998, die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfaßt, allerdings aufgrund des zwischenzeitlich eingeholten neurologischpsychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen B. vom 28.01.1998 davon ausgeht, dass der Angeklagte die Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hat. Die Anklage ist durch Beschluss der Strafkammer vom 23.03.1998 zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachtes, der sich insbesondere aus den Angaben der Geschädigten sowie aus der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten ergibt, auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen.

Bei dem Angeklagten besteht die konkrete Gefahr, dass er sich dem Verfahren durch Flucht entzieht, würde er freigelassen, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Der Angeklagte hat auch unter Zugrundelegung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeiten mit der Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen, was erfahrungsgemäß einen deutlichen Fluchtanreiz bildet. Er ist türkischer Staatsangehöriger und lebt nach der Trennung von seiner Ehefrau und seinen Kindern ohne tragfähige soziale Bindungen, zuletzt auf dem Grundstück eines entfernten Verwandten in einem als Wohnung umgebauten Hühnerstall. Hinzu kommt, dass der Angeklagte seit längerem arbeitslos ist und sich selbst als Alkoholiker bezeichnet. Zudem besteht bei ihm der Verdacht einer hirnorganischen Schädigung, so dass insbesondere im Zusammenwirken mit Alkohol mit Kurzschlußreaktionen des Angeklagten, insbesondere mit einem entsprechenden Fluchtentschluß, zu rechnen ist.

Der Zweck der Untersuchungshaft lässt deshalb auch nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO erreichen. Die bisher gegen den Angeklagten vollzogene Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des Tatvorwurfs und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden erheblichen Freiheitsstrafe.

Wichtige Gründe im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO haben ein Urteil bislang nicht zugelassen, sie rechtfertigen aber, die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten. Die Ermittlungen sind durch die Staatsanwaltschaft sowie die Polizeibehörden mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat bereits am 31.10.1997 ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten in Auftrag gegeben, das Anfang Februar 1998 vorlag. Unmittelbar nach Eingang des Gutachtens hat die Staatsanwaltschaft unter dem 09.02.1998 die Anklage bei dem Landgericht - Jugendschutzkammer - in Bielefeld erhoben. Die Kammer hat sodann nach Übersendung und Zustellung der Anklageschrift mit Beschluss vom 23.03.1998 das Hauptverfahren eröffnet und mittlerweile Hauptverhandlungstermin auf den 30.06. und 02.07.1998 anberaumt. Eine frühere Terminierung war der Kammer nach Auskunft der Vorsitzenden gegenüber dem Berichterstatter des Senats nicht möglich. Die Kammer ist bis Ende Juni 1998 mit Haftsachen austerminiert. Lediglich am 02.06.1998 wird an einem Sitzungstag eine Nichthaftsache verhandelt, und zwar eine vom Jugendschöffengericht übernommene Schwurgerichtssache (Tötung zwischen jugendlichen Schülern auf dem Schulhof). Die Kammer hat seit Januar 1998 bereits vier drei- bis viertägige Haftsachen verhandelt und verhandelt ab Anfang Mai 1998 eine Sechstages-Haftsache mit sechs Angeklagten. Danach folgt eine weitere auf drei Sitzungstage anberaumte Haftsache und sodann bereits die vorliegende Sache. Diese konnte nach Auskunft der Vorsitzenden auch aufgrund der erforderlichen Terminsabsprache mit dem Verteidiger, dem Nebenklägervertreter und dem Sachverständigen vor dem Hintergrund der geschilderten Terminslage der Kammer zu keinem früheren Zeitpunkt terminiert werden. Zwar ist bei der Jugendschutzkammer des Landgerichts Bielefeld eine deutliche Zunahme der Belastungen im Vergleich zum Vorjahr - im Schnitt etwa um 50 % - festzustellen, die Vorsitzende hat aber bereits bei der Verwaltung des Landgerichts um Entlastung nachgesucht, die ihr für den 01.05.1998 zugesagt worden ist. Bei dieser Sachlage kann derzeit noch von einer kurzfristigen, nicht vorhersehbaren Überlastung der Strafkammer mit Haftsachen ausgegangen werden.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.


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