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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 69/98 OLG Hamm

Leitsatz: Hat der Tatrichter einen Beweisantrag in der Hauptverhandlung gemäß § 77 Abs. 3 OWiG mit der Begründung ablehnen, die Beweiserhebung sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich, ist er in der Regel gehalten, die Ablehnung im Rahmen der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen so zu begründen, dass sie für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar ist.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Aufklärungsrüge, Ablehnung eines Beweisantrags, Begründung der Ablehnung im Urteil, erhöhte Anforderungen an Beweisaufnahme bei Hinterherfahren, Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, Hinterherfahren, Rechtsbeschwerde

Normen: StPO 244, StVO 3, OWiG 77

Beschluss: Bußgeldsache gegen I.O.,
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 20.10.1997 gegen das Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 17.10.1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 03.02.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Gladbeck zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Gladbeck hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 38 km/h ein Bußgeld in Höhe von 300,- DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 16.02.1997 gegen 04.00 Uhr mit einem PKW-Taxi in Gladbeck die Boystraße über eine Strecke von mindestens 350 m mit einer Geschwindigkeit von 68 km/h, obwohl dort durch Verkehrszeichen nur eine solche von höchstens 30 km/h zulässig ist. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde durch Nachfahren mit einem Polizeifahrzeug ermittelt, das über einen justierten Tachometer verfügte. Das Polizeifahrzeug folgte dem Fahrzeug des Betroffenen während des Messvorgangs in einem gleichbleibenden Abstand von 50 m. Das Amtsgericht hatte den Fahrer des Polizeifahrzeugs als Zeugen vernommen und darauf seine Feststellungen gegründet. Den Beweisantrag des Verteidigers, den seinerzeitigen Fahrgast des Betroffenen, den Zeugen G., dazu zu hören, dass der Betroffene nicht 38 km/h zu schnell gefahren, sondern mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h zu schnell gefahren sei, hat das Amtsgericht mit der Begründung abgelehnt, dass die Beweisaufnahme nach Ansicht des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei. Den weiteren Beweisantrag des Verteidigers, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass es nicht möglich sei, von Anfahren an der Roßheidestraße von der Boystraße bis zum Ende der Roßheidestraße über 350 m einen gleichbleibenden Abstand von 50 m einzuhalten, wenn das Polizeifahrzeug aus dem Stand anfährt und vor der Horster Straße bis zum Stillstand abbremsen muß bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 80 km/h und einer tatsächlichen Geschwindigkeit von 80 km/h, hat das Amtsgericht mit der Begründung abgelehnt, dass die Beweiserhebung auch hier nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei und der Beweisantrag nach Ansicht des Gerichts zu spät vorgebracht worden sei, da die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde. Eine weitere Begründung für die Ablehnung der Beweisanträge hat das Amtsgericht nicht gegeben, insbesondere auch nicht in den schriftlichen Urteilsgründen.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit am 21.10.1997 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Zustellung der Urteilsgründe an den Verteidiger am 29.10.1997 mit weiterem Schriftsatz, der am 28.11.1997 beim Amtsgericht eingegangen ist, begründet. Die Rechtsbeschwerde rügt neben der allgemeinen Sachrüge unter näherer Darlegung mit der Verfahrensrüge, dass die beiden von der Verteidigung in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt worden seien. Darüber hinaus erhebt sie die Aufklärungsrüge mit der Begründung, dass das Amtsgericht im Rahmen seiner richterlichen Aufklärungspflicht gehalten gewesen sei, sowohl den Fahrgast des Betroffenen als auch den Beifahrer des Polizeifahrzeugs, den Zeugen S., zu hören, zumal es selbst mit Verfügung vom 16.09.1997 angeordnet habe, dass ein Erscheinen beider Polizeibeamter zum Termin unbedingt erforderlich sei.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache bereits mit der Verfahrensrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Gladbeck.

Die Verfahrensrügen, das Amtsgericht habe die Beweisanträge auf Vernehmung des Fahrgastes des Betroffenen sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt, hat bereits deshalb Erfolg, weil das Amtsgericht die Ablehnung der beiden Beweisanträge in den Urteilsgründen nicht näher begründet hat. Dem Senat ist deshalb die Möglichkeit genommen, die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Beweisanträge zu überprüfen. Zwar durfte das Amtsgericht die Beweisanträge in der Hauptverhandlung gemäß § 77 Abs. 3 OWiG mit der Begründung ablehnen, die Beweiserhebung sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich. Es war dann aber gehalten, die Ablehnung im Rahmen der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen so zu begründen, dass sie für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar ist (Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 77 Rdnr. 26 m.w.N.). Dabei ist im einzelnen darzulegen, worauf die sichere Überzeugung gestützt ist und aus welchen Gründen die dagegen vorgebrachten Beweismittel keinen weiteren Aufklärungswert haben (Göhler, a.a.O., § 77 Rdnr. 26 m.w.N.). Insbesondere kann hier auch nicht dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden, dass der Sachverhalt aufgrund der genutzten Beweismittel so eindeutig geklärt war, dass die zusätzlich beantragte Beweiserhebung an der Überzeugung des Gerichts nichts geändert hätte und für die Aufklärung entbehrlich gewesen war (vgl. OLG Zweibrücken, MDR 1991, 1192; Göhler, a.a.O., § 77 Rdnr. 26). Das Amtsgericht hatte lediglich den Fahrer des Polizeifahrzeugs vernommen, als weitere unmittelbare Tatzeugen standen aber dessen Beifahrer sowie der Fahrgast des Taxis des Betroffenen zur Verfügung. Anders als die Geschwindigkeitsmessung mit Hilfe eines standardisierten Messverfahrens, etwa durch Radar- oder Lasermessung, beinhaltet die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren auch derartig viele Fehlerquellen, insbesondere dann, wenn sie wie vorliegend zur Nachtzeit durchgeführt wird, dass zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Messvorganges zumindest die Vernehmung des zweiten, die Messung durchfahrenden Beamten und ggf. weiterer zur Verfügung stehender unmittelbarer Tatzeugen geboten ist, dies vor allem auch deshalb, weil die beiden Polizeibeamten die Messung in der Regel arbeitsteilig in der Weise durchfuhren, dass der Fahrer den Tachometer des Polizeifahrzeugs und der Beifahrer den gleichbleibenden Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug, dessen Geschwindigkeit gemessen wird, überprüft. Da sich sowohl beim Ablesen des Tachometers als auch bei der Abschätzung des Verfolgungsabstandes Fehler oder Messungenauigkeiten ergeben können, bedarf beides sorgfältiger Aufklärung (zu den möglichen Fehlerquellen bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren vgl. OLG Hamm, NZV 1989, 37; Löhle/Beck, Fehlerquellen bei Geschwindigkeitsmessungen, DAR 1994, 465, 484; Berr, NWB 1995, 3881, 3884).

Aus denselben Gründen durfte das Amtsgericht den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht von vornherein und ohne nähere Begründung ablehnen, ohne zumindest den zweiten Messbeamten aus dem Polizeifahrzeug vernommen zu haben. Die Ablehnung dieses Beweisantrages war darüber hinaus auch deshalb fehlerhaft, weil es sich hier weder um eine geringfügige Ordnungswidrigkeit handelte noch erkennbar oder in dem Ablehnungsbeschluss dargelegt ist, dass der entsprechende Beweisantrag ohne verständigen Grund erst in der Hauptverhandlung vorgebracht worden war. Insbesondere liegt eine geringfügige Ordnungswidrigkeit nur dann vor, wenn keine höhere Geldbuße als 75,- DM verhängt worden ist (Göhler, a.a.O., § 77 Rdnr. 20 m.w.N.).

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass es bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren zur Nachtzeit grundsätzlich näherer Feststellungen dazu bedarf, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren und ob bzw. wie die Polizeibeamten trotz der bei Dunkelheit eingeschränkten Sicht die Entfernung schätzen konnten (ständige Rechtsprechung der Senate für Bußgeldsachen des OLG Hamm, vgl. 2. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 25.09.1995 - 2 Ss OWi 868/95 OLG Hamm -; vgl. auch Löhle/Beck, a.a.O., S. 484; Berr, a.a.O., 3885; OLG Hamm, VM 1993, 67; OLG Hamm, 3. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 20.02.1996 - 3 Ss OWi 49/96 OLG Hamm -).

Darüber hinaus fehlen in den Urteilsgründen Angaben darüber, ob die Polizeibeamten den Verdacht des Verkehrsverstoßes aus dem fließenden Verkehr heraus wahrgenommen haben oder mit ihrem Fahrzeug erst anfuhren, als sie den Betroffenen bemerkten. Feststellungen hierzu wären aber insbesondere im Hinblick auf die Bewertung des von der Verteidigung gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich.


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