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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 48/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur Beschwerdebefugnis des Angeklagten bei Einstellung des Verfahrens gegen ihm gemäß § 206 a StPO.
2. Zahlt der Angeklagte sowohl die durch Strafbefehl festgesetzte Geldstrafe als auch die Verfahrenskosten, stellt das keine Rücknahme eines zuvor eingelegten Einspruchs gegen den Strafbefehl dar.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Einstellungsurteil, Form der Rechtsmittelrücknahmeerklärung, Einspruchsrücknahme, Zahlung trotz Einspruchs gegen Strafbefehl

Normen: StPO 302, StPO 206

Beschluss: Strafsache gegen S.S.,
wegen Körperverletzung pp.,
(hier: sofortige Beschwerde gegen Verfahrenseinstellung gemäß § 206 a StPO).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 4. Dezember 1997 gegen den Beschluss der 11. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 2. Dezember 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24.02.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
Das Amtsgericht Bielefeld erließ am 25. November 1996 einen Strafbefehl gegen den Angeklagten, durch den dieser wegen eines am 8. August 1996 begangenen Hausfriedensbruchs und einer vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 14,00 DM (1.400,00 DM) verurteilt wurde. Gegen diesen Strafbefehl hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger mit Schreiben vom 22. Januar 1997 rechtzeitig Einspruch eingelegt. Am 4. März 1997 zahlte der Angeklagte die gegen ihn festgesetzte Geldstrafe sowie die Verfahrenskosten, ohne hierzu einen Kommentar abzugeben. Das Amtsgericht beraumte durch Verfügung vom 24. Juni 1997 Termin zur Hauptverhandlung an. Diese fand am 6. August 1997 statt. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15,00 DM (1.200,00 DM). Der Angeklagte ließ durch seinen Verteidiger am Tag der Urteilsverkündung Rechtsmittel einlegen und rügte zugleich die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft fasste das Rechtsmittel als Berufung auf und legte der Strafkammer des Landgerichts Bielefeld die Akten zur Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins vor. Auf Anfrage des Vorsitzenden der Berufungskammer, ob die Berufung durchgeführt werden solle, nachdem der Angeklagte die mit Strafbefehl festgesetzte Geldstrafe einschließlich der damaligen Verfahrenskosten bezahlt habe und auf der Grundlage des Urteils des Amtsgerichts Bielefeld vom 6. August 1997 noch 200,00 DM erstattet bekommen müsse, erklärte der Verteidiger, dass das Rechtsmittel der Berufung durchgeführt werden solle. Nach einer weiteren Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 18. November 1997, in der die Auffassung vertreten wird, dass der Strafbefehl des Amtsgerichts rechtskräftig geworden sei, weil der Angeklagte die Geldstrafe nebst Kosten vorbehaltlos gezahlt habe, so dass das amtsgerichtliche Urteil nicht mehr hätte ergehen dürfen und schließlich einer Durchführung des Berufungsverfahrens ein Verfahrenshindernis entgegenstünde, erging am 2. Dezember 1997 der nunmehr angefochtene Beschluss mit folgendem Tenor:

1. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird gemäß § 206 a StPO eingestellt.

3. Die Landeskasse trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten in zweiter Instanz.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten.

Die sofortige Beschwerde erweist sich als zulässig und begründet.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde könnten sich allerdings dann ergeben, wenn davon auszugehen sein sollte, dass die Strafkammer entsprechend dem Beschlusstenor tatsächlich das Verfahren gegen den Angeklagten gemäß § 206 a StPO eingestellt hat. Eine derartige Verfahrenseinstellung hätte sowohl den Strafbefehl des Amtsgerichts Bielefeld als auch alle nachfolgenden Entscheidungen betroffen. Der Angeklagte wäre somit durch den landgerichtlichen Beschluss lediglich begünstigt, nicht aber läge eine Beschwer vor. Die nach § 206 a Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde gegen einen Einstellungsbeschluss nach § 206 a Abs. 1 StPO käme somit für den nicht beschwerten Angeklagten nicht in Betracht; eine sofortige Beschwerde seitens der Staatsanwaltschaft ist nicht eingelegt worden.

Indessen kann nach den Gründen des angefochtenen Beschlusses der Strafkammer nicht davon ausgegangen werden, dass diese das Verfahren hat einstellen wollen trotz des entgegenstehenden Wortlauts des Beschlusstenors. Denn die Strafkammer ist gerade von der Rechtskraft des Strafbefehls ausgegangen und hat aus diesem Grunde das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben. Damit wird klar, dass sie nicht eine Verfahrenseinstellung hat vornehmen wollen.

Unter dem Gesichtspunkt, dass die Strafkammer somit lediglich das angefochtene amtsgerichtliche Urteil aufgehoben, hierfür aber die Vorschrift des § 206 a StPO (Verfahrenseinstellung) herangezogen hat, besteht an der Beschwerdebefugnis des Angeklagten kein Zweifel. Er ist durch den Beschluss der Strafkammer insoweit beschwert, als nach Aufhebung des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils nicht mehr eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15,- DM (= 1.200,- DM), sondern eine solche von 100 Tagessätzen zu je 14,- DM (1.400,- DM) als verhängt gilt.

Die somit zulässige Beschwerde des Angeklagten hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat die Strafkammer im angefochtenen Beschluss angenommen, dass der Strafbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 25. November 1996 Rechtskraft erlangt habe. Zwar hat der Angeklagte am 4. März 1997 sowohl die durch den Strafbefehl verhängte Geldstrafe als auch die Verfahrenskosten gezahlt. Dies stellt indessen entgegen der Auffassung der Strafkammer keine Rücknahme des am 22. Januar 1997 eingelegten Rechtsmittels dar (Senatsentscheidung v. 06.07.1993 - 3 Ss OWi 618/93 -). Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur sind die Formvorschriften für die Zurücknahme eines Rechtsmittels dieselben wie für die Einlegung eines Rechtsmittels (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., §§ 302 Rz. 7 m.w.N.; 410 RN 2; Karlsruher Kommentar/Ruß, StPO, 3. Aufl., § 302 Rz. 8). Die Rücknahmeerklärung muß daher schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Sie muß zudem eindeutig und zweifelsfrei sein. Auf die gebrauchten Worte kommt es hierbei nicht an. Auch wenn der Erklärende nicht ausdrücklich das Wort "Rücknahme” benutzt, kann die Erklärung diesen Inhalt haben, wenn der hierauf gerichtete Wille deutlich zum Ausdruck kommt (OLG Stuttgart, NJW 1990/1494), Diese Entscheidung lässt sich keinesfalls zur Begründung der Meinung anführen, dass eine vorbehaltlose Zahlung als Rechtsmittelrücknahme ausreiche. In dem dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorliegenden Fall hatte der Angeklagte nach Rechtsmitteleinlegung an das Amtsgericht geschrieben, er sei gewillt, die Geldbuße und die Gerichtskosten zu zahlen, könne jedoch die Geldsumme nicht auf einmal aufbringen und bitte daher um Ratenzahlung. Eine derartige der Auslegung zugängliche Willenserklärung des Angeklagten war vorliegend gerade nicht gegeben.

Das Amtsgericht Bielefeld hat daher zu Recht Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, die Hauptverhandlung durchgeführt und mit einem Urteil abgeschlossen. Mit dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 6. August 1997 ist der Strafbefehl vom 25. November 1996 überholt und gegenstandslos geworden.

Der Angeklagte hat gegen das amtsgerichtliche Urteil offenbar noch am Tage der Urteilsverkündung Rechtsmittel eingelegt, ohne es näher zu bezeichnen. Die Begründung, es werde unter Rüge formellen und materiellen Rechts Rechtsmittel eingelegt, könnte dafür sprechen, dass der Angeklagte sein Rechtsmittel als Revision verstanden wissen wollte. Dies hat er indessen zu einem späteren Zeitpunkt klargestellt und ausdrücklich von Berufung gesprochen.

Nach alledem hätte das Landgericht auf die zulässige Berufung hin eine Hauptverhandlung durchfuhren und in der Sache entscheiden müssen. Vom Vorliegen eines Verfahrenshindernisses kann keine Rede sein.

Der vom Angeklagten angegriffene Beschluss ist zu Unrecht ergangen. Er war aufzuheben. Nach Rückkehr der Akten wird die Strafkammer Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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