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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 230/00 OLG Hamm

Leitsatz: Will der Täter eine Sache wegnehmen, um sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen, handelt er nicht mit Zueignungsabsicht, weil er weder die Sache noch den in ihr verkörperten Sachwert seinem (oder dem Dritt-) Vermögen einverleiben will.

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Zueignungsabsicht, Pfand, Inpfandnahme, Druckmittel

Normen: StGB 249, StGB 242

Beschluss: Strafsache gegen H.M.,
wegen versuchten Raubes u.a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 1. Dezember 1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.04.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf. ) zurückverwiesen.

Gründe:
I. 1. Das Schöffengericht Bocholt verurteilte den Angeklagten und den früheren Mitangeklagten A. am 10. Februar 1999 wegen gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Hinsichtlich des Angeklagten erkannte es auf eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Angeklagten hat die kleine Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt im angefochtenen Urteil mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass dieser wegen versuchten gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist. Dagegen richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte und begründete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts geltend macht und seinen Freispruch, vorsorglich die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer begehrt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, wie erkannt.

2. Zum Tatgeschehen hat das Berufungsgericht u.a. festgestellt:
Anfang 1998 hatte ein Bekannter des Angeklagten namens K. einen Unfall-Mercedes erstanden und auf den Kaufpreis einen Teilbetrag von DM 1.000 gezahlt. Das Fahrzeug, an dem T.F. Reparaturen vornahm, stand auf dem Firmengelände des Zeugen S.. Nachdem K. in sein Heimatland nach Afrika abgeschoben worden war, verkaufte S. den Unfallwagen und zahlte den nach Abzug seiner Kosten verbliebenen Erlös an T.F. auf dessen Anforderung aus. In der Folgezeit bemühten sich mehrere Afrikaner vergeblich, das Geld von diesem zu erlangen. Unter anderem beschloss der erstinstanzlich rechtskräftig verurteilte frühere Mitangeklagte B.., den Betrag für K. zu sichern. Er suchte mehrfach T.F. ohne Ergebnis auf. Zweimal begleitete ihn dabei der Angeklagte, der über den Forderungsstreit informiert war. "Schließlich war B.. der Verzögerungen überdrüssig und beschloss, nunmehr Fakten zu schaffen. Am 12. September 1998 traf er sich mit dem Angeklagten M. und bat ihn mit zur Wohnung T.F. zu fahren, um das Geld einzutreiben. Dazu war der Angeklagte M., der jetzt auch die von ihm als berechtigt angesehene Forderung K. sichern wollte, bereit und gemeinsam suchte man noch am selben Tage gegen 16.55 Uhr die Wohnung T.F. in einem Asylantenheim auf der G.-Straße in Bocholt auf. .. (Sie) erreichten dadurch, dass die Wohnungstür von der arglosen Zeugin M., der Ehefrau des Zeugen T.F., geöffnet wurde.
B.. fragte die Zeugin M. nunmehr auf deutsch, ob ihr Ehemann zu Hause sei, was die Zeugin verneinte. Da sie ebenfalls über den Forderungsstreit wusste, versuchte sie, die Eingangstür schnell zu verschließen, was ihr jedoch nicht gelang, weil der Angeklagte und B.. diese gewaltsam aufdrückten. B.. erklärte zu diesem Zeitpunkt auch dem Angeklagten M., dass man sich diesmal nicht so abspeisen lassen wolle und etwas aus der Wohnung zur Sicherung der Forderung mitnehmen werde. Dem widersprach der Angeklagte nicht, denn er war damit einverstanden, da er darin eine Möglichkeit sah, dadurch an das Geld für K. zu gelangen. Demzufolge schoben sie die Zeugin M. gewaltsam zur Seite und verschafften sich Zugang zur Wohnung, in der sich noch die zwölfjährige Tochter der Zeugin, die Zeugin R.M. und der kleine Sohn der Zeugin M. befanden. In der Wohnung kam es dann, da die Zeugin M. sich sehr erregte und den Angeklagten und B.. herausdrängen wollte, zu einer tätlichen Auseinandersetzung, innerhalb derer B.. die Zeugin ins Gesicht schlug, sie würgte und mit den Füßen oder den Knien trat. Der Angeklagte M. hielt dabei die Hände der Zeugin fest, um sie an der Gegenwehr zu hindern. Im Verlauf der Auseinandersetzung wurde die goldene Halskette der Zeugin zerrissen, die B.. einsteckte um sie mitzunehmen. Versuche der Zeugin M. und ihrer Tochter R.M. per Handy die Polizei anzurufen, schlugen fehl, da man ihnen das Gerät aus der Hand schlug. B.. gab der Zeugin M. auch zu verstehen, er werde sie töten, falls ihr Ehemann nicht zahlen werde. B.. zog dann ein Kabel aus einem Videogerät, wobei der mit diesem Gerät verbundene Fernsehapparat zu Boden fiel, ohne allerdings beschädigt zu werden. Den Videorecorder übergab er dem Angeklagten M., der das Gerät nach draußen verbrachte und in den Kofferraum des vor dem Hause stehenden Fahrzeugs des B.. legte. Danach folgte B.. dem Angeklagten M. sofort nach draußen, da man mit dem Fahrzeug und dem Videorecorder als Pfand wegfahren wollte.

Dies gelang jedoch nicht, da die Zeugin M., die das Eigentum der Familie sichern wollte, in höchster Erregung laut schreiend B.. zunächst am Hemd, das dieser dann auszog und dann am Gürtel der Hose festhielt. Letztlich konnten erst die später herbeigerufenen Polizeibeamten die Zeugin M. von B.. trennen. Zwischenzeitlich war sie B.., dem es trotzdem gelungen war, in das Fahrzeug zu gelangen, in dieses mit einem Teil ihres Körpers gefolgt, wobei im Rahmen der Auseinandersetzung der Innenspiegel des Fahrzeugs abgerissen wurde. B.. verließ den PKW und wurde weiter von der Zeugin festgehalten. Inzwischen hatte der Angeklagte auf dem Fahrersitz Platz genommen und hatte das Fahrzeug angelassen, denn er wollte damit und dem erbeuteten Videorecorder wegfahren. Die Tochter der Zeugin M., die Zeugin R.M. war jedoch nunmehr mit einem Hammer erschienen und machte Anstalten, auf das Fahrzeug einzuschlagen. Der Angeklagte M. war daher nur einige wenige Meter mit dem Fahrzeug vorgefahren und hielt sofort wieder an, um eine Beschädigung des Fahrzeugs zu verhindern. Als die inzwischen herbeigerufenen Polizeibeamten erschienen, konnten sie B.. und die Zeugin M. trennen. Bei der Durchsuchung des Angeklagten B.. wurde die der Zeugin entrissene Goldkette gefunden und zurückerstattet.

Auch das Videogerät und ein Autoradio, dessen Herkunft nicht sicher festgestellt werden konnte, wurden an M. zurückgegeben.

Die Zeugin M. wurde durch die tätliche Auseinandersetzung verletzt. .." (UA 3/6)

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat das Berufungsgericht ausgeführt:

"Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich der Angeklagte des gemeinschaftlichen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 249, 223, 224 Abs. I Ziff. 4, 25 Abs. II, 22, 52 StGB schuldig gemacht. Der Angeklagte hat nach Überzeugung der Kammer ein eigenes Interesse an der Tat gehabt, da auch er eine eventuelle Forderung des Afrikaners K. stützen und durchsetzen wollte. .. Er hat sich durch sein Gesamtverhalten B. Vorhaben etwas unberechtigt, wie er es ja auch selbst bewertet, aus der Wohnung der Zeugin M. zur Sicherung der Forderungen mitzunehmen, zu eigen gemacht und mitgewirkt. Dabei ist die Zeugin M. im Verlaufe der vom Angeklagten und B.. geführten Auseinandersetzung verletzt worden, was beide zur Durchsetzung ihres Ziels bewusst in Kauf genommen haben.

Die Tat ist jedoch, soweit sie den Vorwurf des Raubes betrifft im Versuchsstadium steckengeblieben, weil der Angeklagte und B.. noch nicht endgültig die tatsächliche Gewalt über Videorecorder und Halskette der Zeugin erlangt hatten."(UA 9/10)

II. Die zulässige Revision des Angeklagten hat - jedenfalls vorläufig - Erfolg. Die Verurteilung wegen versuchten gemeinschaftlichen Raubes hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Schuldspruch hat insoweit in den bisher getroffenen Feststellungen keine tragfähige Grundlage.

1. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Kennzeichnend für einen strafbaren Versuch ist danach, dass der vollständigen Erfüllung des subjektiven Deliktstatbestandes durch den Täter ein Mangel im objektiven Tatbestand gegenübersteht (vgl. BGH NStZ 1985, 501).

Die Strafbarkeit wegen versuchten Raubes gemäß §§ 249 Abs. 1, 22 StGB setzt u.a. voraus, dass der Täter neben dem Willen zur Ausführung einer Diebstahlshandlung mit Nötigungsmitteln in seinen Vorsatz die Absicht, die weggenommene Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, aufgenommen hat. Will der Täter eine Sache wegnehmen, um sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen, handelt er nicht mit Zueignungsabsicht, weil er weder die Sache noch den in ihr verkörperten Sachwert seinem (oder dem Dritt-) Vermögen einverleiben will (vgl. BGH StV 1983, 329 f.; 1999, 315 f. m.w.N.).

In diese Richtung weisen die oben wiedergegebenen Urteilsgründe, aus denen sich insgesamt als Anliegen des Angeklagten ergibt, dass er die Forderung des K. durch Inpfandnahme von Gegenständen aus der Wohnung des T.F. hat sichern wollen, weil er darin die Möglichkeit gesehen hat, an das Geld für K. zu kommen. Diese Beschreibung spricht dafür, dass der Angeklagte bei Wegnahme der Halskette und des Videorecorders den Besitz der Gegenstände dazu hat benutzen wollen, T.F. zur Erfüllung der Forderung des K. zu veranlassen. Dass er dabei die Absicht gehabt hätte, die Pfandstücke den Eigentümern - beispielsweise durch eigenmächtige Verwertung - auf Dauer zu entziehen, ergibt sich daraus nicht ohne weiteres. Gleiches gilt unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe, denen sich nicht eindeutig entnehmen lässt, dass der Angeklagte mehr beabsichtigt hätte, als den vorübergehenden Besitz an den Sachen als Druckmittel einzusetzen.

2. Da sich der Tatrichter der aufgezeigten Rechtsproblematik anscheinend nicht bewusst gewesen ist, ist nicht auszuschließen, dass zur subjektiven Tatseite ergänzende Feststellungen getroffen werden können. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung.

Ein Freispruch des Angeklagten kommt schon deshalb nicht in Betracht. Im übrigen weist die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung Rechtsfehler zu seinem Nachteil nicht auf. Gleichwohl hat das Urteil - wegen der tateinheitlichen Begehungsweise auch insoweit aufgehoben werden müssen.

Die Sache war danach zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO), die auch über die Kosten der Revision zu befinden hat, da der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne des § 473 StPO nicht feststeht.


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