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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 52/97 OLG Hamm

Leitsatz: Das vom Tatrichter zur Begründung seiner Entscheidung, von einem Fahrverbot abzusehen in erster Linie herangezogene Argument, der Betroffene könne während der Dauer eines Fahrverbots seinen Arbeitsplatz nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, rechtfertigt das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots (allein) nicht.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Absehen vom Fahrverbot, außergewöhnliche Umstände, Vielzahl von gewöhnlichen Umständen, Erreichung des Arbeitsplatzes nur unter Schwierigkeiten

Normen: StVO 3, StVG 25

Beschluss: Bußgeldsache gegen A.D.,
wegen Zuwiderhandlung gegen § 3 StVO.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 26. September 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 20.03.1997 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Betroffenen und seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 3 Abs. 3 StVO zu einer Geldbuße von 500,00 DM verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat das Amtsgericht abgesehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, der sich die Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen hat.

Damit steht rechtskräftig fest, dass der Betroffene am 31. Mai 1996 mit seinem PKW VW, amtliches Kennzeichen HF-KE 532, in Herford die Mindener Straße stadtauswärts in Fahrtrichtung Bundesstraße 61 befuhr. Er überschritt gegen 15.41 Uhr auf der in beiden Fahrtrichtungen zweispurig ausgebauten Mindener Straße die innerorts zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 32 km/h. Eine in Höhe des Hauses Nr. 70 mit dem Geschwindigkeitsmeßgerät Traffiphot durchgeführte Geschwindigkeitsmessung ergab eine Geschwindigkeit von 85 km/h. Hiervon hat das Amtsgericht einen Toleranzwert von 3 km/h abgezogen. Es hat weiterhin festgestellt, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung zumindest fahrlässig begangen hat.

Im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Betroffene in verkehrsrechtlicher Hinsicht nicht vorbelastet ist, den ihm zur Last gelegten Verkehrsverstoß eingeräumt und darüber hinaus glaubhaft geltend gemacht hat, seine im Gebiet des Kreises Herford liegende Arbeitsstelle - der Betroffene ist von Beruf Arbeiter - sei wegen des frühen Arbeitsbeginns von Herford aus nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Das Amtsgericht hat weiterhin einerseits darauf abgestellt, dass dem Betroffenen ein grober Pflichtverstoß zur Last fällt, dass es sich aber andererseits bei der Mindener Straße in Herford um eine gut ausgebaute Ausfallstraße handelt und der Betroffene als Einzelfahrzeug für den abfließenden Verkehr keine besondere Gefährdung dargestellt habe. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass das umfassende Geständnis des Betroffenen in der Hauptverhandlung von Einsicht und dem Willen zukünftigen verkehrsgerechten Verhaltens getragen gewesen sei. Bei der offensichtlich vorhandenen Sanktionsempfindlichkeit des Betroffenen sei es deshalb vertretbar, vom Regelfahrverbot abzusehen und statt dessen die in der Bußgeldkatalogverordnung für Verstöße der vorliegenden Art vorgesehene Regelbuße drastisch zu erhöhen.

Die Rechtsbeschwerde rügt mit näheren Darlegungen die Nichtverhängung eines Fahrverbotes.

Sie hat zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes nicht. Nach § 2 Abs. 4 BKatV kann in Ausnahmefällen unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden. Es reichen nach obergerichtlicher Rechtsprechung außer erheblichen Härten auch eine Vielzahl von für sich genommen gewöhnlichen und durchschnittlichen Umständen aus, um eine Ausnahme zu begründen (BGH NZV 1992/117, 119; ständige Rechtsprechung des Senats, u.a. Beschluss vom 7. März 1996, JMBl 1996/246; Beschluss vom 30.09.1996 - 3 Ss OWi 972/96 -; Beschluss vom 10.12.1996 - 3 Ss OWi 1405/96; Beschluss vom 6. Februar 1997 - 3 Ss OWi 13/97). Derartige Umstände, die ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße rechtfertigen können, lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäss von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter, worauf die Verteidigung zutreffend hingewiesen hat (BGH NZV 1992/286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewiesen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. hierzu die genannten Senatsentscheidungen).

Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass das vom Amtsgericht in erster Linie herangezogene Argument, der Betroffene könne während der Dauer eines Fahrverbots seinen Arbeitsplatz nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nicht rechtfertigen kann. Insoweit entstehende Unbequemlichkeiten und Schwierigkeiten sind nahezu mit jeder Verhängung eines Fahrverbots verbunden. Abgesehen davon, dass das Amtsgericht von der insoweit pauschalen Einlassung des Betroffenen ausgegangen ist, statt Feststellungen dazu zu treffen, welche konkreten Verkehrsmittel dem Betroffenen zur Erreichung seines örtlich nicht näher bezeichneten Arbeitsplatzes zur Verfügung stehen, lässt das Urteil auch Darlegungen dazu vermissen, welche Möglichkeiten der Betroffene zur Verfügung hat, die Dauer eines einmonatigen Fahrverbots etwa durch Jahresurlaub, durch Benutzung von Fahrgemeinschaften, durch Einschaltung von Familienmitgliedern als Fahrer zu überbrücken. Der schlichte Hinweis, das Erreichen seines Arbeitsplatzes sei mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden, reicht jedenfalls keinesfalls aus. Auch die übrigen vom Amtsgericht angeführten Erwägungen sind nicht geeignet, eine Ausnahme von der Verhängung des Regelfahrverbots zu rechtfertigen, zumal auch nicht dargetan ist, aufgrund welcher Umstände das Amtsgericht zu der Überzeugung gelangt ist, der Betroffene sei im besonderen Maße sanktionsempfindlich.

Nach alledem konnte das Urteil im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Es war vielmehr mit den diesem zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben. Die Sache war an das Amtsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, zurückzuverweisen.


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