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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 156/95 OLG Hamm

Leitsatz: § 125 a StGB eng auszulegen mit der Folge, dass sich sämtliche Regelbeispiele auf Handlungsmodalitäten und -folgen des Täters selbst beschränken. Das Regelbeispiel des § 125 a Nr. 4 StGB ist daher grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn der Täter den bedeutenden Schaden an fremden Sachen eigenhändig anrichtet.

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: schwerer Landfriedensbruch, Eigenhändige Verwirklichung des Regelbeispiel
Normen: StGB 125, StGB 125a

Beschluss: Strafsache gegen M.Ö. wegen Landfriedensbruchs.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der IV. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 7. September 1994 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.03.1995 durch die Richter am Oberlandesgericht und und den Richter am Amtsgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gem. § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch mit den diesem zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im übrigen wird die Revision verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Münster hat den Angeklagten am 29. März 1994 des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs für schuldig befunden und ihn zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Das Landgericht Münster hat die Berufung des Angeklagten durch Urteil vom 7. September 1994 verworfen und u.a. folgende Feststellungen getroffen:
"Am Vormittag des 24.03.1992 wurde das türkische Generalkonsulat in Münster, Lotharinger Straße 25 - 27, durch türkische Demonstranten kurdischer Volkszugehörigkeit erheblich beschädigt. Die Demonstranten (mindestens 164 Personen) waren einzeln und in kleinen Gruppen aus verschiedenen Gegenden der Bundesrepublik Deutschland angereist. Anlass für die polizeilich nicht angemeldete Demonstration war u.a. ein Beitrag im deutschen Fernsehen, in welchem über ein Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Kurden berichtet wurde. Bei Auseinandersetzungen in Ostanatolien waren kurz vor dem 24.03.1992 zahlreiche Kurden getötet worden. ...

Der Ablauf des Vorgangs am 24.03.1992 vollzog sich wie folgt:
Gegen 10.30 Uhr erschienen zunächst etwa 100 bis 150 Personen, die sich auf der gesamten Breite unmittelbar vor dem Konsulat postierten. Anschließend warf eine Vielzahl der Demonstranten über einen Zeitraum von etwa 10 bis 20 Minuten Steine gegen das Gebäude. Dadurch wurden in der ersten und zweiten Etage des Konsulats zahlreiche Fensterscheiben sowie weitere Scheiben im Erdgeschoß zerstört. Außerdem drang ein Teil der Demonstranten in das Gebäudeinnere ein und verübte dabei ebenfalls Sachbeschädigungen. Insgesamt entstand ein Sachschaden von etwa 45.000 DM. Gegen 11.00 Uhr ließ der Steinhagel nach.
Der Angeklagte hielt sich während der gewaltsamen Ausschreitungen inmitten der Steinwerfer auf. Auch bewegte er sich innerhalb dieser Gruppe und mit der Gruppe, als diese in das Glasgebäude eindrangen. Dabei hatte er mit seinem linken Arm, der herunterhing, eine Faust gebildet. dass der Angeklagte selbst Steine geworfen oder Gegenstände zerstört hätte, ist nicht festgestellt worden.

Das Landgericht hat diesen Sachverhalt als Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall gem. §§ 125 Abs. 1 Nr. 1, 125 a Nr. 4 StGB gewertet und dazu folgendes ausgeführt:

"Der Angeklagte hat sich an Gewalttätigkeiten gegen Sachen, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen wurden, als Teilnehmer beteiligt. ...
Aus dieser Menschenmenge heraus sind mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Sachen begangen worden, indem eine Vielzahl der "Demonstranten" erheblichen Sachschaden an dem Konsulatsgebäude angerichtet hat. Dies geschah auch in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise, da für unbestimmte Sachen die Gefahr eines Schadens bestand.

Der Angeklagte hat sich an den vorgenannten Handlungen als Teilnehmer in Form der sog. "psychischen Beihilfe" beteiligt, indem er sich bewusst und gewollt inmitten der gewalttätigen Gruppe der Steinewerfer, zumindest aber in deren unmittelbarer Nähe, aufhielt und ohne Not dort während der schweren gewaltsamen Ausschreitungen verblieb. Angesichts der getroffenen Feststellungen lag hier nicht nur ein bloßes inaktives Dabeisein oder bloßes Mitmarschieren des Angeklagten vor. Vielmehr hat er durch seinen solidarischen Aufenthalt inmitten der gewalttätigen Gruppe bzw. in deren unmittelbarer Nähe diese in ihrem Vorgehen bestärkt.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die mit näherer Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt nur zu einem Teilerfolg.

Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Landfriedensbruchs gem. § 125 StGB. Insoweit hat die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Rechtsmittel war daher insoweit gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Demgegenüber kann der Rechtsfolgenausspruch jedoch keinen Bestand haben. Insoweit führt die allgemein erhobene Sachrüge zur Aufhebung.

Die Strafkammer hat zu den Voraussetzungen des § 125 a StGB ausgeführt:
"Die Verurteilung des Angeklagten wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs gem. § 125 a StGB beruht darauf, dass durch die gewalttätige Menge bedeutender Schaden an dem Konsulatsgebäude angerichtet wurde; insgesamt entstand ein Sachschaden in Höhe von 45.000,- DM. Zwar hat der Angeklagte nicht selbst die Sachbeschädigungen verübt, sich jedoch durch sein Verhalten an den Handlungen der Gewalttäter beteiligt, so dass auch bei ihm das Regelbeispiel gegeben ist."

Diese Ausführungen rechtfertigen die Annahme eines besonders schweren Falles nicht:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat bereits in einer einen Parallelfall betreffenden Entscheidung vom 1. Dezember 1994 angeschlossen hat (4 Ss 1047/94), ist § 125 a StGB eng auszulegen mit der Folge, dass sich sämtliche Regelbeispiele auf Handlungsmodalitäten und -folgen des Täters selbst beschränken (vgl. BGHSt 27, 56). Das Regelbeispiel des § 125 a Nr. 4 StGB ist daher grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn der Täter den bedeutenden Schaden an fremden Sachen eigenhändig anrichtet.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat der Angeklagte selbst jedoch keinen Stein geworfen oder auf sonstige Art und Weise Sachschäden angerichtet, so dass die vom Landgericht vorgenommene Wertung des Geschehens als Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall, bezogen auf den Angeklagten, sowie die Bemessung der Strafe nach dem in § 125 a StGB vorgesehenen Strafrahmen rechtsfehlerhaft ist.
Zwar könnte, auch bei nicht eigenhändiger Verwirklichung eines Regelbeispiels, ein solches auch dann angenommen werden, wenn sich für den Angeklagten aufgrund seiner Kenntnis von der Verwirklichung eines Regelbeispiels durch einen anderen Täter, seinem Zusammenwirken mit diesem und den sonstigen Umständen das Tatbild eines besonders schweren Falles ergibt (vgl. BGH a.a.O.; Dreher, StGB, 47. Aufl., §125 a Rn 8). Entsprechende Feststellungen trifft das angefochtene Urteil indes nicht. Die eher untergeordnete Rolle, die der Angeklagte im Verlaufe der gewaltsamen Demonstration gespielt hat, spricht vielmehr gegen die Annahme eines besonders schweren Falles.
Nach allem war das angefochtene Urteil im Strafausspruch mit den diesem zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückzuverweisen.


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