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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 1387/94 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Anforderungen an das tatrichterliche Urteil, in dem ein Kraftfahrzeug nach § 21 Abs. 3 StVG eingezogen wird.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: konkludente Beschränkung der Berufung, Einziehung eines Kraftfahrzeugs, formelle Voraussetzungen, Nebenstrafe, Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe

Normen: StVG 21, StGB 74

Beschluss: Strafsache gegen P.M. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichters - Kamen vom 17. August 1994 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01.12.1994 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kamen - Strafrichter zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht - Strafrichter - Kamen hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,- DM verurteilt; die Verwaltungsbehörde ist angewiesen worden, dem Angeklagten vor Ablauf von 6 Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen; der PKW Audi, amtliches Kennzeichen UN-HA 448, und die dazugehörigen Fahrzeugschlüssel sind eingezogen worden.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen befuhr der Angeklagte am 21. April 1993 gegen 0.25 Uhr nach dem Genuß von Bier und Tequila (Blutalkoholkonzentration mindestens 1,13 Promille) mit dem PKW Audi, amtliches Kennzeichen UN-HA 448, dessen Halter er war, die Westicker Straße in Kamen. Der Angeklagte war nicht im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis. Zwar besaß der Angeklagte eine Fahrerlaubnis seines Heimatlandes Albanien. Ihm war jedoch bewusst, dass er zum Zeitpunkt der Tat nicht berechtigt war, aufgrund dieser Fahrerlaubnis in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen. Deshalb hatte er auch bereits beim Straßenverkehrsamt eine deutsche Fahrerlaubnis beantragt und zu deren Erwerb Fahrstunden absolviert. Im Zeitpunkt der amtsrichterlichen Hauptverhandlung hielt sich der Angeklagte seit 4 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auf. Der arbeitslose Angeklagte ist verheiratet und hat vier Kinder. Die Familie erhält eine staatliche Unterstützung in Höhe von 1.800,- DM monatlich. Nach den Feststellungen des Tatrichters wurde der Angeklagte durch Strafbefehl. des Amtsgerichts Lörrach vom 20. Oktober 1992 "wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis" zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20,- DM verurteilt.

Der Strafrichter hat die Einziehung des PKW Audi wie folgt begründet:
"Die Einziehung des Fahrzeugs des Angeklagten erfolgte gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 3 StVG, da der Angeklagte in weniger als zwei Jahren nunmehr bereits zum zweiten Mal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde."
Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil zunächst frist- und formgerecht "Rechtsmittel" eingelegt, das er später wirksam als (Sprung-)Revision (§ 335 StPO) bezeichnet hat. Er rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten dem Senat ohne Antrag vorgelegt.

Nach der Revisionsbegründung ist das Rechtsmittel zwar nicht ausdrücklich, aber gleichwohl eindeutig auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam beschränkt worden. Denn die Revisionsbegründung verhält sich ausschließlich über den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils, insbesondere über die Einziehung des PKW.

Das Rechtsmittel hat (jedenfalls vorläufig) Erfolg. Die Sachrüge fährt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht.

Die Einziehung des vom Angeklagten bei der Tat vom 21. April 1993 benutzten Fahrzeugs hält einer rechtlichen Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand:
a) Der Strafrichter hat die Einziehung des Fahrzeugs auf die Vorschrift des § 21 Abs. 3 Nr. 3 StVG gestützt. Hiernach ist die Einziehung des Kraftfahrzeugs, auf das sich die Tat bezieht, nicht zwingend; vielmehr "kann" die Einziehung unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden. Der Begründung der Einziehungsentscheidung des angefochtenen Urteils, die lediglich aus weniger als drei Zeilen besteht, lässt sich nicht entnehmen, dass dem Amtsgericht die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung bewusst war. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass der Strafrichter im Zusammenhang mit der Einziehungsanordnung sein Ermessen ausgeübt hat.

b ) Im angefochtenen Urteil sind die formellen Voraussetzungen einer Einziehung gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 3 StVG nicht hinreichend festgestellt worden. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift kommt die Einziehung des bei der Tat benutzten Kraftfahrzeugs nur dann in Betracht, wenn der Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Tat nach § 21 Abs. 1 StVG verurteilt worden ist, d. h. die Vortat muß sich auf eine Vorsatztat beziehen. Das angefochtene Urteil teilt jedoch nicht mit, dass der Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Lörrach vom 20. Oktober 1992 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist. Vielmehr lässt die insoweit getroffene Feststellung die Schuldform der Vortat offen. Der Senat vermag deshalb nicht nachzuprüfen, ob die formellen Voraussetzungen einer Einziehung des Kraftfahrzeugs gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 3 StVG vorliegen. Der Senat ist gehindert, hinsichtlich der Frage, ob der Angeklagte im Strafbefehl des Amtsgerichts Lörrach vom 20. Oktober 1992 wegen vorsätzlichen oder fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist, den bei den Akten befindlichen Bundeszentralregister-Auszug einzusehen, da lediglich die Gründe des angefochtenen Urteils Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung auf materielle Rechtsfehler sind. Der Tatrichter hat es offenbar versäumt, in der Hauptverhandlung die Schuldform der dem Strafbefehl des Amtsgerichts Lörrach vom 20. Oktober 1992 zugrundeliegenden Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis festzustellen. Ohne diese Feststellung durfte der Tatrichter jedoch nicht die Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 Nr. 3 StVG bejahen.

c) Das Amtsgericht hat rechtsfehlerhaft nicht festgestellt, dass der Angeklagte im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils Eigentümer des bei der Tat benutzten Kraftfahrzeugs war. Die Vorschrift des § 21 Abs. 3 StVG geht der allgemeinen Vorschrift des § 74 Abs. 1 StGB vor, ist jedoch nur anwendbar, wenn zusätzlich die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 StGB erfüllt sind (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 32. Aufl. 1993, § 21 StVG, Rdnr. 24 m.w.N.). Gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist eine Einziehung nur zulässig, wenn der Gegenstand zur Zeit der Entscheidung dem Täter gehört oder zusteht. Hierzu enthalten die Gründe des angefochtenen Urteils lediglich die Feststellung, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Entscheidung Halter des Fahrzeugs war. Die Haltereigenschaft begründet jedoch lediglich ein Indiz dafür, dass der Angeklagte auch Eigentümer des betreffenden Kraftfahrzeugs war. Es ist aber beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass der PKW Audi zur Finanzierung des Kaufpreises einem Kreditinstitut sicherungsübereignet war. Ob die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorliegen, lässt sich den getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts ebenfalls nicht entnehmen.

d) Der Tatrichter hat ferner nicht geprüft, ob die Einziehung des Kraftfahrzeugs verhältnismäßig im Sinne des § 74 b StGB war. Hierzu wäre es u. a. erforderlich gewesen, Feststellungen zum Wert des Kraftfahrzeugs zu treffen. Auch das ist unterblieben. Schließlich hat der Tatrichter sich nicht damit auseinandergesetzt, ob der Zweck der Einziehung nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen (vgl. § 74 b Abs. 2 StGB) erreicht werden konnte.

Die nach allem fehlerhafte Einziehung des PKW Audi erfaßt auch die Strafzumessung des angefochtenen Urteils. Denn bei der Einziehung eines Kraftfahrzeugs nach §§ 21 Abs. 3 StVG, 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB handelt es sich um eine Nebenstrafe (OLG München NJW 82, 2330 f-; Jagusch/Hentschel, a. a. O.) bzw. um ein Rechtsinstitut mit strafähnlichem Charakter (Dreher/Tröndle, StGB, 46. Aufl. 1993, § 74, Rdnr. 2, 74 b, Rdnr. 2). Die Gesamtheit von Hauptstrafe und Nebenstrafe darf die schuldangemessene Bestrafung nicht übersteigen. Die Einziehung eines Kraftfahrzeugs kann deshalb nicht isoliert von der Hauptstrafe betrachtet werden.
Zwischen Haupt- und Nebenstrafe besteht eine Wechselwirkung.
Wegen der nicht ausschließbaren Auswirkung der aufgezeigten Mängel auf die im angefochtenen Urteil angeordnete (isolierte) Fahrerlaubnissperre (§ 69 a StGB) war die Aufhebung auch auf diese zu erstrecken, obwohl gegen sie - für sich gesehen - nichts zu erinnern ist.

Danach war das angefochtene Urteil im gesamten Rechtsfolgenausspruch gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache insoweit an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).
Die Vorinstanz hat auch über die Kosten der Revision zu befinden, weil der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne des § 473 StPO bisher noch nicht feststeht.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 17. August 1994 hat sich der Angeklagte u.a. dahin eingelassen, der bei der Tat vom 21. April 1993 benutzte PKW Audi gehöre seinem Bruder (Bl. 169 R GA). Diese Einlassung ist im Hinblick auf die Vorschrift des § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB erheblich.
Entgegen der Revisionsbegründung lässt sich dem bei den Akten befindlichen Bundeszentralregister-Auszug entnehmen, dass sich die Verurteilung des Amtsgerichts Lörrach vom 20. Oktober 1992 auf ein vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (oder trotz Fahrverbots) bezieht. Denn im Registerauszug ist die Vorschrift des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG eingetragen. Trotzdem durfte es empfehlenswert sein, die dieser Vorverurteilung zugrundeliegenden Gerichtsakten beizuziehen, um im Hinblick auf den zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der in Betracht kommenden Einziehung des Kraftfahrzeugs (§ 74 b StGB) die Umstände der Vortat feststellen zu können.
Hinsichtlich der von der Revision angegriffenen Feststellung des angefochtenen Urteils, der Angeklagte sei zum Tatzeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von "über 140 km/h“ gefahren, verweist der Senat auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19. August 1993 (NStZ 93, 592 ff.). Danach muß sich die Feststellung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit entweder auf ein uneingeschränktes, glaubhaftes Geständnis des Täters oder auf die Mitteilung des Meßverfahrens und der nach Abzug der Meßtoleranz ermittelten Geschwindigkeit stützen.


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