Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 599/94 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Aufklärungspflicht des Gerichts, wenn sich nach der Akte die Vernehmung eines Zeugen aufdrängt

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Erfolgreiche Aufklärungsrüge wegen Nichtvernehmung eines Zeugen, fehlender Beweisantrag
Normen: StPO 244

Beschluss: Strafsache gegen K.F. wegen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Paderborn vom 13. Dezember 1993 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.05.1994 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Paderborn hat am 26. Januar 1993 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl erlassen, weil er fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeuges angeordnet oder zugelassen habe, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl dieser die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte (Vergehen nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 StVG), und gegen ihn eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 50,00 DM festgesetzt. In der auf den Einspruch des Angeklagten gem. § 411 Abs. 1 Satz 2 StPO anberaumten Hauptverhandlung hat es ihn von diesem Vorwurf freigesprochen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat die Strafkammer das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen vorsätzlichen Duldens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 20,00 DM verurteilt. Dabei ist die Strafkammer von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Am 5. März 1992 hielt sich der Angeklagte bei dem ihm gut bekannten Zeugen S. in dessen Wohnung in Wewer auf. Anwesend war noch eine weitere männliche Person, mit der der Zeuge S. in Wohngemeinschaft zusammenlebte. Nachdem der Zeuge S. in Gegenwart des Angeklagten im Laufe des Nachmittags und des frühen Abends erhebliche Mengen Alkohol getrunken hatte, fragte er den Angeklagten, ob er ihn mit seinem, des Angeklagten, Pkw nach Paderborn fahren könne. Der Angeklagte erwiderte, der Zeuge S. solle doch selbst fahren und übergab ihm seinen Pkw-Schlüssel, obwohl er wußte, dass der Zeuge S. keine Fahrerlaubnis besaß (insoweit ist die Strafkammer - anders als das Amtsgericht - der dahingehenden Aussage des Zeugen S. gefolgt). Der Zeuge fuhr mit dem Pkw des Angeklagten nach Paderborn, wo er von der Polizei gestellt wurde. Die Einlassung des Angeklagten, er habe dem Zeugen S. die Fahrzeugschlüssel nicht ausgehändigt, dieser müsse sie sich unbemerkt aus der Tasche seiner Jacke genommen haben, hat die Strafkammer als widerlegt angesehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit näherer Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Mit der Verfahrensrüge beanstandet die Revision, die Strafkammer habe es fehlerhaft unterlassen, zur Aufklärung des Sachverhalts einen weiteren Zeugen, nämlich den Wohnungsgenossen A.M. des Zeugen S. zu vernehmen, obwohl sich dies nach Lage der Dinge aufgedrängt habe.

Die zulässig erhobene Aufklärungsrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Angesichts der sich widersprechenden Sachdarstellungen des Angeklagten und des Zeugen S. und insbesondere mit Rücksicht auf die auch von der Strafkammer kritisch gewürdigte Persönlichkeit dieses Zeugen wie auch sein denkbares Interesse, sich nicht dem möglichen Vorwurf des unbefugten Gebrauch eines Kraftfahrzeuges nach § 248 b StGB auszusetzen, war die Strafkammer gehalten, jede vorhandene Möglichkeit zur Ermittlung des wahren Sachverhalts auszunutzen. In diesem Zusammenhang drängte sich die Vernehmung des weiteren Zeugen A.M., von dessen Anwesenheit bei dem Treffen des Angeklagten mit dem Zeugen S. die Strafkammer selbst ausgeht, förmlich auf. Dass der Zeuge Müller zu der entscheidenden Frage, ob der Angeklagte dem Zeugen S. seine Kraftfahrzeugschlüssel ausgehändigt oder ob der Zeuge sich diese eigenmächtig verschafft hatte, Einzelheiten bekunden könnte, war auch nach dem Inhalt der Akten naheliegend. Denn der Angeklagte hatte bei seiner Äußerung zur Sache in der Hauptverhandlung erster Instanz ausweislich des Protokolls u.a. erklärt: "Ich war zu Besuch bei einem anderen Kollegen. Bernd war auch da. Meine Jacke mit Schlüssel befand sich in der Küche. Wir saßen im Wohnraum. Bernd ging dann. Ich dachte mir nichts dabei. ... Der andere Kollege heißt A.M.. Er wohnt mit S. in einer Wohnung."
dass der Angeklagte bzw. sein Verteidiger nicht einen förmlichen Antrag auf Vernehmung des Zeugen Müller gestellt haben, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn die Aufklärungspflicht des Gerichts ist von den Anträgen und Wünschen der Verfahrensbeteiligten unabhängig. Sie reicht so weit, wie die dem Gericht oder wenigstens dem Vorsitzenden aus den Akten oder aus sonst durch den Verfahrenslauf bekanntgewordenen Tatsachen zum Gebrauch von Beweismitteln drängen oder ihn nahelegen. Das Gericht muß alle Beweismittel erschöpfen, wenn auch nur die entfernte Möglichkeit einer Änderung der bisher begründeten Vorstellung von dem zu beurteilenden Sachverhalt besteht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 41. Aufl., § 244 Rn. 11 f m.w.N.). Dem ist im vorliegenden Fall nicht entsprochen worden.

Die unterlassene Aufklärung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da es auf diesem Rechtsfehler beruhen kann. Die Sache war daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückzuverweisen.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".