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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 BL 509/94 OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: BL6

Stichworte: § 112 Abs. 3 StPO, § 72 JGG, Gutachten, Heranwachsender, Jugendlicher, Mord

Normen: StPO 121, StPO 122, StPO 112, JGG 72


Beschluss: Strafsache gegen A.H., wegen Mordes u.a., (hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Vorlage der (Zweit-)Akten zur Entscheidung nach den §§ 121, 122 StPO hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03.01.1995 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und des Verteidigers beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
Dem geständigen Angeklagten, der sich seit dem 10. Juni 1994 in Untersuchungshaft befindet, wird mit Haftbefehl des Amtsgerichts Lüdenscheid vom selben Tage (6 Gs 243/94) zur Last gelegt, als Jugendlicher mit Verantwortungsreife am Morgen des 9. Juni 1994 in Altena die Taxifahrerin W.T. in ihrem Fahrzeug bis zur Bewußtlosigkeit gewürgt zu haben, um deren Geldbörse mit über 100 DM an sich zu bringen. Sodann soll er die Taxifahrerin aus dem Pkw gezogen und mit dieser gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr ausgeübt haben. Schließlich soll er, um die vorangegangenen Straftaten zu verdecken, der Geschädigten in Tötungsabsicht mit einem Stein drei Schläge gegen den Kopf versetzt haben, die unmittelbar zum Tode der Taxifahrerin führten.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hat die Staatsanwaltschaft Hagen zur Frage der Verantwortungsreife und Schuldfähigkeit ein Sachverständigengutachten eingeholt. Dieses hat ergeben, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten nur im Hinblick auf das eigentliche Tötungsdelikt in der Form einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt sein könnte.

Mit der vor dem Landgericht Hagen - Jugendkammer - erhobenen Anklage vom 30. Oktober 1994, auf die wegen des dort zutreffend zusammengefaßten Ergebnisses der Ermittlungen Bezug genommen wird, verfolgt die Staatsanwaltschaft - neben anderen Anklagepunkten - den Vorwurf des Haftbefehls weiter. Durch Beschluss vom 7. Dezember 1994 hat die Jugendkammer die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren vor sich eröffnet. Die Hauptverhandlung findet ab dem 3. Februar 1995 statt.
Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen, ist zu entsprechen.

Die allgemeinen Voraussetzungen der weiteren Untersuchungshaft (§ 120 Abs. 1 StPO) liegen vor.

Der Angeklagte ist der ihm im Haftbefehl zur Last gelegten Handlungen aufgrund seines glaubhaften Geständnisses sowie der in der Anklageschrift aufgeführten Beweismittel dringend verdächtig.

Bei ihm besteht auch der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO. Zwar stammt der Angeklagte aus geordneten familiären Verhältnissen und verfügte zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung über einen festen Arbeitsplatz. Angesichts der wegen der von ihm eingeräumten Taten zu erwartenden mehrjährigen Jugendstrafe ist es aber nicht ausgeschlossen, dass er sich im Falle seiner Freilassung absetzt, um sich dem Verfahren zu entziehen. Die alsbaldige Ahndung der Taten wäre somit ohne die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft gefährdet, weshalb auch eine Haftverschonung in entsprechender Anwendung des § 116 Abs. 1 StPO nicht in Betracht kommt.

Ob der Zweck der Untersuchungshaft durch andere Maßnahmen i.S.d. § 72 Abs. 1 JGG erreicht werden könnte, ist, nachdem der Angeklagte inzwischen 18 Jahre alt geworden ist, nicht mehr zu prüfen. Denn die vorgenannte Bestimmung ist, wie sich aus ihrem Fehlen in der Aufzählung in § 109 JGG ergibt, auf Heranwachsende nicht anwendbar (vgl. Eisenberg, JGG, 5. Aufl. (1993), § 72 Rdn. 2; a.A. wohl Brunner, JGG, 9. Aufl. (1991), § 72 Rdn. 3).

Die weitere Untersuchungshaft steht auch zur Bedeutung des Tatvorwurfs und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Strafe nicht außer Verhältnis.

Schließlich haben wichtige Gründe i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO ein Urteil bislang nicht zugelassen. Die Ermittlung der Kriminalpolizei sind zügig durchgeführt worden, so dass trotz der erforderlichen Einholung eines Sachverständigengutachtens bereits knapp fünf Monate nach den dem Angeklagten vorgeworfenen Taten Anklage erhoben werden konnte. Auch ist der Umstand, dass die Hauptverhandlung etwa zwei Monate nach dem Eröffnungsbeschluß stattfinden wird, in einem Verfahren vor der Jugendkammer nicht zu beanstanden. Wie der aufgezeigte Verfahrensgang verdeutlicht, ist das Verfahren demnach mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
Mit der Übertragung der zwischenzeitlichen Haftprüfung hat der Senat von dem ihm in § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.


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