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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 BL 29/94 OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: BL6

Stichworte: Abgabe an andere StA, BtM, Verzögerung der Anklage, Verzögerung durch Beschwerde, unwesentliche Verzögerung

Normen: StPO 121, StPO 122


Beschluss: Strafsache gegen V.A.i wegen Rauschmittelhandels,
(hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Vorlage der Akten (Doppelakte A) zur Entscheidung nach den §§ 121, 122 StPO hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.02.1994 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeschuldigten und seiner Verteidiger beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
Gegen den am 28. Juli 1993 vorläufig festgenommenen Angeschuldigten ordnete der Haftrichter des Amtsgerichts Dortmund am folgenden Tag die Untersuchungshaft wegen des Vorwurfs an, der Angeschuldigte habe in der Zeit von Januar 1993 bis zu seiner Festnahme mit insgesamt 3 kg Heroin unerlaubt Behandelt. In der Anklageschrift vom 29. November 1993 wird der Vorwurf für die Tatzeit ab Februar/März 1993 aufrechterhalten und durch zahlreiche Einzelakte der vorgeworfenen Fortsetzungstat konkretisiert. Dazu wird auf den Inhalt der Anklageschrift wegen der Einzelheiten Bezug genommen. In der Anklageschrift hat sich der Anklageverfasser mit der äußerst umfangreichen Vernehmung des Angeschuldigten am 24. September 1993 durch die Jugendrichterin des Amtsgerichts Dortmund, die Richterin am Amtsgericht V., näher auseinandergesetzt und diese Richterin als Zeugin benannt (Nr. 12 der Zeugenliste). Diese Richterin hat als Vorsitzende des Jugendschöffengerichts Dortmund, vor dem die Staatsanwaltschaft die Anklage erhoben hat, unverzüglich angezeigt, dass sie deswegen vom Richteramt nach ihrer Auffassung ausgeschlossen sei. Ein anderer Vorsitzender des Jugendschöffengerichts hat durch Beschluss vom 10. Dezember 1993 die Selbstablehnung der Richterin am Amtsgericht V. für begründet erklärt. Die dagegen von einem der Verteidiger des Angeschuldigten erhobene Beschwerde vom 16. Dezember 1993 hat die IV. Strafkammer des Landgerichts Dortmund durch Beschluss vom 28. Januar 1994 als unzulässig verworfen.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen, kann jedenfalls im Ergebnis entsprochen werden.

Die allgemeinen Voraussetzungen der weiteren Untersuchungshaft (§ 120 Abs. 1 StPO) liegen vor. Der letztlich modifiziert bestreitende Angeschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Fortsetzungstat aufgrund der in der Anklageschrift bezeichneten Beweismittel dringend verdächtig. Der damit übereinstimmenden Beurteilung der IV. Strafkammer des Landgerichts Dortmund im Beschluss vom 13. Oktober 1993, durch den sie die Haftbeschwerde des Angeschuldigten verworfen hat, schließt sich der Senat ebenfalls an. Entsprechendes gilt für die Frage der Fluchtgefahr, obwohl nach Mitteilung eines der Verteidiger im Schriftsatz vom 4. Februar 1994 die Ehefrau des Angeschuldigten das Scheidungsverfahren nicht mehr betreibt und in ihrer neuen Wohnung in Plettenberg den Angeschuldigten erwartet. Dies schließt nicht aus, dass der Angeschuldigte im Falle seiner Freilassung von der Möglichkeit Gebrauch machen könnte, allein oder zusammen mit seiner Ehefrau unterzutauchen und sich dem Verfahren zu entziehen. Für die Wahrscheinlichkeit, dass er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde, spricht bei der nicht unerheblichen Straferwartung die Lebenserfahrung, zumal die Hauptverhandlung nunmehr alsbald bevorsteht.

Bei dieser Sach- und Verfahrenslage kann der Haftzweck jedenfalls derzeit nicht mit milderen Mitteln i.S.d. § 116 Abs. 1 StPO erreicht werden. Die weitere Untersuchungshaft steht zur Bedeutung der Sache und zu der trotz der bisherigen Unbestraftheit des Angeschuldigten nicht unerheblichen Straferwartung noch nicht außer Verhältnis.

Schließlich können auch die besonderen Voraussetzungen der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des § 121 Abs. 1 StPO noch bejaht werden, auch wenn im Schriftsatz der Verteidigung vom 4. Februar 1994 zutreffend darauf hingewiesen wird, dass die Abgabe der Sache durch die Verfügung des Sachbearbeiters der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 18. November 1993 zur Übernahme an die Staatsanwaltschaft Hagen, bei der sie am 22. November 1993 eingegangen ist, der Förderung eines zügigen Verfahrensabschlusses nicht dienlich war. Da jedoch die Staatsanwaltschaft Hagen den Vorgang am Tage des Eingangs bei ihr wieder an die Staatsanwaltschaft Dortmund unter Ablehnung der Übernahme zurückgeleitet hat und die Anklageschrift vom 29. November 1993 sofort danach angefertigt worden ist, kann über die kaum ins Gewicht fallende Verzögerung der Anklageerhebung um wenige Tage durch die unterschiedlichen Auffassungen der Staatsanwaltschaften zur Frage der örtlichen Zuständigkeit hinweggesehen werden. Im übrigen können der Eingang der Niederschrift über die Vernehmung des Angeschuldigten durch die Richterin am Amtsgericht V. (Eingang wohl am 29. September 1993) und der Eingang des Berichts des Jugendamts Plettenberg vom 23. September 1993 nur als Anhaltspunkte für den Abschluß der für die Anklageerhebung erforderlichen Zeit herangezogen werden. Zunächst mußten die Hauptakten auf den neuesten Stand gebracht und die Doppelakten A und B sodann entsprechend vervollständigt werden. Vor allem mußten die bisherigen Beweisergebnisse anhand der umfangreichen Einlassung des Angeschuldigten vom 24. September 1993 sorgfältig und zeitaufwendig durchgearbeitet werden, wie die 15 Seiten umfassende Anklageschrift durch die Fülle der darin angeführten Detailangaben erkennen lässt. In diese erforderliche Bearbeitungszeit fällt auch die Haftbeschwerde des Angeschuldigten vom 28. September 1993 verwerfende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Dortmund vom 13. Oktober 1993. Die zusammenfassende pauschale Würdigung der Generalstaatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren sei ohne vermeidbare Verzögerungen bearbeitet und durch Anklageerhebung abgeschlossen worden, erscheint mit der Maßgabe vertretbar, dass der Zeitaufwand zwischen den letzten Ermittlungshandlungen Ende September 1993 bis zur Anklageerhebung noch hingenommen werden kann. Den von der Verteidigung erhobenen Vorwurf, die Staatsanwaltschaft habe die Selbstablehnung der als Zeugin benannten Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts "selbst provoziert", vermag der Senat nicht als berechtigt anzuerkennen. Der Staatsanwaltschaft war es unbenommen, sich auf die als Zeugin in Betracht kommende Richterin zu berufen, die den Angeschuldigten umfassend vernommen hat. Die bis zur Entscheidung des Amtsgerichts vom 10. Dezember 1993 verstrichene Zeit muß der Angeschuldigte als im Gesetz vorgesehene und verfahrensbedingte Besonderheit hinnehmen, ebenso den Zeitaufwand, den seine Beschwerde vom 16.Dezember 1993 veranlaßt hat. Seit der Beschlußentscheidung der Strafkammer vom 28. Januar 1994 ist zwar über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht entschieden worden; es ist jedoch davon auszugehen, dass dies unverzüglich geschieht. Jedenfalls konnte bisher noch kein erstinstanzliches Urteil ergehen, und es rechtfertigen die dafür maßgeblichen verfahrensbedingten Ursachen die Fortdauer der Untersuchungshaft derzeit noch.

Mit der Übertragung der Haftprüfung für die nächsten drei Monate hat der Senat von dem ihm in § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.


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