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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1362/98 OLG Hamm

Leitsatz: Der Formulierung "Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen kam somit weder ein Abweichen von der Regelgeldbuße als auch ein Abweichen vom Regelfahrverbot in Betracht", lässt sich nicht entnehmen, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit bewusst gewesen ist, trotz Annahme eines Regelfalls nach der BußgeldkatalogVO unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots absehen zu können.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde im OWi-Verfahren

Stichworte: Absehen vom Regelfahrverbot bei Erhöhung der Geldbuße, ausreichende Begründung, Möglichkeit, Augenblicksversagen, berufliche Gründe

Normen: StVG 25, StVG 25 a, StVO 3

Fundstelle: MDR 1999, 480; VRS 96, 466

Beschluss: Bußgeldsache gegen E.S. wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 1. September 1998 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 22.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwalt gem. § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde im übrigen - im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Lüdenscheid zurückverwiesen.

G r ü n d e:

I. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen "einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gem. § 24 StVG i.V.m. §§ 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO (Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts) eine Geldbuße von 200,-- DM festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 21. Februar 1998 mit seinem Pkw außerhalb geschlossener Ortschaft die B 236. Auf dieser wurde vor einem Bahnübergang die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch die jeweiligen Zeichen 274 durch einen sog. Geschwindigkeitstrichter über 70 km/h, 50 km/h auf die letztlich noch zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h begrenzt. Durch Radarmessung wurde festgestellt, dass der Betroffene in dem Bereich, in dem nur noch 30 km/h zulässig waren, mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 77 km/h fuhr; nach Abzug einer Toleranz von 3 km/h verblieb eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung von 44 km/h.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung die Regelgeldbuße von 200 DM festgesetzt. Zur Begründung des verhängten Fahrverbots hat es u.a. ausgeführt: Der Betroffene habe sowohl objektiv als auch subjektiv eine grobe Pflichtverletzung begangen, da sich an der fraglichen Stelle ein sog. Geschwindigkeitstrichter befunden habe. Eine Ausnahme von der Verhängung des Regelfahrverbots sei auch nicht wegen ggf. vorliegender erheblicher Härten berechtigt. Der Betroffene erziele als Gynäkologe ein monatliches Nettoeinkommen von 7.000 DM bis 10.000 DM. Er könne also für einen Fahrer finanzielle Aufwendungen erbringen. Durch die Einstellung eines Fahrers sei auch in ärztlichen Notfällen ein zügiges Erreichen des Krankenhauses gewährleistet. Auch könne der Betroffene seinen Urlaub so einplanen, dass die Folgen des Fahrverbots gemildert würden.

In seiner Rechtsbeschwerde hat der Betroffene insbesondere die Verhängung des Fahrverbots angegriffen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs - zumindest vorläufigen - Erfolg.

1. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. den §§ 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG. Sie sind, da hier keine Besonderheiten vorliegen, ausreichend (vgl. OLG Hamm NStZ 1990, 546), zumal der Betroffene den Verkehrsverstoß eingeräumt hat. Damit ist die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs wirksam.

2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt jedoch Rechtsfehler erkennen, die insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die vom Amtsgericht festgesetzte Geldbuße von 200 DM. Dabei handelt es um die von der BußgeldkatalogVO für Geschwindigkeitsüberschreitungen der vorliegenden Art vorgesehene Regelgeldbuße.

b) Zutreffend ist auch die Auffassung des Amtsgerichts, dass ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Verhängung des nach der lfd. Nr. 5.3.4. der Tabelle 1 "Geschwindigkeitsüberschreitungen" der BußgeldkatalogVO vorgesehenen Regelfahrverbots rechtfertigen würde (vgl. dazu Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 33. Aufl. 1995, § 25 StVG Rn. 15 ff. mit weiteren Nachweisen; sowie insbesondere BGHSt 38, 231 = NZV 1992, 286 ), nicht vorliegt. Dazu reichen die Tatumstände und die sich aus der Person des Betroffenen ergebenden Umstände weder allein noch gemeinsam aus. Das gilt insbesondere für die beruflichen Nachteile, die sich für den Betroffenen möglicherweise aus dem gegen ihn verhängten Fahrverbot ergeben. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nicht jeder berufliche Nachteile eine Ausnahme vom Fahrverbot rechtfertigt, sondern grundsätzlich nur eine erhebliche Härte oder eine Vielzahl für sich genommen durchschnittlicher Gründe (s. u.a. Beschluss des Senats vom 27. August 1996 - 2 Ss OWi 926/96, NZV 1997, 240 = VRS 92, 369 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch die Zusammenstellung der Rechtsprechung des OLG Hamm in DAR 1996, 381, 387). Grundsätzlich sind berufliche Nachteile als gewöhnliche Folge eines Fahrverbots hinzunehmen, zumal sie in aller Regel, was auch das Amtsgericht berücksichtigt hat, in die Urlaubszeit verlegt werden können (vgl. zu allem u.a. Beschluss des Senats vom 25. September 1995 in 2 Ss OWi 1008/95, NZV 1996, 77 = VM 1996, 45 = VRS 90, 453 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Senats). Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass von Belang insoweit jetzt auch die am 1. März 1998 in Kraft getretene neue Vorschrift des § 25 a Abs. 2 a StVG ist, die vom Gesetzgeber gerade auch geschaffen worden ist, um wirtschaftliche Nachteile, die einen Betroffenen durch die Verhängung eines Fahrverbots entstehen können, abzumildern, indem nämlich der Betroffene den Zeitraum, in dem das Fahrverbot wirksam sein soll, in gewissen Grenzen frei wählen kann. Das führt dazu, dass bei der Frage, ob und inwieweit wirtschaftliche und/oder berufliche Nachteile bei der Prüfung der Angemessenheit und Vertretbarkeit eines Fahrverbots überhaupt (noch) von Belang sind, ein noch strengerer Maßstab als in der Vergangenheit anzulegen ist (Beschluss des Senats vom 3. November 1998 in 2 Ss OWi 1181/98, ZAP EN-Nr. 865/98).

Das Amtsgericht hat auch nicht übersehen, dass nach der (neuen) Rechtsprechung des BGH (vgl. Beschluss vom 11. September 1997 - 4 StR 557/96, u.a. in NJW 1997, 3252) die Verhängung eines Fahrverbots grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn dem Betroffenen eine auch subjektiv grob pflichtwidrige Verkehrsordnungswidrigkeit vorzuwerfen ist. Davon ist hier aber, da das Amtsgericht zutreffend das Vorliegen eines sog. Geschwindigkeitstrichters festgestellt hat, auszugehen (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 8. Dezember 1998, 2 Ss OWi 1385/98). Das Amtsgericht hat sich in diesem Zusammenhang auch, worauf die Generalstaatsanwalt zutreffend hinweist, ausreichend mit der Einlassung des Betroffenen auseinandergesetzt. Eine andere Beurteilung folgt nicht aus dem nun in der Rechtsbeschwerdebegründung enthaltenen Vortrag, wonach der Betroffene nicht das die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h beschränkende Zeichen 274 übersehen haben will, sondern das vorhergehende die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h beschränkende Zeichen. Die Generalstaatsanwaltschaft weist zu Recht darauf hin, dass nicht ersichtlich sei, warum der Betroffene dann seine Geschwindigkeit nicht reduziert habe. Dies lässt sich bei der dazu bis zur Messstelle noch zur Verfügung stehenden Strecke von 100 m jedenfalls nicht damit erklären, dass der Betroffene durch eine zu starke Bremsung nicht seine sich im Wagen befindende Familie habe gefährden wollen.

c) Rechtsfehlerhaft und zu beanstanden ist es jedoch, dass das Amtsgericht sich bei der Begründung der Verhängung des Fahrverbots - zumindest für das Rechtsbeschwerdegericht nicht erkennbar - nicht auch mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob nicht von der Verhängung des Fahrverbots bei gleichzeitiger Erhöhung der festgesetzten Geldbuße abgesehen werden konnte, weil bei diesem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf diese Weise erreicht werden kann. Zwar ist das Gericht bei Vorliegen eines Regelfalls nach der BußgeldkatalogVO, wenn keine durchgreifenden Anhaltspunkte für ein Abweichen erkennbar sind, der Verpflichtung enthoben, die grundsätzliche Angemessenheit der Verhängung eines Fahrverbots besonders zu begründen. Desgleichen sind auch keine näheren Feststellungen dazu erforderlich, ob - unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch durch eine Erhöhung der Geldbuße erreicht werden kann. Der Tatrichter muß sich aber dieser Möglichkeit bewusst gewesen sein und dies in den Entscheidungsgründen grundsätzlich erkennen lassen (vgl. BGH NJW 1992, 446; vgl. dazu u.a. auch Beschluss des Senats vom 20. November 1997 - 2 Ss OWi 1307/98, ZAP EN-Nr. 123/98 = MDR 1998, 404 = NStZ-RR 1998, 188 = NZV 1998, 293[ Ls.] = StVE § 25 StVG Nr. 74 = VRS 95, 52 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Senats). An dieser ständigen Rechtsprechung hält der Senat, wie er bereits mehrfach ausgeführt hat (vgl. u.a. Beschluss vom 4. November 1996 - 2 Ss OWi 1221/96. ZAP EN-Nr. 16/97 = zfs 1997, 74 = NZV 1997, 129 = VRS 93, 219), auch unter Berücksichtigung der gegenteiligen Auffassung des hiesigen 3. Senats für Bußgeldsachen (s. JMBl. NW 1996, 248) fest.

Den aus dieser Rechtsprechung folgenden Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die abschließende Feststellung des Amtsgerichts: "Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen kam somit weder eine Abweichen von der Regelgeldbuße als auch ein Abweichen vom Regelfahrverbot in Betracht." lässt - auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe - nicht eindeutig erkennen, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit bewusst gewesen ist, trotz Annahme eines Regelfalls nach der BußgeldkatalogVO unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots absehen zu können. Vielmehr deuten die vom Amtsgericht verwendeten Formulierungen darauf hin, dass es ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbots nur unter dem Gesichtspunkt, ob wegen Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte oder einer Vielzahl durchschnittlicher Umstände von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden könne, geprüft hat. Da Erörterungen zur Frage des Absehens eines Fahrverbotes durch eine erhöhte Geldbuße hier auch nicht entbehrlich waren (zur Entbehrlichkeit entsprechender Erörterungen vgl. Beschluss des Senats vom 3. Mai 1994 - 2 Ss OWi 378/94 - in NZV 1995, 83[ Ls.]), sind die Ausführungen des Amtsgerichts zum Rechtsfolgenausspruch somit unvollständig.

Damit war - wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße - der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben. Da es für die Frage des Absehens vom Fahrverbot unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße mitentscheidend auf den persönlichen Eindruck vom Betroffenen ankommt, hat der Senat von der ihm in § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit, selbst in der Sache zu entscheiden, keinen Gebrauch gemacht, sondern die Sache an das Amtsgericht, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, zu erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.


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