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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1200/95 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Absehen vom Fahrverbot beim sog. Mitzieheffekt

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde im OWi-Verfahren

Stichworte: Qualifizierter Rotlichtverstoß, Mitzieheffekt, Absehen vom Fahrverbot

Normen: StVO 37

Beschluss: Bußgeldsache gegen W.H. wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 24. Juli 1995 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 16.10.1995 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 100 DM festgesetzt wird.

Die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

G r ü n d e:

I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 37, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG zu einer Geldbuße von 300 DM verurteilt".

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 2. März 1995 mit einem Lkw die Hauptstraße in Hemer. Vor der Lichtzeichenanlage der Kreuzung Hauptstraße/Zeppelinstraße hielt er sein Fahrzeug bei Rotlicht ordnungsgemäß auf dem Geradeausstreifen an. Rechts neben ihm befand sich eine Rechtsabbiegespur, die lichtzeichentechnisch getrennt von der Geradeausspur geregelt ist. Als die Lichtzeichenanlage für den Rechtsabbiegestreifen Grünlicht zeigte, mutmaßte der ortsunkundige Betroffene, dass dieses Lichtzeichen auch für seine Fahrbahn galt und setzte seinen Lkw in Bewegung, obwohl die Lichtzeichenanlage für die Geradeausspur weiterhin und bereits mehr als eine Sekunde Rotlicht zeigte. Durch das Einfahren des Lkws in den Kreuzungsbereich kam es zu keiner Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.

Zur Frage, wie die Verkehrsordnungswidrigkeit des Betroffenen zu ahnden war, hat das Amtsgericht u.a. folgendes ausgeführt:

"Zugunsten des Betroffenen sprach zunächst, dass er sich geständig eingelassen hat und lediglich fahrlässig in Verkennung der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage gehandelt hat. Positiv wirkte sich auch aus, dass es zu keinerlei Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist. Demgegenüber musste jedoch erkannt werden, dass es sich um einen qualifizierten Rotlichtverstoß handelt, der ein abstrakt hohe Gefährlichkeit beinhaltet, da die Lichtzeichenanlage für den Betroffenen bereits seit längerer Zeit Rotlicht zeigte. Nimmt man hinzu, dass der Betroffene mit einem Lastkraftwagen die Verkehrsordnungswidrigkeit begangen hat, von dem ohnehin eine erhöhte Betriebsgefahr ausgeht, so wertet das Gericht das Verhalten des Betroffenen als qualifizierten Rotlichtverstoß, der an sich nach der Bußgeldkatalogverordnung das Vorliegen eines groben Verstoßes des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG indiziert, so dass regelmäßig als Denkzettel bzw. Besinnungsmaßnahme ein Fahrverbot verhängt werden müsste. Davon hat das Gericht allerdings Abstand genommen, da die weitere Prüfung im Rahmen des dem Gericht eingeräumten Ermessens ergeben hat, dass hier ein besonders verantwortungsloses Verhalten im Sinne einer groben Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG so nicht vorliegt. Dabei ist zugrunde gelegt worden, dass der Betroffene hier einen sogenannten Frühstart infolge nachlässiger Verwechselung der für ihn und für andere Verkehrsteilnehmer geltenden Lichtzeichenanlage vorgenommen hat. Das Gericht hielt es daher nicht für angebracht, gegen den Betroffenen ein Fahrverbot auszusprechen, ausreichend war, den Regelbußgeldsatz von 250,00 DM angemessen zu erhöhen, um so der abstrakten Gefährlichkeit des Tuns des Betroffenen Rechnung zu tragen. Dies hat das Gericht gemacht und eine Geldbuße von 300,00 DM festgesetzt. Der Auffassung des bayerischen Oberlandesgerichts in seinem Beschluss vom 27. 04. 1994 (2 Ob OWi 119/94, mitgeteilt in den Verkehrsrechtlichen Mitteilungen 1995 Seite 43 ff.), dass es sich in Fällen vergleichbarer Art lediglich um einen "einfachen" Rotlichtverstoß handele, der eine Geldbuße von lediglich 100,00 DM nach sich ziehe, vermag sich das erkennende Gericht nicht anzuschließen. Dabei wird verkannt, dass der Gesetzes- und Verordnungsgeber das hier in Rede stehende Rotlichtverhalten nicht nur dann schärfer ahnden wollte, wenn eine konkrete Gefährdung oder Sachbeschädigung eintritt, sondern auch dann, wenn - wie vorliegend, die Rotlichtphase bereits länger als 1 Sekunde angedauert hat, da bei dieser Fallgestaltung eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, die hier durch die Tatsache, dass der Betroffene mit einem Lastwagen unterwegs war, noch erhöht wurde, zu unterstellen ist."

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, gegen den Betroffenen ein Bußgeld von nur 100,-- DM festzusetzen.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat Erfolg.

Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen zwar die Verurteilung wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes gemäß den §§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Verbindung mit § 24 StVG, so dass die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs wirksam ist. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt jedoch Rechtsfehler erkennen, die insoweit - wie auch von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt - zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils führen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme zur Rechtsbeschwerde ausgeführt:

"Zwar hat der Betroffene - dem Wortlaut der Nr. 34.2 BKatV entsprechend - das rote Dauerlichtzeichen missachtet, als es bereits mehr als eine Sekunde andauerte, jedoch weist der von dem Amtsgericht festgestellte Sachverhalt Umstände auf, die von dem danach zugrunde gelegten Regelfall zugunsten des Betroffenen erheblich abweichen.

Die grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG ergibt sich im Regelfall aus der ganz erheblichen und kaum kontrollierbaren Gefährdung des Querverkehrs, wenn der Kraftfahrzeugführer noch im Kreuzungsbereich einfährt, obwohl die Rotphase "schon" länger als eine Sekunde andauert. Nach den rechtskräftigen Feststellungen des Tatrichters hatte der Betroffene - der den Geradeausstreifen der Fahrbahn befuhr - zunächst ordnungsgemäß vor der Lichtzeichenanlage angehalten und fuhr erst zu dem Zeitpunkt in der Kreuzungsbereich ein, als die Lichtzeichenanlage für den Rechtsabbiegerstreifen Grünlicht zeigte, weil er als Ortsunkundiger mutmaßte, dass dieses Lichtzeichen auch für seine Fahrbahn galt. Diese fahrlässige Nichtbeachtung der - weiterhin - Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage kann mithin nicht als grobe Pflichtverletzung gewertet werden und entspricht in ihrer Intensität insgesamt nicht dem in Nr. 34.2. BKatV aufgeführten Tatbestand (zu vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 04. 02. 1994 - 2 Ss OWi 71/94-; OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 05. 05. 1994 - 2 Ss OWi 414/94-, NZV 95, 82; BayObLG, Senatsbeschluss vom 27. 04. 1994, NZV 1994, 317, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Das Verhalten der Betroffenen entspricht somit dem in Nr. 34 BKatV geregelten Fall eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes nach §§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO. Danach reicht es aus, das für diesen Fall vorgesehene Bußgeld in Höhe von 100,00 DM zu verhängen, zumal es nach den rechtskräftigen Feststellungen des Tatrichters durch das Einfahren des Betroffenen mit seinem Lkw in den Kreuzungsbereich zu keiner Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist."

Dieser zutreffenden Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft tritt der Senat bei.

Die Ausführungen entsprechen sowohl der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 27. September 1995 in 2 Ss OWi 998/95 mit weiteren Nachweisen aus der Senatsrechtsprechung) als auch der anderer Obergerichte (vgl. u.a. OLG Düsseldorf NZV 1994, 161 und NZV 1995, 328; BayObLG NZV 1994, 287 und 370; OLG Hamburg VM 1995, 35; KG NZV 1994, 238; OLG Oldenburg NZV 1994, 38 und 408; OLG Köln NZV 1994, 330). Hiervon abzuweichen besteht vorliegend, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Betroffene den Rotlichtverstoß mit einem Lastkraftwagen beging, kein Anlass.

Zusätzlich zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft ist noch auf folgendes hinzuweisen:

Anknüpfungspunkt für die vom Verordnungsgeber gewollte schärfere Ahndung eines Rotlichtverstoßes nach Nr. 34.2 BußgeldkatalogVO ist das grob pflichtwidrige und abstrakt (ggf. im Fall der Nr. 34.1 oder 34.2.1 BußgeldkatalogVO auch konkret) den Querverkehr gefährdende Verhalten des Verkehrsteilnehmers. Fehlt es - wie hier - an diesem von der BußgeldkatalogVO vorausgesetzten Handlungsunwert der groben Pflichtwidrigkeit, ist schon der Regeltatbestand des 34.2 BußgeldkatalogVO nicht erfüllt, unabhängig davon, dass das Rotlicht "schon länger" als 1 Sekunde dauerte (siehe den oben bereits zitierten Beschluss des Senats vom 25. September 1995; siehe auch für den Regeltatbestand der Nr. 34.2.1 BußgeldkatalogVO OLG Hamburg, a.a.O.; Janiszewski NStZ 1994, 574). Rechtsfehlerhaft sind dann - die vom Amtsgericht angestellten - Überlegungen zur Verhängung eines Fahrverbot und der Möglichkeit des Absehens davon bei gleichzeitiger Erhöhung der Regelgeldbuße. Denn da schon der Regeltatbestand nicht erfüllt ist, stellt sich die Frage der Verhängung eines Fahrverbots überhaupt nicht.

III. Nach allem war somit wegen der rechtsfehlerhaften Annahme eines Regelfalls im Sinn der Nr. 34.2 BußgeldkatalogVO der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils aufzuheben. Da nicht zu erwarten ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere bedeutsame Feststellungen getroffen werden können, hat der Senat von einer Zurückverweisung der Sache abgesehen und - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - von der ihm in § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, in der Sache selbst zu entscheiden.

Bei der Bemessung der festzusetzenden Geldbuße ist der Senat davon ausgegangen, dass der dem Betroffenen vorzuwerfende Pflichtenverstoß in seiner Intensität einem sog. einfachen Rotlichtverstoß nach Nr. 34 BußgeldkatalogVO entspricht. Die Ordnungswidrigkeit des Betroffenen war daher mit der dort vorgesehenen Regelgeldbuße von 100 DM zu ahnden.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 467, 473 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Der Ausspruch über die notwendigen Auslagen trägt dem Umstand Rechnung, dass das beschränkte Rechtsmittel des Betroffenen in vollem Umfang erfolgreich gewesen ist.


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