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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1565/96 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer durch Nachfahren zur Nachtzeit gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung.

Gericht: OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: OWi-Verfahren

Stichworte: Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer durch Nachfahren zur Nachtzeit gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung, Autobahnverkehr, Grundhelligkeit, Hinweis auf § 50 StVZO, Regelfahrverbot, persönliche Umstände, berufliche Umstände, Ermessensentscheidung, Absehen vom Fahrverbot

Normen: StVO 3, StPO 267

Fundstelle: VRS 93, 380

Beschluss: Bußgeldsache gegen A.S. wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 24. September 1996 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 31.01.1997 durch die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gem. § 79 Abs. 3, 5 OWiG i.V.m. § 349 StPO beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen gem. den §§ 41, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 180 DM festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 12. Januar 1996 gegen 20.00 Uhr mit dem PKW Opel die BAB A 45 in Dortmund in Fahrtrichtung Frankfurt. Im Bereich von Kilometer 22,5 bis 24 fuhr der Betroffene, fahrlässig handelnd, mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort durch Zeichen 274 zu § 41 StVO auf 100 km/h beschränkt ist. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde vom Zeugen PK B. durch Nachfahren gemessen. Von der gemessenen Geschwindigkeit von 147 km/h hat das Amtsgericht einen Toleranzabzug von 15% des Tachoendwertes = 24 km/h gemacht, so dass eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung von 36 km/h verblieb.

Zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene als selbständiger Lithograph tätig ist und nach eigenen Angaben zwischen 25.000-30.000 DM netto (monatlich, wobei es sich offenbar um ein Versehen handelt) verdient. Außerdem hat es festgestellt, dass der Betroffene seit Anfang 1993 dreimal wegen Geschwindigkeitsüberschreitung aufgefallen ist. Zuletzt ist er wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h mit Bußgeldbescheid vom 29. März 1995, der seit dem 15. April 1995 rechtskräftig ist, mit einer Geldbuße von 145,-- DM belegt worden.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil wegen nicht ausreichender tatsächlicher Feststellungen aufzuheben.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da die auf die materielle Rüge hin vorgenommene Überprüfung des angefochtenen Urteils durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen lässt.

1. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. den §§ 41 Abs. 2 Ziffer 7, 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO, 24 StVG. Das Amtsgericht hat die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze, denen sich die Bußgeldsenate des Oberlandesgerichts Hamm angeschlossen haben, (noch) ausreichend berücksichtigt.

Nach diesen Grundsätzen (vgl. dazu OLG Hamm VM 1993, 67, sowie u.a. die Beschlüsse der erkennenden Senats vom 28. Dezember 1994 - 2 Ss OWi 1465/94 und vom 3. Januar 1995 - 2 Ss 1499/94 und außerdem die Zusammenstellung der Rechtsprechung des OLG Hamm in DAR 1996, 381) muß der Tatrichter bei einer durch Nachfahren zur Nachtzeit gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung über die allgemeinen Grundsätze zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren hinaus grundsätzlich zusätzliche Feststellungen dazu treffen, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren und ob bei den zur Nachtzeit regelmäßig schlechteren Sichtverhältnissen der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer der nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte. Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob für die Schätzung eines gleichbleibenden Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren (vgl. Beschluss des 3. Senats für Bußgeldsachen vom 20. Februar 1996 - 3 Ss OWi 49/96).

Hier hat das Amtsgericht mitgeteilt, dass das auf der BAB A 45 nachfahrende Polizeifahrzeug auf einer Messstrecke von 1.500 m einen gleichbleibenden Abstand von 100 m eingehalten hat, was "anhand der Nebenpfähle festgestellt worden sei". Das ist ausreichend. Dabei hat der Senat zunächst berücksichtigt, dass zur angegebenen Tageszeit - 20.00 Uhr - auch auf einer BAB wegen des dann noch herrschenden Verkehrs eine gewisse Grundhelligkeit vorhanden ist, so dass es näherer/weiterer Angaben zu den Beleuchtungsverhältnissen auf der BAB, die im übrigen allgemein bekannt sind, nicht bedurfte. Hinzu kommt, dass die Scheinwerfer des nachfahrenden Polizeifahrzeugs den Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug des Betroffenen noch zusätzlich mitausgeleuchtet haben. Insoweit sind § 50 StVZO und die dort aufgestellten Anforderungen an die Beleuchtung der Fahrbahn durch Pkw-Scheinwerfer von Bedeutung. Das Amtsgericht hat hier zudem eine verhältnismäßig lange Messstrecke von 1.500 m für die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt, was nach Auffassung des Senats das Risiko von Fehlmessungen/-schätzungen sowohl hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit als auch hinsichtlich des gleichbleibenden Abstands reduziert. Schließlich hat das Amtsgericht auch mitgeteilt, dass sich die nachfahrenden Polizeibeamten zur Feststellung des gleichbleibenden Abstands von 100 m zum Pkw des Betroffenen an den am BAB-Rand aufgestellten Nebelpfählen orientiert haben. Damit sind ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden gewesen. Aufgrund der mitgeteilten Abstands von 100 m waren von den nachfahrenden Polizeibeamten im eigenen und im Scheinwerferlicht des vorausfahrenden Pkws des Betroffenen grundsätzlich immer drei der im Abstand von 50 m aufgestellten Nebelpfähle zu erkennen.

Nach allem sind damit ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen, so dass die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. den §§ 41 Abs. 2 Ziffer 7, 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO, 24 StVG nicht zu beanstanden ist.

2. Auch gegen die vom Amtsgericht festgesetzten Rechtsfolgen ist im Ergebnis nicht zu erinnern.

Der festgesetzten Geldbuße von 180 DM liegt die Regelgeldbuße der BußgeldkatalogVO zugrunde. Die vom Amtsgericht vorgenommene Erhöhung ist angesichts der verwertbaren Voreintragungen des Betroffenen maßvoll.

Rechtsfehlerhaft ist allerdings, die vom Tatrichter der Verhängung des Fahrverbots zugrunde gelegte rechtliche Wertung. Im Unterschied zu dem Regelfahrverbot in den Fällen des § 24 a StVG, in denen nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigen können (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 18. Juli 1995 - 2 Ss OWi 480/95 - ZAP EN-Nr. 977/95 = MDR 1995, 1254 = NZV 1995, 496 = VRS 90, 207), reichen in den Fällen der BußgeldkatalogVO möglicherweise schon erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände aus, um eine Ausnahme zu begründen (seit BGHSt 38, 231, 237 = NZV 1992, 117, 119 ständige Rechtsprechung der Bußgeldsenate des OLG Hamm; vgl. u.a. Beschluss vom 12. 10. 1995 - 4 Ss OWi 874/95 - NStZ-RR 1996, 151 = NZV 1996, 118 = JMBl. NW 1996, 77 = VRS 90, 392; Beschluss vom 7. März 1996 - 3 Ss OWi 1304/96; Beschlüsse des Senats vom 1. April 1996 - 2 Ss OWi 259/96 - ZAP EN-Nr. 492/96 = DAR 1996, 325 und vom 26. Oktober 1995 - 2 Ss OWi 1222/95 - ZAP EN-Nr. 1013/95 = ZfS 1996, 35 = DAR 1996, 68, zuletzt vom 27. August 1996 - 2 Ss OWi 926/96, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Frage des ggf. möglichen Absehens von der Verhängung des Fahrverbots lassen erkennen, dass es sich dieses Unterschieds nicht bewusst war und die in den Fällen des § 24 a StVG an einen Absehen vom (Regel-) Fahrverbot zu stellenden Anforderungen auf den vorliegenden Fall des Verhängung eines Regelfahrverbots nach der BußgeldkatalogVO in unzulässiger Weise übertragen hat. Das Amtsgericht hat nämlich ausgeführt, dass ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots nur "bei Härten ganz außergewöhnlicher Art" in Betracht komme oder, wenn "das verhängte Fahrverbot für den Betroffenen existenzvernichtende bzw. existenzbedrohende Auswirkungen" habe. Damit übersieht das Amtsgericht, dass hier im Bereich der BußgeldkatalogVO möglicherweise auch schon eine erhebliche Härte oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausnahmsweise das Absehen von der Anordnung des Fahrverbots zu begründen vermögen.

Dieser Rechtsfehler führt indes nicht zum Wegfall des verhängten Fahrverbots, da das angeordnete Fahrverbot im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

Die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und deshalb die Verhängung eines Fahrverbots nicht erfordert, unterliegt nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte in erster Linie der Würdigung des Tatrichters, dem eine gewisse Entscheidungsfreiheit eingeräumt ist (BGHSt 38, 125, 136 = NZV 1992, 117, 119.). Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht zudem nur in eingeschränktem Umfang, nämlich auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin, überprüft werden (OLG Köln NZV 1994, 161f.; BayObLG NZV 1994, 327f.; o.a. Beschlüsse des 3. und 4. Senats für Bußgeldsachen) und ist im Zweifel "bis zur Grenze des Vertretbaren" zu respektieren (o.a. Beschluss des Senats vom 26. 10. 1995). Nur bei Ermessensfehlern ist die Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren angreifbar (vgl. die o.a. Rechtsprechung).

Danach ist hier - im Ergebnis - die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung, gegen den Betroffenen ein Fahrverbot zu verhängen, nicht zu beanstanden. Die Entscheidung entspricht vielmehr dem Grundsatz der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung der betroffenen Verkehrsteilnehmer. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 BußgeldkatalogVO gegeben sind und damit das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung i.S. von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO indiziert wird, so dass es regelmäßig im Rahmen einer Besinnungsmaßnahme der Anordnung eines Fahrverbots als eindringlichen Denkzettel bedarf (vgl. u.a. BGHSt 38, 125, 129 ff.; OLG Celle VRS 86, 209, 211; OLG Düsseldorf NZV 1993, 320, 321; BayObLG NZV 1994, 370; OLG Hamburg VRS 88, 386; ständige Rechtsprechung der Senate für Bußgeldsachen des OLG Hamm). Im Rahmen der grundsätzlich ihm obliegenden tatrichterlichen Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 BußgeldkatalogVO hat es dann eine Reihe von persönlichen und tatbezogenen Umständen erörtert und ist zu der tatrichterlichen Überzeugung gelangt, dass der vorliegende Fall nicht zugunsten des Betroffenen vom Regelfall abweicht.

Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Die vom Amtsgericht erörterten Umstände - weite Entfernung vom Wohnort zur Arbeitsstätte, ggf. finanzielle Nachteile durch das zu verhängende Fahrverbot - sind nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht geeignet, eine Ausnahme von der Verhängung eines Regelfahrverbots rechtfertigen zu können (vgl. dazu u.a. den o.a. Beschluss vom 27. August 1996 mit weiteren Nachweisen). Zieht man zusätzlich zu diesen Umständen noch den auch vom Amtsgericht angeführten Umstand in Betracht, dass der Betroffene seit 1993 insgesamt dreimal wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung aufgefallen ist, ist an der getroffenen Entscheidung, von der Verhängung eines Fahrverbots nicht abzusehen, nichts auszusetzen, so dass nach allem die Rechtsbeschwerde zu verwerfen war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.


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