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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 132 u. 133/96 OLG Hamm

Leitsatz: Wird die Bewährungszeit nach Ablauf des zunächst festgesetzten Zeitraums verlängert, was zulässig ist, können Straftaten, die zwischen dem Ende der ursprünglichen Bewährungszeit und der Kenntnisnahme des Verurteilten von dem die Bewährungszeit verlängernden Beschluss begangen werden, nicht zum Anlass für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung genommen werden.

Gericht: OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung, Beginn der Bewährungszeit, neue Straftat in laufender Bewährung bei Verlängerung der Bewährungszeit

Normen: StGB 56 f, StGB 56 a

Beschluss: Strafsache gegen W.S. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung und gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der erkannten Strafe).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 1. Februar 1996 gegen den Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen vom 19. Januar 1996 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.04.1996 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Beschluss des Landgerichts Siegen vom 19. Januar 1996 wird auf Kosten der Landeskasse aufgehoben.

G r ü n d e:
I. Der Verurteilte ist durch seit dem 28. März 1992 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Köln vom 20. März 1992 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafe wurde durch Beschluss vom 20. März 1992 für zunächst zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Am 26. Mai 1994 wurde der Verurteilte vom Amtsgericht Kerpen - wiederum wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis - Tatzeit waren der 2. Februar, der 22. Mai und der 8. September 1993 - zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Diese Verurteilung nahm die Staatsanwaltschaft zum Anlass, die Verlängerung der Bewährungszeit aus dem Bewährungsbeschluss vom 20. März 1992 zu beantragen. Durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 25. November 1994 wurde die Bewährungszeit dann um zwei Jahre, bis zum 27. März 1996, verlängert. Da der Verurteilte am 24. November 1994 erneut ohne Fahrerlaubnis gefahren war, wurde er am 1. Juni 1995 vom Amtsgericht Köln wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Diese Verurteilung führte zum - inzwischen aufgrund des Senatsbeschlusses vom 8. Februar 1996 rechtskräftigen - Widerruf der durch das Amtsgericht Kerpen im Urteil vom 26. Mai 1994 gewährten Strafaussetzung.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer nunmehr auch die Strafaussetzung aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 20. März 1992 widerrufen. Den Widerruf hat sie damit begründet, dass der Verurteilte am 24. November 1994 erneut ohne Fahrerlaubnis gefahren sei. Außerdem hat sie die bedingte Entlassung des Verurteilten, der seit dem 3. November 1995 die dreimonatige Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 1. Juni 1995 verbüßte, abgelehnt. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde zu verwerfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. In der Sache ist sie, soweit sich der Verurteilte gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der Strafe aus der Verurteilung des Amtsgerichts Köln vom 1. Juni 1995 wendet, gegenstandslos, da der Verurteilte diese Strafe am 2. Februar 1996 bereits voll verbüßt hat. Hinsichtlich des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung hat die sofortige Beschwerde hingegen Erfolg, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben war.

Die Strafvollstreckungskammer hat die durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 20. März 1992 gewährte Strafaussetzung zu Unrecht widerrufen. Die Kammer hat den Widerruf auf § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB gestützt und weiter damit begründet, dass der Verurteilte in der Bewährungszeit, nämlich am 24. November 1994, eine Straftat - Fahren ohne Fahrerlaubnis - begangen hat. Die Voraussetzungen dieses Widerrufsgrundes liegen jedoch nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. u.a. OLG Hamm JMBl. NW 1982, 57; OLG Düsseldorf StV 1994, 382; OLG Schleswig NStZ 1986, 363; KG StV 1986, 165; OLG Zweibrücken NStZ 1993, 510; Dreher/Tröndle, StGB, 47: Aufl., § 56 f StGB Rn. 3, 8 m.w.N.; LK-Ruß, StGB, 10. Aufl., § 56 f StGB Rn. 11 b) nur vor, wenn die den Anlass zum Widerruf bildende Straftat in der laufenden Bewährungszeit begangen wurde. Das ist hier hinsichtlich der am 24. November 1994 begangenen Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht der Fall.

Gemäß § 56 a Abs. 2 Satz 1 StGB beginnt die Bewährungszeit mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung und endet mit dem Ende der im Bewährungsbeschluss festgesetzten Bewährungszeit, hier also (zunächst) am 27. März 1994. Wird die Bewährungszeit - wie vorliegend - nach Ablauf des zunächst festgesetzten Zeitraums verlängert, was zulässig ist (vgl. Dreher/Tröndle, a.a.O., § 56 f StGB Rn. 8 m.w.N.), können Straftaten, die zwischen dem Ende der ursprünglichen Bewährungszeit und der Kenntnisnahme des Verurteilten von dem die Bewährungszeit verlängernden Beschluss begangen werden, vorliegend Beschluss vom 25. November 1994, nicht zum Anlass für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung genommen werden. Denn in der Zeit zwischen dem Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit und der Verlängerung steht der Verurteilte nicht i.S. des § 56 f StGB "unter Bewährung" (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Dabei kann dahinstehen, welcher der zur Verlängerung der Bewährungszeit in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung zu folgen ist. Geht man nämlich mit Horn (NStZ 1986, 356) davon aus, dass die verlängerte Bewährungszeit erst mit der Bestandskraft der Entscheidung über die Verlängerung beginne, liegt es auf der Hand, dass der Verurteilte die neue Straftat nicht "in" der Bewährungszeit begangen hat. Folgt man hingegen der wohl überwiegend vertretenen Auffassung, dass sich die verlängerte Bewährungszeit unmittelbar rückwirkend an die ursprüngliche Bewährungszeit anschließt (vgl. die o.a. Rechtsprechungs- und Literaturnachweise), hat der Verurteilte im Ergebnis ebenfalls in der Zwischenzeit nicht unter Bewährung gestanden. Selbst wenn er - wie hier - weiß, dass die Staatsanwaltschaft die neue Straftat zum Anlass genommen hat, die Verlängerung der ursprünglichen Bewährungszeit zu beantragen, steht der Verurteilte nicht unter dem Druck, sich bewähren zu müssen. Das Ergebnis des "Verlängerungsverfahrens" ist nämlich offen, da das Gericht an den Antrag der Staatsanwaltschaft nicht gebunden ist, also sowohl die beantragte Verlängerung als auch den Widerruf oder aber den Straferlass beschließen kann. Die Verwertung eines während dieses Zeitraums begangenen Straftat für einen Widerruf würde rückwirkend zu einer nachteiligen Rechtsfolge für den Verurteilten führen, was allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts und dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit widersprechen würde (so auch OLG Zweibrücken, a.a.O., mit weiteren Nachweisen).

Nach allem war somit der angefochtene (Widerrufs-)Beschluss, da die zum Anlass für den Widerruf genommene Straftat nicht innerhalb der Bewährungszeit begangen wurde, aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 465 StPO.


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