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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 1/2000 OLG Hamm

Leitsatz: In Strafvollzugssachen müssen in der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer neben den wesentlichen rechtlichen Erwägungen auch die entscheidungserheblichen Tatsachen so vollständig wiedergegeben werden, dass anhand dieser Feststellungen eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht möglich ist.

Gericht: OLG Hamm

Senat: 1

Gegenstand: Vollzugssache

Stichworte: Verlegung in den offenen Vollzug,Eignung für den offenen Vollzug, Rechtsbeschwerde, tatsächliche Feststellungen durch die Strafvollstreckungskammer, ausreichende Beschlussbegründung, unbestimmte Rechtsbegriffe. Prognoseentscheidung

Normen: StVollzG 10, StVollzG 116

Beschluss: Strafvollzugssache betreffend den Strafgefangenen C.St. wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden (hier: Verlegung in den offenen Vollzug).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 17.12.1999 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 09.11.1999 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

Gründe:
Die Strafvollstreckungskammer hat durch den angefochtenen Beschluss einen Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung über sein Begehren, in den offenen Vollzug verlegt zu werden, zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Strafvollstrekkungskammer zunächst den Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe vom 16.09.1999 inhaltlich wiedergegeben, der wie folgt lautet:
"Die Unterbringung eines Gefangenen im offenen Vollzug darf gemäß § 10 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz unter anderem nur dann erfolgen, wenn der Gefangene den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und ein Missbrauch durch Flucht oder die Begehung von Straftaten nicht zu befürchten ist. Die Frage Ihrer Eignung für eine solche Maßnahme ist in einer Vollzugskonferenz gemäß § 159 Strafvollzugsgesetz beraten und unter Berücksichtigung der Stellungnahme des psychologischen Dienstes verneint worden. Nach Einschätzung des psychologischen Dienstes ist bei Ihnen trotz der bislang durchgeführten therapeutischen Maßnahmen weiterhin von einer unaufgearbeiteten Persönlichkeitsproblematik im Gewalt- und Sexualbereich auszugehen und lassen sich durch die in der Einweisungsentschließung der Justizvollzugsanstalt Hagen vom 27. November 1998 gegen eine Unterbringung in den offenen Vollzug und die Gewährung von Vollzugslockerungen geäußerten Bedenken gegenwärtig nicht ausräumen. In der vorgenannten Entschließung heißt es unter anderem:
"Nach seiner Festnahme wurde er dem offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne zugeführt. Es kam hier vornehmlich wegen Alkoholmissbrauchs zu Disziplinarverfahren. So hatte er am 14. August 1998 einen Ausgang zur Bewährungshilfe nach Mülheim/Ruhr und kam mit 1 1/2 Stunden Verspätung zurück. Deutlich wurde eine Alkoholfahne registriert. Des weiteren wurde er am 17. August 1998 wegen Alkoholmissbrauchs zur Verantwortung
gezogen. Ebenso am 11. September 1998. Wegen dieser Vorkommnisse wurde ihm am 15. September 1998 die Eignung für den offenen Vollzug aberkannt. Es folgte die Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug. Diese Entscheidung entspricht auch dem Erkenntnisstand des Einweisungsverfahrens. Die erforderliche Selbstdisziplin für eine Unterbringung im offenen Vollzug bringt Herr St nicht auf. Es kam somit nach dem Ergebnis des Einweisungsverfahrens nur eine Unterbringung im geschlossenen Vollzug in Betracht."
Vor Klärung der im Vorstrafenbereich zu Tage getretenen Gewaltproblematik und der sexuellen Fehlverhaltensweisen sollten Vollzugslockerungen nicht in Betracht gezogen werden. Vor dem Hintergrund der enormen Rückfallgeschwindigkeit und des mehrfachen
Bewährungsversagens kann Herrn St nur eine ungünstige
Prognose gestellt werden."
Ferner ist die Entscheidung wie folgt begründet:
"Dem schließt sich die Kammer in vollem Umfang an. Aufgrund der fortbestehenden Persönlichkeitsproblematik und der aus dem Verhalten in der Vergangenheit ersichtlichen fehlenden Selbstdisziplin und dem mangelnden Verantwortungsbewusstsein des Antragstellers ist derzeit auch aus Sicht der Kammer nicht von einer Eignung für den offenen Vollzug auszugehen. Die angefochtene Entscheidung
ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden."
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner in zulässiger Weise erhobenen Rechtsbeschwerde, mit der er sowohl die Verletzung förmlichen als auch sachlichen Rechts rügt. Diese hat der Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 116 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz).

Das Rechtsmittel hat auch einen - vorläufigen - Erfolg. Der angefochtene Beschluss leidet an durchgreifenden Mängeln. Ihm lässt sich schon nicht der Sachverhalt entnehmen, welcher das Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung unter Hinweis auf die Besonderheiten des revisionsrechtlich ausgestalteten Rechtsbeschwerdeverfahrens in Strafvollzugssachen ausgeführt, dass die Strafvollstreckungskammer den für erwiesen erachteten Sachverhalt, der ihrer rechtlichen Würdigung zugrunde liegt, in den Gründen des Beschlusses wenigstens in gedrängter Form unter Verzicht auf eine Bezugnahme darzulegen hat, damit eine rechtliche Überprüfung anhand der tatrichterlichen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer ermöglicht wird (vgl. Senatsbeschluss vom
17. April 1997 - 1 Vollz (Ws) 56/97 - m. w. N.). Neben den wesentlichen rechtlichen Erwägungen müssen von der Strafvollstreckungskammer auch die entscheidungserheblichen Tatsachen so vollständig wiedergegeben werden, dass anhand dieser Feststellungen eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht möglich ist.

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Beschluss nicht. Vorliegend war die Prognoseentscheidung der Justizvollzugsanstalt, welche im Rahmen des § 10 Strafvollzugsgesetz getroffen wurde, zu überprüfen. Die Voraussetzungen des Abs. 1 dieser Vorschrift, die die Kriterien für die Eignung des Gefangenen für den offenen Vollzug darstellen, sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die einer Überprüfung durch das Gericht unterliegen (vgl. Callies/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl., § 10 Rdnr. 6). Dabei unterliegen der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung das Vorliegen der Tatsachen, welche die Vollzugsbehörden als Voraussetzungen ihrer Entscheidung angenommen haben (vgl. BGHSt 30, 320). Diese Tatsachen müssen zutreffen und der zugrundeliegende Sachverhalt insgesamt muss vollständig ermittelt sein (vgl. BGH a. a. O.).

Obwohl maßgeblich für die Entscheidung gemäß § 10 Strafvollzugsgesetz neben dem Vorleben des Gefangenen sein Verhalten im Vollzug zu berücksichtigen ist, finden sich hierzu keinerlei tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Beschluss. Das bisherige Verhalten des Gefangenen im Vollzug wird nicht geschildert. Auch lässt sich ihm nicht entnehmen, ob die Justizvollzugsanstalt dieses überhaupt berücksichtigt hat oder - wenn dies der Fall war - die zugrunde gelegten Tatsachen zutreffend ermittelt wurden. Insoweit ist lediglich der - schon längere Zeit zurückliegende - Alkoholmissbrauch geschildert, der zur Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug führte. Auch teilt die Strafvollstreckungskammer nicht einmal mit, welche Strafe der Verurteilte derzeit verbüßt. Drüber hinaus geht die Kammer von einer fortbestehenden Persönlichkeitsproblemaktik, insbesondere von einer Gewaltproblematik und sexuellen Fehlverhaltensweisen aus, ohne das hierzu nähere Angaben gemacht werden.

Dem Senat ist damit die Prüfung verwehrt, ob die Entscheidung des Leiters der Justizvollzugsanstalt tatsächlich den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz gerecht wird. Die Sache war deshalb zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.]


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