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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 66/05 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Auch nach der Neufassung der StPO, die eine Zurückverweisung zwar nicht ausdrücklich vorsieht, ist das Berufungsgericht zur Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht verpflichtet, wenn dieses aus der Sicht des Berufungsgerichts aus rechtsfehlerhaften Gründen das Verfahren eingestellt hat.
2. Zum Tatort bei der veruntreuenden Unterschlagung

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Zurückverweisung; Unzuständigkeit; Berufung; Tatort; Erfolgsort

Normen: StPO 328; StGB 7, StGB 9

Beschluss: Strafsache
gegen R.E.
wegen Unterschlagung.

Auf die Revision der Angeklagten vom 01. Oktober 2004 das Urteil der kleinen auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 30. September 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01. 09. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. September 2004 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Amtsgericht Neuss (zurück)verwiesen.

Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat gegen die Angeklagte Anklage wegen (veruntreuender) Unterschlagung erhoben. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens hat das Amtsgericht das Verfahren in der Hauptverhandlung wegen fehlender örtlicher Zustellung eingestellt. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht die Angeklagte im angefochtenen Urteil wegen veruntreuender Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Recklinghausen zurückzuverweisen.

II.
Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Soweit die Angeklagte mit der formellen Rüge eine Verletzung von § 265 StPO bzw. auch von § 261 StPO rügt, kann dahinstehen, ob diese Rügen begründet sind. Denn schon die in zulässiger Form erhobene Rüge, das Landgericht habe nicht in die sachliche Prüfung des amtsgerichtlichen Urteils eintreten dürfen, führt zum Erfolg.

1. Das Landgericht hat zu Unrecht seine sachliche Zuständigkeit zur Prüfung in der Sache angenommen, nachdem das Amtsgericht das Verfahren wegen fehlender Zuständigkeit eingestellt hatte. Auch nach der Neufassung der StPO, die eine Zurückverweisung zwar nicht ausdrücklich vorsieht, ist nach allgemeiner Meinung das Berufungsgericht zur Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht verpflichtet, wenn dieses aus der Sicht des Berufungsgerichts aus rechtsfehlerhaften Gründen das Verfahren eingestellt hat. Anderenfalls würde das Berufungsgericht in der Sache eine erstinstanzliche Verhandlung durchführen würde, obwohl das Gesetz ihm nur die Zuständigkeit zu einer Berufungshauptverhandlung zuweist. Eine Verhandlung zur Sache hat in erster Instanz noch nicht stattgefunden. Es liegt nur ein erstinstanzliches „Prozessurteil“ vor, auf das dann in der Berufungsinstanz kein Sachurteil folgen darf (OLG Koblenz NStZ 1990, 296; OLG Stuttgart NStZ 1995, 301; OLG Karlsruhe NStZ 2005, 402, 403; NStZ-RR 2005, 208 mit weiteren Nachweisen; vgl. dazu auch Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 328 Rn. 4).

2. Allerdings war das Verfahren nicht, wie von der Revision beantragt, wegen fehlender örtliche Zuständigkeit einzustellen. Vielmehr war es zurückzuweisen. In Betracht kam jedoch nicht wie von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Zurückverweisung an das Amtsgericht Recklinghausen, sondern an das nach Auffassung des Senats sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht Neuss. Dessen Zuständigkeit ergibt sich aus § 7 StPO i.V.m. § 9 StGB.

a) Das Landgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen:

„Die Angeklagte war mit der in Recklinghausen lebenden Zeugin C. befreundet. Diese ist dauerarbeitslos; zwischenzeitlich hat sie ihren damaligen Lebensgefährten, den als Zeugen gehörten Herrn O., einen Frührentner, geheiratet und lebt mit diesem auf bescheidenstem sozialen Niveau. Im Sommer 2002 gedachte sie, ihren sechs Jahre alten PKW vom Typ Ford Escort zu verkaufen. Die Angeklagte zeigte Kaufinteresse, erwähnte aber gleichzeitig, dass sie den Kaufpreis auf einmal nicht würde zahlen können. Man einigte sich deshalb mündlich auf eine Ratenzahlung in Höhe von 150,00 EURO bei einem Kaufpreis von 3.300,00 EURO. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt noch in Bad Oldeslohe zugelassen. Zunächst war eine Umschreibung des Fahrzeugs in Marl beabsichtigt, da die Angeklagte jedoch in Neuss wohnt, war eine Ummeldung im Kreis Recklinghausen nicht möglich.

Mit Datum vom 23.08.2002 schlossen die Angeklagte und die Zeugin C. einen Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug. Den von der Versicherung HUK-Coburg entworfenen formularmäßigen Vertrag hatte der Zeuge O. aus dem Internet heruntergeladen. Bei einem Gesamtpreis von 3.300,00 EURO wurde unter der Rubrik ‚Sondervereinbarung' folgendes vermerkt:
‚Ratenzahlung wird vereinbart
siehe Anlage, 23.08.2002
Abmeldung erfolgt d. Käufer am 28.8.02
Besch. und Brief werden zurückgegeben
bis zur vollst. Bezahlung'.

Darunter stand der formularmäßige Text:

‚Das Fahrzeug, der Kfz-Brief, der Kfz-Schein, die AU-Bescheinigung und die Fahrzeugschlüssel wurden übergeben. Das Kraftfahrzeug bleibt bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises Eigentum des Verkäufers'.“

Weiter stellt das angefochtene Urteil fest:

„Die Angeklagte zahlte zunächst zwei Raten in Höhe von 150.00 EURO auf die Kaufpreisschuld. Der genaue Zeitpunkt der Zahlungen steht nicht fest, doch erfolgte die erste Zahlung zeitnah nach Vertragsschluss und die zweite etwa einen Monat später.

Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt, der zwischen der Ummeldung des Fahrzeugs auf den Namen der Angeklagten am 28.08.2002 und dem 24.09.2002 gelegen haben muss, veräußerte die Angeklagte das Fahrzeug. Die näheren Umstände sind nicht feststellbar. Ob und an welchem Ort und an wen das Auto verkauft wurde oder auf welche sonstige Weise es beiseite geschafft wurde, ist nicht aufklärbar, da die Angeklagte darüber glaubhafte Angaben verweigert. Fest steht aber, dass die Angeklagte spätestens am 24.09.2002 den Besitz am Fahrzeug endgültig zugunsten eines unbekannten Dritten aufgegeben hat.“

b) Nach diesen Feststellungen ist das Amtsgericht Recklinghausen örtlich unzuständig. Die Zuständigkeit des Amtsgericht Recklinghausen ergibt sich nicht aus § 7 StPO i.V.m. § 9 StGB. Tatort ist nach § 9 StGB jeder Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. § 246 Abs. 1, 2 StGB setzen einen Erfolg in diesem Sinne nicht voraus. Unter einem Erfolgsort gem. § 9 StGB ist nur ein solcher zu verstehen, an dem solche Tatwirkungen eintreten, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören (Tröndle/Fischer, StGB; 52. Aufl., § 9 Rn. 4). Damit ist klargestellt, dass darüber hinausgehende Wirkungen, die für die Verwirklichung des Tatbestands nicht oder nicht mehr erheblich sind und somit aus der Deliktsbeschreibung herausfallen, nicht erheblich sind (LK-Gribbohm, StGB, 11. Aufl., § 9 Rn. 19). Erfasste Erfolge müssen zwar nicht als Tatbestandsmerkmale im engeren Sinne umschrieben sein, sondern auch andere im Tatbestand umschriebene Erfolge, etwa Qualifikationsmerkmale oder objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind von § 9 StGB umfasst (LK-Gribbohm, a.a.O., § 9 Rn. 23). § 246 Abs. 1 StGB wird durch die Zueignung einer fremden beweglichen Sache verwirklicht, die Qualifikation in § 246 Abs. 2 StGB setzt voraus, dass die Sache dem Täter anvertraut ist. Für eine Zueignung reicht nach überwiegender Meinung aus, dass der Zueignungswille des Täters durch eine nach außen erkennbare Handlung betätigt wird (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 246 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen.). Es muss eine Manifestation des Zueignungswillen vorliegen. Eine körperliche Einwirkung auf die Sache oder eine körperliche Verfügung über sie ist nicht erforderlich (LK-Ruß, a.a.O., § 246 Rn. 13). Anvertraut im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB ist die Sache, wenn dem Täter der Gewahrsam in dem Vertrauen eingeräumt wurde, er werde die Gewalt über die Sache nur im Sinne des Eigentümers ausüben (LK-Ruß, a.a.O., § 246 Rn. 25). Das Anvertrautsein ist ein besonderes persönliches Merkmal im Sinn des § 28 Abs. 2 StGB (LK-Ruß, a.a.O., § 246 Rn. 27). Soweit das Landgericht seine Zuständigkeit auf den Ort der Begründung des Vertrauensverhältnisses und die Kommunikation der Angeklagten und der Verkäuferin stützt, wird verkannt, dass es sich dabei nicht um einen Erfolg im Sinne des § 9 StGB handelt. Zutreffend verneint das Landgericht allerdings, dass der eingetretene Schaden kein tatbestandlicher Erfolg im Sinne des § 9 StGB ist. Soweit die Kammer jedoch auf die Manifestation des Zueignungswillens gegenüber der Verkäuferin abstellt, verkennt sie, dass diese Manifestation ebenfalls keinen Taterfolg darstellt, sondern die Tathandlung, die indes allein an einem vom Landgericht nicht festgestellten Ort innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Amtsgerichts Recklinghausen ausgeführt wurde.

c) Mangels Zuständigkeit eines Gerichts im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm war gem. § 355 StPO an das nach dem feststehenden Wohnort der Angeklagten gem. § 8 StPO zuständige Amtsgericht Neuss verwiesen. Gem. § 355 StPO verweist das Revisionsgericht an das zuständige Gericht, wenn das Gericht des vorangegangenen Rechtszuges seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat. Entscheidet das Berufungsgericht trotz fehlender sachlicher Zuständigkeit, verweist das Revisionsgericht unmittelbar an das zuständige Gericht (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1978, 840). Zudem wird § 355 StPO entsprechend angewendet, wenn das Urteil aus einem anderen Grund als der fehlenden Zuständigkeit aufgehoben wird (LR-Hanack, StPO, 25. Aufl., § 355 Rn. 2). Der BGH wendet die Vorschrift auch dann an, wenn das Verfahren mit Recht eingestellt wurde (BGHSt 26, 191, 201; a.A. Meyer-Goßner, a.a.O., § 355 Rn. 1 m.w.N.). An ein Gericht außerhalb des eigenen Bezirks verweist das Revisionsgericht nur, wenn im eigenen Bezirk kein Gerichtsstand begründet wird (Kukein in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 355 Rn. 5) Fehlt wie vorliegend die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vorinstanz, ist daher unmittelbar an das sachlich und örtlich zuständige Gericht zu verweisen.

III.

Abschließend weist der Senat das Landgericht auf Folgendes hin.:

Gegen die landgerichtliche Strafzumessung bestehen Bedenken. Das Landgericht hat auf eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten erkannt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, nachdem vom Landgericht zuvor eine Einstellung gem.
§ 153a StPO angeregt worden war. Eine solche Anregung zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt nach Ansicht der Kammer allenfalls eine Geldstrafe in Betracht kam (Senat in StV 1995, 182; vgl. auch BGH, Beschl. vom 14. Juni 2005 - 5 StR 168/05). Regelmäßig wird nach einer solchen Anregung sogar die Möglichkeit einer Verwarnung gem. § 59 StGB zu erörtern sein (Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats vom 3. Januar 1991 in 3 Ss 1314/90). Es hätte daher zumindest der Erörterung bedurft, welche neuen Erkenntnisse die Verhängung einer Freiheitsstrafe erforderlich machten.


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