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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 228/05 OLG Hamm

Leitsatz: In Unterbringungssachen soll dem Betroffenen in der Regel ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden, sofern nicht besondere Umstände vorliegen.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Unterbringung; Pflichtverteidiger; Beiordnung; Schwierigkeit des Verfahrens; Unfähigkeit der Selbsverteidigung

Normen: StPO 140

Beschluss: Maßregelvollzugssache
gegen R.F.
wegen Gefährlicher Körperverletzung u. a., (hier: Anordnung der Fortdauer der Unterbringung gem. § 63 StGB).

Auf die undatierte sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster vom 17. März 2005 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 05. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen.:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster, die auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden hat, zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss die Fortdauer der gegen den Beschwerdeführer durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. April 2002 verhängten Unterbringung gem. § 63 StGB angeordnet.

Das Landgericht Dortmund hat den Beschwerdeführer durch das vorbezeichnete Urteil vom Vorwurf der Sachbeschädigung in drei Fällen, Bedrohung und der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen und zugleich seine Unterbringung gem. § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Maßregel ist zunächst zur Bewährung ausgesetzt worden.

Durch Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 29. Januar 2003 ist die Aussetzung widerrufen worden, da der Beschwerdeführer gröblich und beharrlich gegen Weisungen verstoßen habe.

Nach den Feststellung des Landgerichts in vorbezeichneten Urteil hat der Beschwerdeführer in den Jahren 2000 und 2001, nachdem es bereits in den Jahren zuvor zu fremdaggressiven Handlungen gekommen war, deretwegen der Beschwerdeführer nicht verurteilt worden ist, mehrfach die Tür zur Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau eingetreten, in einem Fall die Wohnung verwüstet sowie seine geschiedene Ehefrau bedroht. Im Verlaufe einer Schlägerei hat er ferner einen Nachbarn, nachdem dieser bereits wehrlos am Boden lag, weiter geschlagen und getreten. Der Beschwerdeführer, der nach den Ausführungen des damaligen Sachverständigen Dr. R. an einer Schizophrenie bei Minderbegabung litt (bzw. nach wie vor leidet), hatte die Taten infolge fehlender Steuerungsfähigkeit jedoch nicht schuldhaft begangen. In belastenden Situationen seien, so seinerzeit die sachverständig beratende Strafkammer, krankheitsbedingt auch künftig vergleichbare erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, so dass die Voraussetzungen einer Unterbringung gem. § 63 StGB vorlägen. Da sich der Angeklagte jedoch bereit erklärt habe, seine Lebenssituation zu ändern und in einer therapeutisch betreuten Wohngruppe zu leben, könne die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt werden.

Der spätere Widerruf der Aussetzung ist darauf gestützt worden, dass der Beschwerdeführer die Wohngruppe ohne die Zustimmung seines Betreuers mehrfach eigenmächtig verlassen und weiteren Weisungen keine Folge geleistet hatte.

Die Maßregel wird seit dem 18. März 2003 vollzogen.

In der Folgezeit kam es zu mehreren Entweichungen, die jedoch entweder durch die baldige freiwillige Rückkehr des Beschwerdeführers oder seine Festnahme nur wenige Stunden später, ohne dass es während der Abgänge zu fremdgefährdenden Handlungen gekommen war, ihr Ende fanden. Im Fahndungsersuchen der Westfälischen Klinik Münster vom 13. August 2003 heißt es zur Gefährlichkeitseinschätzung: „keine aktuelle Fremdgefährdung“. Der Polizei in Münster hatte der behandelnde Klinikarzt Dr. M. laut Vermerk vom selben Tag auf telefonische Nachfrage erklärt, der Beschwerdeführer sei als „friedlich einzustufen und neige nicht zur Fremdgefährdung“.

In einem Schreiben vom 18. September 2003 an die Staatsanwaltschaft Dortmund berichtet Dr. M. zwar von einem Angriff des Beschwerdeführers auf einen Mitarbeiter, dieses Verhalten sei jedoch nicht als krankheitsbedingt einzustufen. Nähere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.

In der ebenfalls von Dr. M. unterzeichneten Stellungnahme der Klinik gem. § 67 e StGB vom 07. Januar 2004 wird die Diagnose einer Schizophrenie bei niedriger Intelligenz aufrechterhalten. Das Therapieziel sei noch nicht annähernd erreicht. Der bisherige Behandlungsverlauf sei ungünstig. Der Beschwerdeführer sei mehrfach entwichen, darüber hinaus sei es einmal zu Tätlichkeiten gegenüber Pflegepersonal und zu einem Diebstahl gekommen. Es werde die Fortführung der Maßregel empfohlen. Mit Beschluss vom 22. März 2004 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster daraufhin die Fortdauer der Unterbringung angeordnet.

Im Zuge einer weiteren Entweichung am 06. April 2004, die durch freiwillige Rückkehr am 10. April 2004 endete, hat der Betreuer des Beschwerdeführers einem polizeilichen Vermerk zu Folge die Eigen- und Fremdgefährdung als gering eingestuft.

Eine weitere Entweichung am 28. Juni 2004 endete am nächsten Tag. Wie zuvor sind aggressive Verhaltensweisen des Beschwerdeführers während der Zeit der Entweichung nicht bekannt geworden.

Die sehr knapp gehaltene erneute Stellungnahme der Klinik vom 28. Dezember 2004 gem. § 67 e StGB schließt mit der Empfehlung, die Unterbringung fortzuführen. Die Krankheitsprognose sei eher ungünstig einzuschätzen, „nachdem auch im zurückliegenden Berichtszeitraum Fehlverhalten mit mehrfachen Entweichungen und auch unkontrollierten, teils aggressiven Impulshandlungen zu berichten“ seien. Näheres wird dazu nicht mitgeteilt.

Bei seiner mündlichen Anhörung am 17. März 2005, an der auch der Betreuer und die Eltern des Beschwerdeführers sowie der behandelnde Klinikarzt Dr. M. teilgenommen haben, erklärte der Beschwerdeführer, er wolle entlassen werden.

Mit Beschluss vom 17. März 2005 hat die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung angeordnet und sich zur Begründung im wesentlichen die oben zitierten Ausführungen aus der Stellungnahme der Klinik vom 28. Dezember 2004 zu eigen gemacht.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seinem selbst gefertigten undatierten Schreiben, das rechtzeitig am 05. April 2005 bei dem Landgericht Münster eingegangen ist. Er habe sich mit seiner geschiedenen Frau und seinen Nachbarn vertragen und sehe keinen Grund mehr, länger in der Klinik zu bleiben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Der angefochtene Beschluss unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil entgegen § 140 Abs. 2 StPO analog kein Verteidiger mitgewirkt hat.

In Unterbringungssachen soll dem Betroffenen in der Regel ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 2005 - 4 Ws 2/05 -; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 140 Rdnr. 33 a m. w. N.; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 67 e Rdnr. 2 m. w. N.). Derartige besondere Umstände sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr gebietet das Krankheitsbild und die Persönlichkeit des Beschwerdeführers, dem der damalige Sachverständige Dr. R. in seinem schriftlichen Gutachten vom 19. Juli 2001 einen Gesamt-IQ von nur 76 attestiert hat, im vorliegenden Fall die Mitwirkung eines Verteidigers, vor allem bei der mündlichen Anhörung. Der von der Generalstaatsanwaltschaft geäußerten Auffassung, das Beschwerdeschreiben belege, dass der Beschwerdeführer trotz seiner intellektuellen Minderbegabung in der Lage sei, sein Anliegen dem Gericht angemessen zu unterbreiten, zumal in Gegenwart seines Betreuers und seiner Eltern, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Form und Inhalt des Schreibens lassen vielmehr eindeutig die Minderbegabung des Beschwerdeführers und seine darauf beruhende Unfähigkeit erkennen, sich in Anbetracht der medizinischen und juristischen Schwierigkeiten des vorliegenden Falles selbst sachgerecht zu verteidigen.

Der aufgezeigte Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Der Senat hält im Übrigen, bevor die Strafvollstreckungskammer erneut über die Fortdauer der Unterbringung entscheidet, die Einholung eines externen Sachverständigengutachtens zur Frage der von dem Beschwerdeführer gegebenenfalls ausgehenden Fremdgefährdung für angezeigt. Bislang sind im Verlaufe der Unterbringung k o n k r e t e Belege für die Neigung des Beschwerdeführers zu fremdaggressiven Verhaltensweisen nicht erbracht worden. Der behandelnde Klinikarzt spricht, wie oben ausgeführt, der Polizei gegenüber selbst davon, der Beschwerdeführer sei als friedlich einzustufen und neige nicht zur Fremdgefährdung. Auch der Betreuer des Beschwerdeführers teilt diese Einschätzung. Es ist daher nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher konkreter Vorkommnisse die Klinik und im Anschluss daran die Strafvollstreckungskammer im angefochtenen Beschluss zu der Mitteilung gelangen konnte, es seien unkontrollierte, teils aggressive Impulshandlungen aufgetreten.

Auf der Grundlage des einzuholenden Gutachtens wird die Strafvollstreckungskammer erneut, unter Beiordnung eines Pflichtverteidigers, über die Frage der Fortdauer der Unterbringung zu entscheiden haben.

III.
Da der Senat nicht abschließend entschieden hat, wird die Strafvollstreckungskammer auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben.


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