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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 447/04 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Anforderungen an die tatrichterlichen Ausführungen bei Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Urteil, Abänderung im Rechtsfolgenausspruch, Geldstrafe statt Freiheitsstrafe, keine ausreichende Begründung der kurzen Freiheitsstrafe, Tagessatz, Sachleistungen, Unerlässlichkeit, unerlässlich

Normen: StGB 47, StGB 46, StPO 354 Abs. 1 a S. 2, StGB 40 Abs. 2

Beschluss: Strafsache gegen A. A.,
wegen Diebstahls u.a.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Warburg vom 30. August 2004 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 24. November 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Leygraf als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht Duhme und Richterin am Landgericht Witte
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt Petlalski als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt Dr. Binder aus Bielefeld als Verteidiger,
Justizangestellte Heitkemper als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch abgeändert.
Der Angeklagte wird zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 1,- Euro verurteilt.
Die Kosten des Rechtsmittels sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Revisionsinstanz trägt die Landeskasse.

Gründe: I. Das Amtsgericht Warburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 30. August 2004 wegen Diebstahls in Tateinheit mit einem Verstoß gegen Aufenthaltsbeschränkungen zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte, ein Asylbewerber, wiederholt gegen die ihm erteilte Aufenthaltsbeschränkung verstossen, indem er sich am 24. Mai 2004 in Willebadessen-Peckelsheim, einem Ort außerhalb seiner auf den Kreis Saale-Orla beschränkten Aufenthaltsgestattung, aufgehalten hat. Dort hat er zudem zusammen mit einem unbekannten Mittäter in dem Radio-und Fernsehgeschäft N. zwei Handys im Wert von ca. 800,- Euro entwendet.
Zur Person des Angeklagten hat das Amtsgericht festgestellt, dass er ledig ist, keine Kinder hat und nicht vorbestraft ist. Sein Asylverfahren ist noch nicht abgeschlossen; derzeit erhält er von der Gemeinde Wurzbach monatlich 40,- Euro Taschengeld sowie Gutscheine im Gegenwert von 126,- Euro.
Der Angeklagte hat sich in dieser Sache nach vorläufiger Festnahme am 24. Mai 2004 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Warburg vom 25. Mai 2004 bis zum 30. August 2004 in Untersuchungshaft befunden.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt:
"Für den Angeklagten spricht hier, dass er bislang nicht vorbestraft ist. Strafschärfend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Tat hier gezielt geplant gewesen ist und nicht etwa aus einer Augenblickssituation heraus entstand. Zudem ist der Wert der entwendeten Güter auch als durchaus erheblich einzustufen. Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist das Gericht der Auffassung, dass zur notwendigen Einwirkung auf den Angeklagten und zur Verteidigung der Rechtsordnung hier eine Geldstrafe nicht mehr ausreichend ist. Vielmehr ist eine Freiheitsstrafe notwendig und unabdingbar. Diese erachtet das Gericht mit insgesamt vier Monaten als tat- und schuldangemessen."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere keine oder zumindest eine ungenügende Darlegung der Voraussetzungen des § 47 StGB. Ziel seiner Revision ist eine Verurteilung zu einer Geldstrafe, welche 90 Tagessätze nicht übersteigen soll.
Die Generalstaatsanwaltschaft teilt die Auffassung hinsichtlich der Sachrüge und hat beantragt, den Rechtsfolgenausspruch dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu jeweils 1,- Euro verurteilt wird.
II. Die zulässige und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision hat Erfolg.
Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils war abzuändern, da die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts einer rechtlichen Überprüfung nicht stand halten. Die Voraussetzungen des § 47 StGB sind nicht in ausreichendem Maß dargelegt.
Gemäß § 47 Abs.1 StGB verhängt das Gericht eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur, wenn es deren Verhängung aufgrund besonderer Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters für unerlässlich erachtet, wenn also unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention der Strafzweck zur Einwirkung auf den Täter durch eine Geldstrafe nicht oder kaum zu erreichen ist und aus diesem Grund eine Freiheitsstrafe unverzichtbar erscheint, um den Täter dazu zu bringen, in Zukunft nicht mehr straffällig zu werden (vgl BGHSt 24, 165). Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl BGH NStZ 1996, 429; BGH StV 1994, 370; OLG Hamm VRS 96, 191; OLG Hamm VRS 97, 410).
Im Rahmen der Strafzumessung müssen nicht sämtliche Gesichtspunkte, sondern nur die wesentlichen dargestellt werden müssen, um den in § 46 StGB insoweit festgelegten Anforderungen gerecht zu werden. Es ist auch nicht geboten, dass in den Urteilsgründen das Wort "unerlässlich" unbedingt genannt werden muss, wenn sich aus dem Zusammenhang der Strafzumessungserwägungen im übrigen ergibt, dass sich das Tatgericht den engen Voraussetzungen des Gesetzesbegriffs der Sache nach bewusst war und diesen seiner Entscheidung richtig zugrunde gelegt hat.
Insoweit wird das angefochtene Urteil den genannten Voraussetzungen allerdings nicht gerecht.
Denn die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht der besonderen Voraussetzungen des § 47 StGB für die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bewusst gewesen ist, da es hierzu an konkreten Ausführungen fehlt. Zwar hält das Amtsgericht die Freiheitsstrafe für unabdingbar, welches dem Wort "unerlässlich" entspricht. Allein der Bezug auf den Gesetzestext ersetzt jedoch nicht die Darlegung der besonderen Umstände in der Person oder in der Tat des Angeklagten. Dabei sind in der Regel gerade bei einem bislang nicht bestraften Täter erhöhte Anforderungen an die Begründung einer unter sechs Monate liegenden Freiheitsstrafe zu stellen. In den Fällen, in denen der Angeklagte zudem unmittelbar nach der Tat erstmals Freiheitsentzug in Form von Untersuchungshaft erlitten hat und sich weder die in den Urteilsgründen geschilderte Täterpersönlichkeit noch die Art der Tatbegehung einschließlich des Wertes der Tatbeute aus den alltäglich abzuurteilenden Strafsachen abheben, bedarf es zusätzlich einer Erörterung, warum auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht verzichtet werden kann.
Dass besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten liegen, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen, ist ebenfalls weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
III. Da nicht zu erwarten ist, dass bei einer erneuten Hauptverhandlung zusätzliche für die Strafzumessung relevante Feststellungen getroffen werden, hat der Senat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 a S. 2 StPO (n.F.) Gebrauch gemacht und die Rechtsfolge selbst herabgesetzt.
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungserwägungen, insbesondere des Umstandes, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, hält der Senat eine Geldstrafe für ausreichend. Diese war jedoch im Hinblick auf das geplante, gut vorbereitete Vorgehen des Angeklagten mit 100 Tagessätzen zu bemessen, welche insoweit tat- und schuldangemessen ist.
Die Höhe des einzelnen Tagessatzes hat der Senat auf das gesetzliche Mindestmaß von 1,- Euro festgesetzt, da bei dem Einkommen des Angeklagte lediglich das ihm zur Verfügung stehende Taschengeld in Höhe von 40,- Euro pro Monat berücksichtigt werden kann.
Zwar gehören zum Nettoeinkommen im Sinne des § 40 Abs. 2 S. 2 StGB grundsätzlich auch Sachbezüge, die sonst notwendige Aufwendungen für den Lebensunterhalt, wie freie Kost und Wohnung ersetzen (vgl Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 40 Rz 7; Schönke/Schröder-Stree, StGB, 26. Aufl., § 40 Rz 9; OLG Hamm NJW 1976, 1221), so dass sich vorliegend rechnerisch bei Berücksichtigung der Wertgutscheine ein Tagessatz in Höhe von 5,- Euro ergeben würde.
Das Nettoeinkommensprinzip kann aber nur als Ausgangspunkt für die Bemessung der Tagessatzhöhe genommen werden. Die Tagessatzhöhe ist vielmehr unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse insgesamt zu bestimmen. Bei gleichem Nettoeinkommen können diese Verhältnisse erhebliche Unterschiede aufweisen. Solchen Umständen ist durch eine unterschiedliche Tagessatzhöhe Rechnung zu tragen (vgl Schönke/Schröder-Stree, aaO, § 40 Rz 8; OLG Köln NJW 1977, 307), da anderenfalls die Gefahr einer entsozialisierenden Wirkung und damit einer zweckwidrigen Geldstrafe entsteht.
Bei den Einkommensverhältnissen des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass er seine ersparten Aufwendungen für Essen und Wohnung nicht kapitalisieren kann und ihm zudem eine Beschäftigung nicht gestattet ist, so dass dem Angeklagte ausschließlich sein Taschengeld zur Verfügung steht, um die Geldstrafe zu bezahlen. Ein Hinzurechnen des Betrages der Wertgutscheine sowie der ersparten Aufwendungen für die Unterkunft würde den Angeklagten ungleich härter treffen (vgl AG Lübeck, NStZ 1989, 75; AG Landau StV 1987, 298; Tröndle/Fischer, aaO, § 40 Rz 11), so dass hier ausnahmsweise lediglich auf die gemäß § 40 Abs.2 S.3 StGB vorgesehene Mindesthöhe von 1,- Euro für den einzelnen Tagessatz erkannt worden ist.


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