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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 12/05 OLG Hamm

Leitsatz: Im Rahmen der Würdigung von Indizien ist es nicht erforderlich ist, dass aufgrund der Indizienlage zwingend auf eine Täterschaft des Angeklagten zu schließen ist. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß denktheoretisch mögliche Zweifel nicht zulässt.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Beweiswürdigung, Indizienbeweise; Täterschaft; zwingender Schluß

Normen:

Beschluss: Strafsache
gegen B.D.
wegen Diebstahls

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 8. November 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 02. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Iserlohn zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Iserlohn hat mit dem angefochtenen Urteil den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20,- € verurteilt.
Der Tatrichter hat folgende Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen:

„Am Abend des 01. 05. 2004 besuchte der Angeklagte mit seiner Ehefrau die Gaststätte P. in Iserlohn. Dort fand zu dieser Zeit ein Dart-Turnier statt. Die Dart-Spieler, zu denen auch der Zeuge X. gehörte, hatten ihre Wertsachen auf den Tischen und auf der Theke abgelegt. In einem unbeobachteten Augenblick nahm der Angeklagte das Handy des Zeugen X., das auf der Theke lag, und steckte es ein. Anschließend verließ er mit seiner Ehefrau die Gaststätte. Als der Zeuge X. das Fehlen seines Handys bemerkte, verdächtigte er sofort den Angeklagten. Über die Taxi-Vereinigung erfuhr er, dass der Angeklagte und seine Ehefrau in einem Taxi in die Stadtmitte gefahren waren. Zusammen mit dem Zeugen Y. fuhr er gleichfalls in die Stadtmitte und suchte dort in verschiedenen Gaststätten nach dem Angeklagten, bis er ihn zufällig in der Gaststätte T. entdeckte. Als der Zeuge X. den Angeklagten auf den Diebstahl des Handys ansprach, ging dieser zur Toilette und versteckte das Handy in einem Spülkasten. Dort fand es kurze Zeit später der Gastwirt, der Zeuge A., und gab es dem Zeugen X. zurück.“

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Tatrichters beanstandet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie erkannt.

II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist als (Sprung-) Revision zulässig.
Der Angeklagte hat rechtzeitig Rechtsmittel eingelegt. Er hat dieses durch die bei dem Amtsgericht Iserlohn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist abgegebene Erklärung in zulässiger Weise als Sprungrevision gemäß § 335 StPO bezeichnet
(KK-Kuckein, StPO, 5. Aufl., § 335 Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 335 Rn. 3; BGH NJW 2004, 789f.) und frist- sowie formgerecht begründet.

III.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache zumindest vorläufig Erfolg.

Die auf die Sachrüge vorzunehmende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt zur Aufdeckung eines Rechtsfehlers zum Nachteil des Angeklagten.

Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar prüft das Revisionsgericht insoweit nur, ob die Beweiswürdigung Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweist, Verstöße gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse enthält oder die erhobenen Beweise nicht erschöpfend gewürdigt sind.
Das angefochtene Urteil enthält aber Lücken in der Darstellung. Aufgabe des Tatrichters ist es, in der Beweiswürdigung darzustellen, weswegen er zu den Feststellungen gelangt ist, die Grundlage der Entscheidung geworden sind. Dabei muss er die in der Hauptverhandlung benutzten Beweismittel erschöpfend würdigen, soweit sich aus ihnen bestimmte Schlüsse zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten herleiten lassen, sodass die Beweiswürdigung für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist. Die Beweiswürdigung muss sich überdies mit den wesentlichen Umständen auseinandersetzen, deren Erörterung sich aufdrängt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 04. März 2004 in 2 Ss 30/04 sowie Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., 2004, § 261 Rn. 6 und § 267 Rn. 12; BGHR, StPO § 261, Beweiswürdigung 11; BGH NStZ 1983, 133). Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung vorliegend nicht gerecht.

1. Allerdings tragen die Feststellungen, wie der Tatrichter in seinen Ausführungen zur Beweiswürdigung zutreffend darlegt hat, seine Auffassung, dass für den Diebstahl nur der Angeklagte oder seine Ehefrau als Täter in Betracht kommen, was auch die Möglichkeit einschließt, dass die Tat von beiden gemeinschaftlich begangen wurde. Dies ergibt sich aus der aufgrund der Angaben der Zeugen X. und Y. rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung, dass lediglich der Angeklagte und seine Ehefrau die Gaststätte P. verlassen hatten, bevor der Zeuge X. die Entwendung seines Handys bemerkte sowie dem späteren Auffinden des entwendeten Handys in der Gaststätte Taverne, wo sich, wie das Amtsgericht innerhalb der gebotenen Gesamtwürdigung ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt hat, lediglich der Angeklagte und seine Ehefrau als ehemalige Gäste des Lokals P. aufhielten. Zusätzlich weist hierauf, wie das Amtsgericht zutreffend anführt, der Umstand hin, dass das entwendete Handy von dem Zeugen Acikel in dem Spülkasten einer Toilette aufgefunden wurde, die der Angeklagte kurz Zeit zuvor aufgesucht hatte.

2. Andererseits beanstandet die Revision im Ergebnis zu Recht die weitere Überlegung des Amtsgerichts, aus dem Umstand, dass der Angeklagte das Handy später in der Toilette der Gaststätte Taverne versteckt hat, folge, dass er es zuvor in der Gaststätte P. entwendet habe.

Diese Schlussfolgerung hat der Tatrichter nicht rechtsfehlerfrei begründet, wenn es auch entgegen dem Revisionsvorbringen und der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft gerade nicht erforderlich ist, dass aufgrund der Indizienlage zwingend auf eine Täterschaft des Angeklagten zu schließen ist (vgl. BGH StraFo 2004, 241 ff.; Senatsbeschluss vom 04. Juni 2003 in 2 Ss 369/03, veröffentlicht unter , Suchmaschine, Stichwort: 2 Ss 369/03).

Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß denktheoretisch mögliche Zweifel nicht zulässt (vgl. BGH a.a.O.). Der Tatrichter ist überdies auch in Fällen schwieriger Beweiswürdigung nicht verpflichtet, sämtliche zur Überzeugungsbildung führende Beweisgründe und dabei mitspielende Umstände lückenlos im Urteil wiederzugeben.
Soweit Lücken in der Darstellung beanstandet werden, hat eine solche Rüge jedoch dann Erfolg, wenn naheliegende Gesichtspunkte nicht beachtet werden (vgl. Senats-beschluss a.a.O.).

So verhält es sich vorliegend. Der Umstand, dass der Angeklagte in der Gaststätte T., nachdem er dort zuvor von dem Zeugen X. auf den Diebstahl des Handys angesprochen worden war, dieses anschließend in einem Toilettenkasten versteckt hat, lässt, auch wenn die festgestellten Beweisanzeichen den Angeklagten erheblich belasten, neben einer Allein- oder Mittäterschaft des Angeklagten bei dem vorherigen Diebstahl auch die Möglichkeit zu, dass das Handy ohne seine Mitwirkung von seiner Ehefrau entwendet worden und zwischenzeitlich in seinen Besitz gelangt ist. In Betracht käme in diesem Fall eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Hehlerei.
Zwar war sich der Tatrichter der Möglichkeit einer alleinigen Täterschaft der Ehefrau des Angeklagten offensichtlich bewusst. Soweit er sich für berechtigt angesehen hat, diese Möglichkeit aufgrund des Versteckens des Handys durch den Angeklagten, dem nach den festgestellten Vorstrafen zudem Diebstahlstaten nicht wesensfremd sind, ausschließen zu können, entbehrt eine solche Schlussfolgerung aufgrund der mitgeteilten Feststellungen derzeit einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Eine solche Schlussfolgerung kann allein aus dem Verstecken der Diebesbeute nicht gezogen werden. Ob darüber hinaus Anhaltspunkte für eine Begehung des Diebstahls durch den Angeklagten als Allein- oder Mittäter bestehen, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Insbesondere enthalten diese, abgesehen von dem Verlassen der Gaststätte P. kurz vor dem Entdecken des Diebstahls keine nähere Angaben zu den Umständen, die den Zeugen X. veranlasst haben, den Angeklagten sogleich als Täter des Diebstahls zu verdächtigen. Mangels näherer Feststellungen dazu, können Anhaltspunkte für eine Allein- oder Mittäterschaft des Angeklagten auch nicht seinem Verhalten entnommen werden, dass er gezeigt hat, als er in der Gaststätte Taverne von dem Zeugen X. auf den Diebstahl angesprochen wurde.
Da der Tatrichter über den Gesichtspunkt des Versteckens des Handys hinaus keine weiteren Gründe anführt, die die Täterschaft des Angeklagten belegen, ist die Beweiswürdigung somit rechtsfehlerhaft.

IV.
Für die erneute Verhandlung weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Soweit die Einlassung des Angeklagten über ein schlichtes Bestreiten der Tat hinausgehen sollte, setzt die gebotene erschöpfende Beweiswürdigung ggf. auch eine nähere Auseinandersetzung mit seiner Einlassung voraus (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.). Vorstrafen sind, soweit sie strafschärfend berücksichtigt werden, so genau festzustellen, dass dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglicht ist, ob sie verwertbar sind und ob ihre Verwertung rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Andererseits genügt regelmäßig eine knappe Zusammenfassung derjenigen Gesichtspunkte, auf welchen die konkrete Verwertung für die Strafzumessung beruht (vgl. Tröndle/ Fischer, StGB, 52. Aufl., § 46 Rn. 38).

V.
Nach alledem war das angefochtene Urteil daher aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revisionen an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Iserlohn zurückzuverweisen.


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