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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss OWi 401/04 OLG Hamm

Leitsatz: Der Tatbestand ist sexuellen Missbrauchs eines Kindes ist dahin auszulegen, dass die Wahrnehmung durch das Kind die sexuelle Motivation der Handlung begründet

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: sexueller Missbrauch, subjektiver Tatbestand; sexuelle Motivation

Normen: StGB 176

Beschluss: In der Strafsache
gegen F.A.
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der IV, kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 13. Mai 2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 10. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die aufrechterhalten bleiben.
!m Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Gründe:
1.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 22. Oktober 2003 - unter Freispruch im übrigen - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt
Mit dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Essen vom 13. Mai 2004 wurde die vom Angeklagten eingelegte Berufung verworfen.
Das Landgericht hat dabei zum eigentlichen Tatgeschehen am 6.7.2002 folgende Feststellungen getroffen:
Die zur Tatzeit zwischen 10 und 13 Jahre alten Zeuginnen A, B und spielten am Vormittag des 6.7.2002 (Samstag) auf einer Wiese neben dem Kindergarten Fußball ( Zusammenfassung erfolgt durch den Senat) . "Dabei liefen die drei Mädchen auch einmal ... zu dem in der Nähe befindlichen, an die Wiese angrenzenden Kindergarten, der zu der angrenzenden Kirche gehört. Der Kindergarten wird in diesem Bereich durch einen Zaun, der ungefähr 1,20 Meter hoch ist, abgegrenzt. Die drei Zeuginnen sahen jetzt eine männliche Person, die über diesen Zaun kletterte und sich in dem Bereich des Kindergartens dann aufhielt. Diese männliche Person trug eine Radlerhose, ein T-Shirt und ein Kopftuch, eine Tüte hatte er in einer Hand.
Diese männliche Person war der Angeklagte.
Er trug eine kurze graue Radlerhose und ein dazu passendes hellgraues T - Shirt, ferner hatte er die vorgenannte Plastiktüte bei sich........ Möglicherweise auf Grund des noch vorhandenen Restalkohols war dem Angeklagten .., die Idee gekommen, .... die in der Nähe seiner Wohnung befindliche, vorstehend im einzelnen beschriebene Fläche aufzusuchen, um dort dann seine Radlerhose -er trug keine Unterhose darunter herunterzuziehen und in der Öffentlichkeit zu onanieren. Er kannte diese Örtlichkeit und nahm es in Kauf, dass ihm Kinder bei seinem öffentlichen Onanieren zusehen könnten bzw. würden.
Möglicherweise war dies für ihn sogar noch ein Anreiz, öffentlich zu onanieren.
Die drei Mädchen, die Zeuginnen A, B und C, die inzwischen auf den Angeklagten aufmerksam geworden waren, hielten sich in der Nähe, im Bereich des dort befindlichen schmalen Buschwerkes auf, um den Angeklagten und dessen Tun zu beobachten.
Alle drei bemerkten jetzt, dass der Angeklagte, nachdem er über den Zaun des Kindergartens -wie vorstehend dargestellt -geklettert war, sich auf eine dort befindliche Bank zunächst gesetzt hatte, möglicherweise aber auch bald darauf auf die dort befindliche Wiese.
Der Angeklagte hatte die drei Mädchen zunächst, in den ersten Augenblicken noch nicht bemerkt.
Er zog jetzt in Ausführung seines zuvor gefassten Entschlusses, öffentlich zu onanieren, seine Radlerhose über die Knie herunter, so dass sein Glied ...nun entblößt war.
Dies sahen und bemerkten insbesondere die Zeuginnen A und B.
Weil alle drei Mädchen neugierig waren, näherten sie sich gemeinsam dem Angeklagten.
Dieser nahm jetzt spätestens sein nacktes Glied in die Hand, rieb mit seinen Händen an seinem nackten Glied hin und her, er onanierte. Während dieses Onaniervorganges, der nicht nur kurze Zeit dauerte, blickte er auch umher. Bei diesem Umherblicken bemerkte er die Zeuginnen A. und B. Er hatte mit beiden Mädchen und Zeuginnen zumindest einen kurzen Blickkontakt.
Nachdem der Angeklagte den Onaniervorgang beendet hatte,... hörte er mit der Manipulation an seinem nackten Glied auf, zog seine Radlerhose halb hoch, verließ den Kindergarten, indem er erneut über den dort befindlichen Zaun kletterte, und ging zu einem in der Nähe, auf der Wiese befindlichen Stein und setzte sich auf diesen.
Er holte jetzt aus der Plastiktasche, die er bei sich führte, eine Tube heraus und cremte sich mit dem Inhalt aus dieser Tube sein nacktes Glied ein.
In diesem Augenblick standen die drei Mädchen in dem in der Nähe befindlichen Buschwerk, ungefähr zehn bis fünfzehn Meter von dem Angeklagten entfernt....."

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die zulässige Revision hat auf die Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen in diesem Umfang.
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen - zumindest bisher - eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauches von Kindern im Sinne der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 176 Abs. 3 StGB nicht.
Das Landgericht hat objektiv die Vornahme einer eindeutigen erheblichen sexuellen Handlung in Anwesenheit von Kindern, die diesen Vorgang wahrgenommen haben, rechtsfehlerfrei festgestellt.
Demgegenüber tragen die Feststellungen zur subjektiven Seite eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht.
Das Landgericht hat zwar im Ansatz richtig erkannt, dass nach dem Wortlaut dieser Vorschrift in subjektiver Hinsicht nur noch Vorsatz betreffend der sexuellen Handlung, des Alters des Kindes und der Wahrnehmbarkeit durch das Kind erforderlich ist und nicht mehr wie in der bis zur Einführung des 6. StRG geltenden Fassung die Absicht des Täters, sich selbst, das Kind oder einen Dritten sexuell zu erregen.
Der Grund des Wegfalls der Absichtserfordernis lag aber nicht in der Intention des Gesetzgebers begründet, den Anwendungsbereich der Vorschrift massiv zu erweitern, sondern darin, dass der Gesetzgeber durch die Änderung des § 176 StGB Spannungen im Verhältnis zum neuen Verbrechenstatbestand des § 176 a Abs. 2 StGB, der einheitlich auf eine andere Absicht, nämlich die Absicht der Verbreitung im Sinne des § 184 Abs. 3, 4 StGB abstellt, zu vermeiden (BT-Drucksache 13/9064 S,11). Augenscheinlich ging der Gesetzgeber davon aus, dass derjenige, der in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift im Sinne von § 176 a Abs. 2 StGB zu machen und damit kommerziell zu nutzen, nicht notwendig auch in der Absicht handelt, sich selbst, das Kind oder einen Dritten sexuell zu erregen. Daher sollte allenfalls eine Erweiterung der Strafbarkeit im Sinne des § 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB insoweit eintreten, als der Täter, der in der Absicht handelte, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift zu machen, nicht zusätzlich in der Absicht handeln musste, sich, ein Kind oder einen Dritten sexuell zu erregen.
Die seit der Gesetzesänderung im sechsten Strafrechtsreformgesetz tatsächlich bestehende Formulierung des § 176 Abs. 3 StGBerfasst nunmehr aber auch sozialadäquate Verhaltensweisen wie zum Beispiel den innigen Kuss der Eltern vor den Augen eines Säuglings (S/S-Lenckner/Perron § 176 Rn 17; SK-Horn/Wolters § 176 Rn.16, Renzikowski NStZ 1999, 440), da nach der obergerichtlichen Rechtssprechung die bloße optische und akustische Wahrnehmung des sexuellen Vorgangs durch das Kind ausreicht, ohne dass das Kind sich des sexuellen Bezugs bewusst werden muss ( BGHSt 30, 144; 38, 68).
Zur Vermeidung dieser Überkriminalisierung ist unter Zugrundelegung der vorgenannten gesetzgeberischen Intention und des Schutzzweckes der Vorschrift, nämlich die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern sicherzustellen ( BGHSt 38, 68, 69; 45, 131, 132) der Gesetzeswortlaut des § 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB a.F. und § 176 Abs. 4 Nr, 1 StGB n.F. im Sinne einer teleologischen Reduktion einengend dahin auszulegen, dass der Täter das Opfer zumindest derart mit in seine sexuelle Handlung einbeziehen muss, dass gerade die Wahrnehmung durch das Kind für ihn einen ausschlaggebenden Umstand darstellt, mithin die sexuelle Motivation seiner Handlung begründet ( OLG Stuttgart NStZ 2002, S.34; S/S-Lenckner/Perron § 184 c Rn. 23; Tröndle/Fischer, 52 Aufl. § 184 f Rn.9, SK-Horn/Wolters § 176 Rn.16; Bussmann in StV 1999, 613, 619; ). Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Täter im Beisein eines Kindes an sich selbst sexuelle Handlungen vornimmt, die Tatsache dass das Kind dies wahrnimmt für ihn jedoch keine Bedeutung hat (S/S Lenckner/Horn aa0; OLG Stuttgart aa0).
Unter Zugrundelegung dieser einengenden Auslegung des § 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB a.F. reichen die Feststellungen des Landgerichts zur subjektiven Seite nicht aus, den Vorsatz des Angeklagten im Sinne dieser Vorschrift zu bejahen.
Soweit das Landgericht ausgeführt hat, der Angeklagte habe es in Kauf genommen, dass ihm Kinder bei seinem öffentlichen Onanieren zusehen könnten bzw. würden und dies möglicherweise für ihn sogar noch ein Anreiz, war, öffentlich zu onanieren, ist damit keinesfalls belegt, dass der Angeklagte die Kinder derart in seine sexuelle Handlung einbezogen hat, dass gerade die Wahrnehmung durch die Kinder für ihn einen entscheidenden Faktor darstellte. Vielmehr stellt das Landgericht fest,dass die Anwesenheit der Kindern nur ein möglicher Anreiz war, öffentlich zu onanieren, nicht dagegen die erforderliche sexuelle Motivation seiner Handlung.
Die sachlich-rechtlichen Mängel des Urteils führen im angefochtenen Umfang zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen, welche auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat. Eine eigene Sachentscheidung des Senats ist aufgrund der noch zu treffenden Feststellungen nicht veranlasst.


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