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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 376/04 OLG Hamm

Leitsatz: Geht das Berufungsgericht bei der Verurteilung des Angeklagten von einem geringeren Schuldumfang als das Amtsgericht aus, so hat es, wenn es dieselbe Strafe wie das Amtsgericht verhängt, die Gründe dafür darzulegen

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Strafzumessung; geringerer Schuldumfang; Berufungsgericht; Erörterung in den Urteilgründen; Verfahrensverzögerung;

Normen: StPO 267; StPO 261

Beschluss: Urteil

4 Ss 376/04 OLG HammVerkündet am 3. November 2004
4 Ns 21 Js 188/01 LG DetmoldJustizangestellte
4 Ls 21 Js 188/01 AG Detmold als Urkundsbeamter der Geschäfts-

  1. des Oberlandesgerichts

Strafsache
gegen V.C.,
wegen Betruges u.a..

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 2. Juni 2004 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 03. 11. 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht,
als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht und
Richter am Oberlandesgericht
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Das Urteil des Landgerichts Detmold vom 2. Juni 2004 wird - unter Verwerfung der Revision im Übrigen - im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen, welche auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Detmold - erweitertes Schöffengericht - hat den Angeklagten wegen Betruges in 39 Fällen, davon in 23 Fällen in Tateinheit mit Untreue, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren drei Monaten verurteilt und dabei in zwei Fällen der Untreue einen besonders schweren Fall angenommen. Die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil hat die Strafkammer mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Betruges in 23 Fällen und wegen Unterschlagung in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt bleibt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zunächst beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen.
Nunmehr beantragt die Generalstaatsanwaltschaft,
das Urteil des Landgerichts Detmold vom 2. Juni 2004 - unter Verwerfung der Revision im Übrigen - im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen.

II.
Das Rechtsmittel hat lediglich einen (zumindest vorläufigen) Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet.

1. Soweit die Revision sich mit der allgemeinen Sachrüge gegen den Schuldspruch wendet und die Aufhebung des Urteils insgesamt erstrebt, war sie als unbegründet zu verwerfen. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten im Umfange des landgerichtlichen Urteilstenors.

2. Auch die Rüge der Verletzung des § 261 StPO führt nicht zur Aufhebung des Schuldspruchs. Die Rüge des Angeklagten, die die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 6. Oktober 2004 für gerechtfertigt gehalten hat, das Gericht habe in seinem Urteil ein Beweismittel verwertet, welches nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sei, dringt nicht durch. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Rüge der Verletzung des § 261 StPO nur dann erfolgreich sein, wenn ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme der Nachweis geführt werden kann, dass die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel und nicht durch Vorgänge gewonnen worden sind, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehören (BGH NStZ-RR 1998, 17). Die Rüge des Angeklagten, das Gericht habe schriftliche Angaben der geschädigten Zeugen in der Beweiswürdigung berücksichtigt, die nicht Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen seien, kann hier nur durch eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme belegt werden, was jedoch im Revisionsverfahren ausgeschlossen ist (BGH NStZ-RR 1998, 17). Allein dadurch, dass das Protokoll nicht die Verlesung der schriftlichen Angaben geschädigter Zeugen ausweist, kann der Nachweis, diese Angaben seien nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen, nicht geführt werden. Denn die schriftlichen Zeugenaussagen können dem Angeklagten vom Vorsitzenden vorgehalten worden sein. Im Protokoll ist festgehalten worden, dass der Angeklagte zur Sache ausgesagt hat. Im Rahmen der Aussage des Angeklagten und der entsprechenden Vernehmung durch den Vorsitzenden kann ein solcher Vorhalt erfolgt sein. Der Angeklagte kann diese schriftlichen Angabe der Zeugen als richtig bestätigt haben.

3. Der Rechtsfolgenausspruch hält demgegenüber einer rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht Stand.

Die Strafkammer hat zur Strafzumessung Folgendes ausgeführt:

„Bei der Strafzumessung hat die Kammer von der Strafmilderungsmöglichkeit nach §§ 21, 49 StGB Gebrauch gemacht, da nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. S. nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei dem Angeklagten zur Tatzeit eine schwere andere seelische Abartigkeit, nämlich ein pathologisches Spielen von Krankheitentwert vorlag, wodurch die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert war.

Die Kammer hat somit jeweils den sich aus § 246 Abs. 1 und § 263 Abs. 1 StGB ergebenden Strafrahmen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert.

Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Angeklagte schon in seiner Selbstanzeige vom 14. Februar 2001 und auch in diesem Verfahren ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Er hat damit nicht nur seine Bereitschaft gezeigt, die Verantwortung für seine Taten übernehmen zu wollen. Er hat dadurch auch das gesamte Verfahren wesentlich erleichtert und den Zeugen ein Erscheinen zu den Hauptverhandlungsterminen erspart. Er hat durch Angaben gegenüber der Versicherung dafür gesorgt, dass die Kunden keine größeren Probleme wegen der nicht weitergeleiteten Prämien bekamen. Der Angeklagte sieht das Unrecht seiner Taten ein und bereut sie aufrichtig. Strafmildernd ist auch berücksichtigt worden, dass die Taten schon lange zurückliegen und das überlange Verfahren sich als eine erhebliche Belastung für den Angeklagten darstellt. Weiterhin ist zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt worden, dass er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.

Strafschärfend ist berücksichtigt worden, dass der Angeklagte die Taten über einen langen Zeitraum begangen und insgesamt einen erheblichen Schaden angerichtet hat. Er hat teilweise auch das Vertrauen von Freunden und guten Bekannten missbraucht.

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und unter Berücksichtigung des gesamten Tatbildes hat die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- -und schuldangemessen, wobei die Differenzierung an der Schadenshöhe vorgenommen wurde und auch die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen nach § 47 StGB zur Einwirkung auf den Angeklagten unerläßlich sind. Die Verhängung von Geldstrafen würden insoweit der Schuld des Angeklagten nicht gerecht.

- im Fall 1.eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten
- im Fall 2.eine Freiheitsstrafe von neun Monaten
- im Fall 3.eine Freiheitsstrafe von drei Monaten
- im Fall 4.eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten
- im Fall 5.eine Freiheitsstrafe von einem Monat
- im Fall 6.eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten
- im Fall 7.eine Freiheitsstrafe von neun Monaten
- im Fall 8 und 9.eine Freiheitsstrafe von jeweils einem Monat
- im Fall 10.eine Freiheitsstrafe von neun Monaten
- im Fall 11. bis 15.eine Freiheitsstrafe von jeweils drei Monaten
- im Fall 16.eine Freiheitsstrafe von einem Monat
- im Fall 17.eine Freiheitsstrafe von neun Monaten
- im Fall 18. und 19eine Freiheitsstrafe von jeweils sechs Monaten
- im Fall 20.eine Freiheitsstrafe von einem Jahr
- im Fall 21.eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten
- im Fall 22.eine Freiheitsstrafe von einem Monat
- im Fall 23.eine Freiheitsstrafe von neun Monaten
- im Fall 24. und 25.eine Freiheitsstrafe von jeweils sechs Monaten
- im Fall 26. und 27.eine Freiheitsstrafe von jeweils neun Monaten
- im Fall 28.eine Freiheitsstrafe von einem Jahr
- im Fall 29.eine Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten
- im Fall 30.eine Freiheitsstrafe von neun Monaten
- im Fall 31. bis 33.eine Freiheitsstrafe von jeweils einem Monat
- im Fall 34. bis 36.eine Freiheitsstrafe von jeweils drei Monaten
- im Fall 37. bis 38.eine Freiheitsstrafe von jeweils einem Monat
- im Fall 39.eine Freiheitsstrafe von drei Monaten

Aus diesen Einzelstrafen hat die Kammer nach nochmaliger eingehender Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Gesamtfreiheitsstrafe von

drei Jahren drei Monaten

gebildet. Eine geringere Strafe würde dem Maß der Schuld des Angeklagten nicht gerecht werden.“

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in der Stellungnahme vom 17. September 2004 zum Rechtsfolgenausspruch des Landgerichts u.a. wie folgt Stellung genommen:

„Das Urteil des Landgerichts Detmold verstößt gegen § 267 Abs. 3 StPO. Geht das Berufungsgericht bei der Verurteilung des Angeklagten von einem geringeren Schuldumfang als das Amtsgericht aus, so hat es, wenn es dieselbe Strafe wie das Amtsgericht verhängt, die Gründe dafür darzulegen (zu vgl. Beschluss des OLG Hamm vom 13.04.1993 - 3 Ss 209/93 -). Ändert das Berufungsgericht den Schuldspruch mit der Folge, dass nunmehr nur ein niedrigerer Strafrahmen zur Verfügung steht, dann bedarf die Beibehaltung der Rechtsfolgenentscheidung einer eingehenden Begründung (zu vgl. Beschluss des OLG Zweibrücken vom 25.05.1992, 1 Ss 85/92). Der Angeklagte hat einen Anspruch darauf zu erfahren, warum er für ein geringeres Vergehen nun gleich hoch bestraft wird. Andernfalls kann die spezialpräventive Wirkung der Verurteilung von vornherein in Frage gestellt sein; auch bei einem verständigen Angeklagten könnte andernfalls der Eindruck entstehen, dass die Strafe nicht nach gesetzlich vorgesehenen oder sonst allgemein gültigen objektiven Maßstäben bestimmt worden ist (zu vgl. OLG Köln, NJW 1986, S. 2328;
MDR 1982 S. 1031).

Das erweiterte Schöffengericht hat den Angeklagten erstinstanzlich wegen Betruges in 39 Fällen, davon in 23 Fällen in Tateinheit mit Untreue, wobei es sich in zwei Fällen um einen besonders schweren Fall des Betruges handelte, jeweils begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Das Berufungsgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 23 Fällen und wegen Unterschlagung in 16 Fällen, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, ebenfalls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Somit wendet das Berufungsgericht hinsichtlich der Unterschlagung in 16 Fällen, durch Zugrundelegung des Strafrahmens aus §§ 246 Abs. 1, 21, 49 StGB einen gegenüber dem Strafrahmen des Betruges aus §§ 263, 21, 49 StGB deutlich niedrigeren Strafrahmen an. Gleiches gilt für die beiden Taten, die das Berufungsgericht entgegen der Auffassung des erweiterten Schöffengerichts als einfachen Betrug und nicht als besonders schweren Fall des Betruges bewertete. Trotz dieser unterschiedlichen rechtlichen Bewertung erkannte das Berufungsgericht auf dieselbe Gesamtfreiheitsstrafe, ohne dies, wie es erforderlich gewesen wäre, besonders zu begründen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt der Senat sich an.

III. Das angefochtene Urteil war daher unter Verwerfung der Revision im Übrigen im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 a S. 1 StPO keinen Gebrauch gemacht, da die Urteilsgründe hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen weiteren Rechtsfehler enthalten. Die Strafkammer hat zwar die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer strafmildernd zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, jedoch sind im Urteil nicht Art und Ausmaß der Verzögerung sowie deren Ursache konkret festgestellt. Zudem hätte in einem zweiten Schritt das Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret bestimmt werden müssen (vgl. hierzu Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 46 Rdnr. 62 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Da bereits Art und Ausmaß der Verzögerung vom Landgericht nicht festgestellt worden sind, konnte der Senat nicht bewerten, ob die verhängte Rechtsfolge insgesamt angemessen ist.


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