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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 VAs 40/04 OLG Hamm

Leitsatz: Geht es um die Zurückstellung einer Gesamtfreiheitsstrafe nach § 35 BtMG, ist entscheidend, ob der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der abgeurteilten und einbezogenen Straftaten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde.

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Zurückstellung, Strafvollstreckung; Betäubungsmittelabhängigkeit; Kausal, Gesamtstrafenbeschluss

Normen: BtMG 35

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend B.A.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 7. Juli 2004 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Köln vom 23. April 2004 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Köln vom 18. Juni 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 09. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Der Geschäftswert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:
I.
Der Betroffene ist seit 1991 insgesamt 19 Mal im wesentlichen wegen Verkehrsvergehen und Diebstahlstaten verurteilt worden. Teilweise liegen den Verurteilungen aber auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zugrunde. In vorliegender Sache wurde der Betroffene mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 24. April 2002, rechtskräftig seit dem 3. Mai 2002, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässigem Führen eines Kraftfahrzeugs unter Betäubungsmitteleinfluss zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt (702 Ds 400 Js 480/01 - 359/01 AG Köln). Nach den Urteilsgründen hatte der Betroffene, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein, am 3. April 2001 unter Heroin- und Medikamenteneinfluss stehend in fahruntüchtigem Zustand einen PKW im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Mit Urteil vom 12. Juni 2002 (401 Js 236/02 V 702 Ds 177/02 -), rechtskräftig seit dem 27. Februar 2003, sprach das Amtsgericht Köln den Betroffenen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig und verhängte gegen ihn eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Betroffene am 19. Februar 2002 erneut einen PKW im öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein. Am 26. Juni 2002 verurteilte wiederum das Amtsgericht Köln den Betroffenen wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten (140 Js 68/02 702 Ds 181/02 -). Nach den zugrunde liegenden Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Betroffene im September/Oktober 2001 an einem PKW, der bereits geraume Zeit nicht mehr zugelassen war, ein gestohlenes Siegel der Stadt Köln angebracht, um dieses Fahrzeug anschließend weiterhin im öffentlichen Straßenverkehr nutzen zu können. Die zuletzt genannte Verurteilung ist seit dem 27. Februar 2003 rechtskräftig. Mit Beschluss vom 4. September 2003, rechtskräftig seit dem 31. Januar 2004, hat das Amtsgericht Köln in vorliegender Sache die in den Urteilen des Amtsgerichts Köln vom 24. April, 12. Juni und 26. Juni 2002 verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zusammengefasst.

Aus weiteren Verurteilungen in anderer Sache, die das Amtsgericht Köln wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und ohne Versicherungsschutz bzw. wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis am 8. Januar 2003 und am 11. Juni 2003 ausgesprochen hatte, bildete das Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 9. Februar 2004 (140 Js 358/02 702 Ds 329/02) eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Diese Gesamtfreiheitsstrafe in anderer Sache hat der Betroffene, der sich seit dem 19. August 2003 in Strafhaft befindet, bis zum 27. März 2004 zu 2/3 verbüßt. Seit dem 28. März 2004 verbüßt er die mit Beschluss vom 4. September 2003 in vorliegender Sache verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. 2/3 dieser Strafe werden am 25. März 2005 vollstreckt sein. Strafende ist insoweit auf den 25. September 2005 notiert. Danach sollen die Reststrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss vom 9. Februar 2004 (bis zum 25. Januar 2006) und daran anschließend eine Restfreiheitsstrafe von 88 Tagen aus einer Verurteilung vom 25. Oktober 1996 vollstreckt werden. Das Strafende ist auf den 23. April 2006 notiert.

Mit Schreiben vom 2. April 2004 hat der Betroffene in vorliegender Sache beantragt, die Vollstreckung der von ihm derzeit verbüßten (Gesamt-) Freiheitsstrafe gemäß § 35 BtMG zurückzustellen. Mit Entschließung der Staatsanwaltschaft Köln vom 23. April 2004 ist sein Gesuch mit der Begründung zurückgewiesen worden, es fehle an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Drogenabhängigkeit und den der Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten. Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene mit Schreiben vom 3., 9. und 27. Mai 2004 Beschwerde erhoben und geltend gemacht, die abgeurteilten Straftaten, insbesondere die Benutzung des Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr, hätten der Finanzierung seines Lebensunterhalts einschließlich des Drogenkonsums und der Beschaffung von Drogen bzw. Ersatzdrogen gedient. Die Taten seien daher sehr wohl aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit des Verurteilten, der seit 15 Jahren drogenabhängig sei, begangen worden.

Der Generalstaatsanwalt in Köln hat die Einwendungen des Betroffenen mit Bescheid vom 18. Juni 2004 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Kausalität zwischen der geltend gemachten Betäubungsmittelabhängigkeit und den vom Gesamtstrafenbeschluss vom 4. September 2003 betroffenen Straftaten sei nicht zu erkennen. Die Betäubungsmittelabhängigkeit habe die Straftaten lediglich begleitet.

II.
Der dagegen vom Betroffenen in zulässiger Weise angebrachte Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß den §§ 23 ff. EGGVG hat in der Sache keinen Erfolg. Die Vollstreckungsbehörde ist nach ausreichender Würdigung des von ihr hinreichend vollständig ermittelten Sachverhalts zu der rechtsfehlerfreien Auffassung gelangt, dass die Voraussetzungen des § 35 BtMG für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung in vorliegender Sache nicht vorliegen, weil es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Betroffenen und den dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 4. September 2003 zugrunde liegenden Straftaten fehlt.

Ein solcher Kausalzusammenhang ist nur dann gegeben, wenn die Betäubungsmittelabhängigkeit, von der hier auszugehen ist, nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Straftat(en) als Folge entfiele(n). Die Zurückstellung gemäß § 35 BtMG kann deshalb nicht für alle Straftaten von Drogenkonsumenten bzw. Drogenabhängigen in Betracht kommen, wenn diese Taten nur anlässlich, nicht aber aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden (zu vgl. Senatsbeschluss vom 10. Februar 2004 - 1 VAs 59/03 -; Körner, BtMG, 5. Aufl., § 35 Rdnr. 46 m.w.N.). Der danach erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Drogenabhängigkeit und den in Rede stehenden Straftaten wäre nur dann gegeben, wenn die Straftaten unmittelbar oder mittelbar zur Beschaffung von Drogen, die der Befriedigung der Drogensucht dienten, begangen worden wären. Geht es, wie im vorliegenden Fall, um die Zurückstellung einer Gesamtfreiheitsstrafe nach § 35 BtMG, ist entscheidend, ob der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der abgeurteilten und einbezogenen Straftaten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde, mithin im o.g. Sinne durch die Betäubungsmittelabhängigkeit des Verurteilten bedingt ist (vgl. Körner, a.a.O., § 35 Rdnr. 52). Davon kann vorliegend jedoch, wie der Generalstaatsanwalt in Köln in seinem Beschwerdebescheid vom 18. Juni 2004 zutreffend ausgeführt hat, nicht ausgegangen werden.

Aus den Gründen der Urteile des Amtsgerichts Köln vom 24. April, 12. Juni und 26. Juni 2002, die Grundlage des Gesamtstrafenbeschlusses des Amtsgerichts Köln vom 4. September 2003 sind, ergibt sich nicht, dass der Betroffene die zugrunde liegenden Straftaten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat. In den Gründen der beiden zuletzt genannten Urteile wird eine Drogenproblematik des Betroffenen in keiner Weise angesprochen. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln vom 23. Juli 2001 in dem Verfahren 400 Js 480/01, auf die in dem (abgekürzten) Urteil des Amtsgerichts Köln vom 24. April 2002 verwiesen wird, ist lediglich ausgeführt, dass der Betroffene nach dem Konsum von Heroin bzw. Morphin am 3. April 2001 in betäubungsmittelbedingt fahruntüchtigem Zustand einen PKW auf öffentlichen Straßen in Köln geführt hat, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein. Dass diese Fahrt mittelbar oder unmittelbar der Beschaffung von Drogen oder der Finanzierung des Drogenkonsums des Betroffenen diente oder in sonstiger Weise durch eine Betäubungsmittelabhängigkeit des Betroffenen bedingt war, ist dem Urteil vom 24. April 2002 und der in den Urteilsgründen in Bezug genommenen Anklageschrift nicht zu entnehmen.

Auch nach dem Akteninhalt liegen erhebliche Anhaltspunkte für einen Kausalzusammenhang zwischen der Betäubungsmittelabhängigkeit des Betroffenen und den hier in Rede stehenden Straftaten nicht vor. Hinsichtlich der mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 24. April 2002 abgeurteilten Verkehrsstraftat, mit der der Betroffene tateinheitlich die Tatbestände des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und des § 316 StGB verwirklicht hat, stand der Betroffene zwar während der zugrunde liegenden Fahrt mit dem PKW unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln (Heroin- oder Morphinkonsum). Dass der vorangegangene Betäubungsmittelkonsum zumindest mitursächlich für den zuvor gefassten Entschluss zur Durchführung dieser Fahrt war, lässt sich dem Akteninhalt jedoch ebenso wenig entnehmen wie ein etwaiger, auf die Befriedigung der Drogensucht des Betroffenen oder deren Finanzierung gerichteter Fahrtzweck. Weder bei seiner polizeilichen Vernehmung am Tattage, noch in der Hauptverhandlung vom 24. April 2002 hat der Betroffene einen derartigen Zusammenhang aufgezeigt. Entsprechendes gilt für das mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 12. Juni 2002 abgeurteilte Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Was die Verurteilung vom 26. Juni 2002 betrifft, ist weder ersichtlich noch dargetan, auf welche Weise die von dem Betroffenen begangene Urkundenfälschung (durch Entfernen eines amtlichen Prüfsiegels und anschließende Befestigung auf dem amtlichen Kennzeichen des von dem Betroffenen genutzten Kraftfahrzeugs) mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Betroffenen kausal verknüpft sein soll. Insoweit zeigt der Betroffene weder in seinen Beschwerdeschriften noch in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung den nach § 35 BtMG erforderlichen Kausalzusammenhang auf. Soweit der Betroffene in seinem Beschwerdevorbringen geltend macht, sämtliche Straftaten hätten sowohl der Finanzierung des Lebensunterhalts als auch der Beschaffung von Drogen bzw. Ersatzdrogen gedient, wird die diesbezügliche pauschale Behauptung des Betroffenen durch den Akteninhalt, insbesondere durch frühere Einlassungen des Betroffenen zu den in Rede stehenden Straftaten, nicht gestützt. Gleiches gilt für die in der Antragsschrift vom 7. Juli 2004 und damit erstmals im gerichtlichen Verfahren aufgestellte Behauptung des Betroffenen, er sei bei den jeweiligen Fahrten mit dem PKW unterwegs gewesen, um mit Drogen zu dealen. Im Übrigen konnte die Strafvollstreckungsbehörde bei ihrer angefochtenen Entscheidung diese erstmals im gerichtlichen Verfahren aufgestellte und damit nachgeschobene Behauptung des Betroffenen, die im Übrigen nicht belegt ist, bei ihrer von dem Betroffenen angefochtenen Entscheidung naturgemäß noch nicht berücksichtigen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war somit als unbegründet zu verwerfen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.


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