Aktenzeichen: 2 Ss 178/04 OLG Hamm
Leitsatz: Auf vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr kann in der Regel nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden.
Senat: 2
Gegenstand: Revision
Stichworte: Trunkenheit im Verkehr; hohe BAK; Trunkenheitsfahrt; Fahrlässigkeit
Normen: StGB 316; StPO 267; StPO 261
Beschluss: Strafsache
gegen H.H.
wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 20. Januar 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 21. 07. 2004, an der teilgenommen haben:
für R e c h t erkannt:
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Lüdenscheid hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf das Strafmaß beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil verworfen. Hiergegen wendet sich nunmehr noch der Angeklagte mit seiner auf die nicht näher ausgeführte Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel mit der Maßgabe zu verwerfen, dass der Angeklagte wegen eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig ist.
II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft tragen die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts noch die Verurteilung des Angeklagten wegen einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 StGB. Das Landgericht konnte daher diese tatsächlichen Feststellungen zur Grundlage seiner Verwerfungsentscheidung machen. Eine Abänderung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch in der von der Generalstaatsanwaltschaft beantragten Form kam daher, da dieser durch die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß in Rechtskraft erwachsen ist, nicht in Betracht.
Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen.
Der Angeklagte hatte am 07.07.2003 erheblich dem Alkohol zugesprochen, so dass er um 0:55 Uhr am 08.07.2003 bei einem Alkoholgehalt von 1,98 Promille absolut fahruntüchtig war. Trotzdem verfiel er auf den Einfall, mit dem Motorroller der Marke Piaggio (Kennzeichen XXXXXXX) über öffentliche Straßen in Lüdenscheid, unter anderem die Bahnhofstraße zu fahren, um seinen Roller am Bahnhof abzustellen, weil er sich zuvor darüber geärgert hatte, dass mehrfach der Spiegel an seinem Roller abgebrochen worden war, nachdem er den in der Stadt geparkt hatte. Der Angeklagte wusste, dass er Alkohol getrunken hatte und dass er nicht mehr fahrfähig sein werde. Er vertraue darauf, der Polizei nicht aufzufallen, der er indes schon durch die Ausfallerscheinungen, die seine Fahrweise zeitigte - er fuhr in starken Schlangenlinien -, auffiel. Durch die Polizei wurde der Angeklagte am Weiterfahren gehindert.
Diese Feststellungen tragen noch die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr.
Eine vorsätzliche Tatbegehung im Sinne des § 316 Abs. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter seine Fahrunsicherheit kennt oder mit ihr zumindest rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, gleichwohl aber am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 5. August 2002 in 2 Ss 498/02, VD 2002, 350 = VA 20002, 186 = DAR 2002, 565 = BA 2003, 56 = NZV 2003, 47 = NPA StGB § 316, 93 = zfs 2003, 257 mit weiteren Nachweisen). Ob dieses Wissen von der Fahruntauglichkeit als innere Tatseite nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung festgestellt ist, hat der Tatrichter unter Heranziehung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Täterpersönlichkeit, des Trinkverlaufs, dessen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt sowie des Verhaltens des Täters während und nach der Tat zu entscheiden.
In dem Zusammenhang hat der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der anderen hiesigen Strafsenate und der einhelligen übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung bereits wiederholt entschieden, dass vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden kann (vgl. den vorgenannten Beschluss des Senats vom 5. August 2002 mit weiteren Nachweisen). Daran hält der Senat fest. Es gibt nämlich keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, sich seiner Fahrunsicherheit bewusst werde oder diese billigend in Kauf nehme (siehe auch Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 316 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen). Vielmehr müssen zu einer hohen Blutalkoholkonzentration noch weitere Umstände hinzukommen, die den Schluss rechtfertigen, der Angeklagte habe seine Fahruntüchtigkeit gekannt und dennoch am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen.
Insoweit bilden vorliegend die vom Amtsgericht und auch vom Landgericht festgestellten fünf Vorbelastungen des Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit ein gewichtiges Indiz. Denn grundsätzlich kann aus einer früheren Verurteilung auf vorsätzliches Handeln geschlossen werden. Zwar gilt das in der Regel nur dann, wenn der Sachverhalt in einem Mindestmaß mit dem aktuell zu beurteilenden vergleichbar ist (vgl. OLG Naumburg zfs 1999, 401 f.; OLG Celle NZV 1998, 123; OLG Koblenz NZV 1993, 444 f.), wozu es der Feststellung der Höhe der damaligen Blutalkoholkonzentration sowie der Mitteilung, ob die Sachverhalte im Übrigen, insbesondere im Hinblick auf Trinkverhalten und Trinkmenge, annähernd gleich waren (Beschluss des Senats vom 28. Juni 2001 in 2 Ss 532/01, Blutalkohol 2001, 463 = DAR 2002, 134, OLG Celle a. a. O.). Dazu enthält das angefochtene Urteil zwar keine konkreten Feststellungen, es ist zumindest aber festgestellt, dass der Angeklagte in den letzten 10 Jahren vor dem hier abgeurteilten Vorfall bereits fünfmal einschlägig in Erscheinung getreten ist. Dem angefochtenen Urteil lässt sich auch mit noch hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass der Angeklagte offenbar am 7. Juli 2003 in erheblichem Umfang Alkohol zu sich genommen hatte und er seinen Motorroller mit Schlangenlinien fuhr.
Es kann dahinstehen, ob diese Feststellungen bei einem bestreitenden Angeklagten ausreichen, um eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit zu tragen (vgl. dazu auch Beschlüsse des 3. Strafsenats vom 9. November 2003 in 3 Ss 507/03, VA 2004, 54 (Ls.) und vom 26. März 2004 in 3 Ss 77/04, VA 2004, 102 (Ls.). Denn vorliegend hat der Angeklagte ein glaubhaftes Geständnis abgelegt. Die damit vom Amtsgericht zur inneren Tatseite getroffene Feststellung, dass der Angeklagte gewusst habe, dass er Alkohol getrunken hatte und dass er nicht mehr fahrfähig war, er aber darauf vertraute, der Polizei nicht aufzufallen, beruht also auf den eigenen Angaben des Angeklagten. Der Senat hat aufgrund der fünf einschlägigen Vorverurteilungen keinen Zweifel, dass der Angeklagte in der Lage war, seinen Zustand zu beurteilen, so dass seine geständige Einlassung vom Amtsgericht zur Grundlage der dem Angeklagten ungünstigen Sachverhaltsfeststellung - hier: Vorsatz - gemacht werden konnte.
Jedenfalls bei dieser Sachlage war, was der Senat von Amts wegen zu prüfen hatte, die Beschränkung der Berufung auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs wirksam.
2. Das zulässige Rechtsmittel hat auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs keinen Erfolg. Der Angeklagte ist seit 1970 insgesamt 19 mal strafrechtlich in Erscheinung getreten, davon fünfmal wegen Trunkenheit im Verkehr. Zuletzt ist er erst am 27. Februar 2001 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Die Strafvollstreckung war im November 2001 erledigt. Angesichts dieser schnellen Rückfallgeschwindigkeit begegnet die verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus Rechtsgründen keinen Bedenken. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kam bei diesem Angeklagten, der in der Vergangenheit bereits mehrfach Strafe verbüßt hat, ersichtlich nicht in Betracht. Dass Amts- und Landgericht von Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB abgesehen haben, ist kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
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