Aktenzeichen: 3 Ss OWi 351/04 OLG Hamm
Leitsatz: 1. Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen
bei einer vorsätzlichen Abstandsunterschreitung.
2. Der Senat
hält an seiner früheren Auffassung, dass zur Nachvollziehbarkeit des
zeitlichen und inneren Zusammenhanges im Rahmen der Prüfung eines
beharrlichen Verkehrsverstoße weitergehende Einzelheiten zu den Vortaten
dargetan werden müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 10.10.2002 - 3 Ss OWi
727/02) nicht fest.
Senat: 3
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: Abstandsunterschreitung; Vorsatz;
beharrlicher Verstoß; Feststellungen, Umfang; Vortaten;
Normen: StVO 4, StPO 267
Beschluss:
Bußgeldsache
gegen H.V.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 1. April 2004 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 22. 07. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die
Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene (§§ 46 Abs. 1
OWiG, 473 Abs. 1 StPO).
Gründe:
I.
Durch das angefochtene Urteil hat das
Amtsgericht Gütersloh den Betroffenen wegen vorsätzlicher Begehung
einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 4 Abs. 1, 49 StVO,
§ 24 StVG zu einer Geldbuße von 150,- verurteilt und ihm
für die Dauer eines Monats untersagt, im öffentlichen
Straßenverkehr Kraftfahrzeuge zu führen. Dem Betroffenen wurde dabei
die 4-Monats-Frist des § 25 Abs. 2 a S. 1 StVG eingeräumt.
Nach
den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 23.10.2003 gegen 13.51 Uhr
als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXXX die BAB A 2
in Fahrtrichtung Oberhausen. Bei Kilometer 361,500 fuhr er mit einer
Geschwindigkeit von mindestens 141 km/h auf der linken Fahrspur und hielt zu
dem vor ihm auf derselben Spur fahrenden Fahrzeug einen Abstand von
höchstens 28,20 m ein.
Zur Person hat das Amtsgericht u.a.
festgestellt, dass der Betroffene seit dem 19.11.1999 im Besitz einer
Fahrerlaubnis ist und nach eigenen Angaben etwa 100.000 km im Jahr fährt.
Ferner ist ausgeführt, dass im Verkehrszentralregister insgesamt sieben im
Einzelnen genannte berücksichtigungsfähige Voreintragungen vorhanden
sind, auf welche wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Die Voreintragungen
betreffen allesamt erhebliche Überschreitungen der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit innerhalb oder außerhalb geschlossener
Ortschaften im Tatzeitraum vom 21.08.2000 bis 12.03.2002. Dabei ist insgesamt
vier Mal gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt worden.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlich
begangener Verkehrsordnungswidrigkeit verurteilt und hierzu ausgeführt,
dass der Betroffene den zu geringen Abstand zumindest billigend in Kauf
genommen habe. Er habe das Fahrzeug vor ihm mindestens eine Strecke von rund
330 m mit dem Abstand von lediglich 28,20 m vor sich herfahren sehen. Bei
seiner Fahrpraxis von 100.000 km im Jahr und angesichts des Umstandes, dass er
seit fast vier Jahren im Besitz der Fahrerlaubnis war, sei
auszuschließen, dass er nicht bemerkt habe, dass er erheblich zu dicht
auffuhr.
Angesichts der Voreintragungen und im Hinblick auf die
vorsätzliche Begehungsweise hat das Amtsgericht die Regelgeldbuße
von 50,- auf 150,- erhöht. Die Verhängung des
Fahrverbotes hat das Amtsgericht gemäß § 25 Abs. 1 StVG im
Hinblick auf die sieben Voreintragungen wegen Überschreitung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit und die hierbei erfolgte viermalige
Verhängung eines Fahrverbotes begründet. Der Verkehrsverstoß
einer Abstandsunterschreitung sei an Unrechtsgehalt und
Gefährdungspotential einer Geschwindigkeitsüberschreitung
gleichzusetzen. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Gründe
des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er unter näheren Ausführungen die Feststellungen zum Vorsatz und die Verhängung des Fahrverbotes rügt.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG
statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in
der Sache ohne Erfolg.
Die Feststellungen tragen den Tatbestand der vorsätzlichen Nichteinhaltung des Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug gemäß § 4 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG. Das Amtsgericht hat die ordnungsgemäße Abstandsmessung mittels eines standardisierten Messverfahrens in ausreichender Weise dargelegt. Auch die Ausführungen zum Vorsatz halten einer rechtlichen Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht noch Stand. Die Länge der gefahrenen Strecke, das Maß der Fahrpraxis aufgrund der gefahrenen Jahreskilometer und die Dauer des Besitzes der Fahrerlaubnis sind hinreichende Umstände, aufgrund derer das Tatgericht im konkreten Fall ohne Rechtsfehler mindestens Eventualvorsatz bei dem Betroffenen bei Begehung der Abstandsunterschreitung feststellen konnte. Die - wenn auch knappen - konkreten Tatumstände lassen die Beurteilung zu, dass der Betroffene im Ergebnis die Tatbestandsverwirklichung der Abstandsunterschreitung zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich mit abgefunden hat. Die festgestellten Umstände des Einzelfalles sind hierzu noch ausreichend.
Auch die Verhängung des Fahrverbotes gemäß §
25 Abs. 1 StVG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das
Amtsgericht ausgeführt, dass der Vorwurf, beharrlich die Pflichten eines
Kraftfahrzeugführers verletzt zu haben, darin besteht, dass der Fahrer
durch die wiederholte Begehung von Verkehrsverstößen, die nach ihrer
Art und den Umständen für sich allein betrachtet zwar nicht bereits
zu den objektiv oder subjektiv groben Zuwiderhandlungen zählen, erkennen
lässt, dass es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr
erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor
begangenes Unrecht fehlt. Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht im Hinblick auf
die sieben Voreintragungen des Betroffenen seit dem 02.11.2000 und die dabei
vier Mal verhängten Fahrverbote die beharrliche Verletzung der Pflichten
eines Kraftfahrzeugführers durch den Betroffenen begründet. Die
Urteilsgründe legen die einzelnen Voreintragungen, die sämtlich
Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
beinhalten, insoweit hinreichend dar, als sie nach Tatzeit, Höhe der
jeweiligen Überschreitung innerhalb oder außerhalb geschlossener
Ortschaft, Höhe der Geldbuße und des eventuellen Fahrverbotes sowie
des Datums des Bußgeldbescheides und der Rechtskraft ausgeführt
sind. Damit ist den Urteilsgründen hinreichend zu entnehmen, dass der
Betroffene beharrlich gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat und es ihm
an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen
rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht
fehlt. Dies ergibt sich zum einen aus der Fülle der Eintragungen und der
engen zeitlichen Abfolge der geahndeten Verkehrsverstöße sowie aus
dem offenbaren und auch vom Amtsgericht dargelegten inneren Zusammenhang
zwischen den zuvor begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen und der
nunmehr abzuurteilenden Abstandsunterschreitung (vgl. zum inneren Zusammenhang
zwischen Geschwindigkeits- und Abstandsverstößen Bay DAR 2000, 278;
Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rdnr. 15 zu § 25 StVG.
Weitere Feststellungen über Einzelheiten der Vortaten sind in den
Urteilsgründen nicht erforderlich; der Charakter des
Bußgeldverfahrens als summarisches Verfahren gebietet es - auch aus
Gründen der Praktikabilität - weitergehende Anforderungen als
diejenigen Angaben, die sich aus dem Verkehrszentralregisterauszug ergeben,
nicht zu verlangen; anderenfalls wäre die Feststellung der Einzelheiten
der Vortaten in vielen Fällen geradezu unmöglich oder mit einem im
Bußgeldverfahren unverhältnismäßig hohen Aufwand
verbunden. Der Senat hält insoweit an seiner früheren Auffassung,
dass zur Nachvollziehbarkeit des zeitlichen und inneren Zusammenhanges
weitergehende Einzelheiten zu den Vortaten dargetan werden müssen
(Senatsbeschluss vom 10.10.2002 - 3 Ss OWi 727/02) nicht fest.
Vorliegend
hat das Amtsgericht den die Verhängung des Fahrverbotes rechtfertigenden
zeitlichen und inneren Zusammenhang zu den Umständen der Vorbelastung
hinreichend dargetan, so dass eine Überprüfung durch das
Rechtsbeschwerdegericht ermöglicht ist. Zutreffend ist insbesondere die
vom Unrechtsgehalt und Gefährdungspotential bei Abstandsunterschreitungen
und Geschwindigkeitsüberschreitungen gesehene Entsprechung. Ein
Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen war dabei auf der Grundlage der
Rechtsbeschwerdebegründung nicht festzustellen.
Die Rechtsbeschwerde war deshalb mit der im Tenor genannten
Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.
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