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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 329/04 OLG Hamm

Leitsatz: Geht es dem Betroffenen im OWi-Verfahren lediglich um die Rechtsfrage, ob die Erhöhung des Bußgeldes aufgrund der Voreintragungen gerechtfertigt war, wird einem Entbindungsantrag in der Regel zu entsprechen sein.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Entbindung vom Erscheinen in der Hauptverhandlung; persönliches Erscheinen, Begründung des Zulassungsantrags; Erklärung zur Sache

Normen: OWiG 80; OWiG 73, OWiG 74

Beschluss: Bußgeldsache
gegen J.S.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß
§§ 79 ff. OWiG und die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüdinghausen vom 20. Februar 2004 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 06. 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 u. 3 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das Urteil des Amtsgerichts Lüdinghausen wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lüdinghausen zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Lüdinghausen hat mit Urteil vom 20. Februar 2004 den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Coesfeld vom 5. November 2003, durch den eine Geldbuße in Höhe von 75,- € wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 27 km/h festgesetzt worden war, gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Der gegen dieses Urteil gerichtete Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und frist- und formgerecht begründet worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrem Antrag vom 24. Mai 2004 Folgendes ausgeführt:

„Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzwidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Nach den genannten Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 79 Rdn. 27 d). Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch des Betroffenen durch Urteil gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu Unrecht nicht entsprochen worden ist (Senatsbeschluss vom 03.12.2002 - 4 Ss OWi 918/02 -; Göhler, a.a.O., § 80 Rdn. 16 b). Bei der Rüge der unzulässig unterbliebenen Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, die vorliegend wegen der gesetzlichen Einschränkung der Zulassungsgründe bei Geldbußen von nicht mehr als 100,00 Euro nur unter dem Gesichtspunkt der Versagung des rechtlichen Gehörs im Zulassungsverfahren beachtlich sein kann, obliegt es dem Betroffenen darzulegen, aus welchen Gründen das Gericht seinem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hätte stattgeben müssen. Hierzu ist es erforderlich, den im Bußgeldbescheid erhobenen Tatvorwurf und die konkrete Beweislage im Einzelnen vorzutragen (zu vgl. Senatsbeschlüsse vom 03.12.2002 - 4 Ss OWi 918/02 - und vom 11.12.2000 - 4 Ss OWi 1158/00 -). In diesem Zusammenhang ist in aller Regel auch darzulegen, wann und mit welcher Begründung der Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gestellt worden ist und wie das Gericht diesen Antrag beschieden hat. Da der Anspruch auf rechtliches Gehör zudem nur dann verletzt ist, wenn die erlassende Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Partei hat, müssen in der Begründungsschrift konkret die Tatsachen dargelegt werden, anhand derer die Beruhensfrage geprüft werden kann (Senatsbeschluss vom 24.02.2000 - 4 Ss OWi 114/00 -).

Zwar gibt die Rechtsbeschwerdebegründung weder den im Bußgeldbescheid konkret erhobenen Tatvorwurf noch den Wortlaut des ablehnenden Urteils des Amtsgerichts Lüdinghausen wieder. Aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerdebegründung ergibt sich jedoch, dass und mit welcher Begründung der Betroffene einen Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gestellt hat. Auch wird dargelegt, dass und mit welchen Gründen dieser Antrag abschlägig beschieden worden ist. Schließlich ist der Begründungsschrift zu entnehmen, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft einräumt sowie das Messergebnis nicht anzweifelt. Dem Betroffenen gehe es lediglich um die Rechtsfrage, ob die Erhöhung des Bußgeldes aufgrund der Voreintragungen gerechtfertigt war. Dieser Tatsachenvortrag reicht zur Prüfung des Vorliegens eines Verfahrensfehlers aus.

Die somit formgerecht mit der Verfahrensrüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und eines Verstoßes gegen §§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 2 OWiG erhobene Rechtsbeschwerde ist zuzulassen und hat in der Sache Erfolg, weil durch das angefochtene Urteil der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Mit Schriftsatz vom 06.02.2004 hatte der Verteidiger des Betroffenen beantragt, dem Betroffenen, der den Verkehrsverstoß eingeräumt hat, aus beruflichen Gründen von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung zu entbinden.

Gleichzeitig hatte der Verteidiger ausgeführt, dass es ihm lediglich um die Frage gehe, ob eine Erhöhung des Bußgeldes aufgrund der Voreintragungen gerechtfertigt sei. Diese Ausführungen sprachen dafür, eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Der Tatrichter hat nämlich einem Entbindungsantrag des Betroffenen zu entsprechen, wenn sich der Betroffene zur Sache geäußert hat und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist (§ 73 Abs. 2 OWiG). Da aber weder die Ablehnung des Entbindungsantrages durch den Tatrichter noch das angefochtene Urteil eine auf § 73 Abs. 2 OWiG zurückführbare Begründung erkennen lassen, ist diese Entscheidung nicht mehr verständlich und verletzt das Gebot rechtlichen Gehörs.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Lüdinghausen zurückzuverweisen.


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