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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ss 43/04 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Umfang der Revisionsbegründung, wenn mit der Verfahrensrüge geltend gemacht wird, dass das Gericht einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mit eigener Sachkunde hätte ablehnen dürfen.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Beweisantrag; Ablehnung; eigene Sachkunde; Verfahrensrüge; Umfang der Begründung, Mitteilung des Ablehungsbeschlusses

Normen: StPO 344, StPO 244

Beschluss: Strafsache
gegen U.L.
wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XIX. kleinen Strafkammer
- Jugendkammer - des Landgerichts Dortmund vom 10. September 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 04. 2004 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Die Revision wird als unzulässig verworfen (§ 349 Abs. 1 StPO).
Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:
Das Amtsgericht Kamen hat den Angeklagten am 12. Mai 2003 wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zum Nachteil seiner zur Tatzeit 14 jährigen leiblichen Tochter Ramona zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Dortmund mit Urteil vom 10. September 2003 verworfen. In der Berufungshauptverhandlung hatte der Angeklagte auf die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens angetragen. Die Strafkammer hat den Antrag zurückgewiesen.

Gegen die Verwerfung der Berufung richtet sich die Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel wird wie folgt begründet:

„Das Landgericht hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Glaubwürdigkeit der Geschädigten zurückgewiesen mit der Begründung, es könne keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Geschädigten geben.

Dies könne die Kammer ohne Einholung eines Gutachtens feststellen, weil sie über ausreichende eigene Sachkenntnis verfüge.

Dies wird weiter damit begründet, dass der Vorsitzende seit längerem die Berufungskammer für Jugend- und Jugendschutzsachen führe. Damit gehe einher, dass sich über Jahre erhebliche Erfahrungen angesammelt habe, die die zutreffende Beurteilung der Glaubwürdigkeit gewährleiste.

Damit genügt das Landgericht nach Ansicht des Angeklagten nicht den Anforderungen, die bei Zugrundelegung eigener Sachkunde an das Gericht zu stellen sind.
Es genügt nicht der Hinweis, man habe durch eine Reihe geführter Verfahren Erfahrungen gesammelt. Die Erfahrungen die auf diesem Wege gesammelt werden, könne nicht die Sachkunde eines Sachverständigen, der dieses Fach studiert hat und sich mit kaum etwas anderem beschäftigt als solchen Beurteilungen, ersetzen. Dies wird allein schon daraus deutlich, dass ein Sachverständiger bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen eine umfassende Exploration anstellt. Eine solche Exploration kann das Gericht nicht anstellen, hat es hier auch nicht angestellt. Es gewinnt hier schlicht seine Ergebnisse aus dem Gang der Hauptverhandlung, also dem Eindruck, den der Zeuge hinterlässt. Versteht dieser es - wodurch auch immer - einen günstigen Eindruck zu vermitteln, so unterstellt das Gericht seine Glaubwürdigkeit. Macht der Zeuge einen ungünstigen Eindruck, wird seine Glaubwürdigkeit verneint. Dieser so gewonnene Eindruck - günstig oder ungünstig - ersetzt nicht das Ergebnis einer umfangreichen Untersuchung, die in vielen Fällen in mehreren langen Gesprächen, in denen nicht nur der konkrete Sachverhalt erörtert wird, erst gewonnen werden kann.

Wenn das Gericht ausreichende eigene Sachkunde bejaht, muss es über die gleichen Erkenntnismöglichkeiten und die gleichen Untersuchungsmethoden verfügen wie der Sachverständige, dessen Beiziehung abgelehnt wird.

Nichts davon ist hier ersichtlich. Das Gericht hat nicht die erforderlichen Erkenntnismöglichkeiten und damit einhergehend nicht die erforderliche Sachkunde, wenn es sich nur auf Erfahrungen aus abgeschlossenen Verfahren beruft. Das Gericht wendet auch nicht die dem Sachverständigen zur Verfügung stehenden Methoden an, wenn es sich lediglich auf den Gang der Hauptverhandlung verlässt.

Selbst die jahrelange Befassung mit ähnlich gelagerten Fällen kann nicht dazu führen, dem Richter die Qualifikation, die ein speziell und akademisch hierzu ausgebildeter Sachverständiger hat, zuzubilligen.

Mangels eigener Sachkunde durfte das Gericht den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Glaubwürdigkeit der Geschädigten nicht zurückweisen.

Dies ist in einer Neuaufnahme der Berufungsverhandlung nachzuholen.“

Das Rechtsmittel erweist sich als unzulässig. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu u.a. Folgendes ausgeführt:

„Die Revisionsbegründung entspricht jedoch nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 StPO. Gerügt wird allein ein Verstoß gegen § 244 Abs. 4 StPO, nämlich die Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Glaubwürdigkeit der Geschädigten. In einem solchen Fall muss nach der Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO aber nicht nur der Inhalt des Antrages, sondern auch der Inhalt des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses mitgeteilt werden (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Rdnr. 85 zu § 244). Zwar muss der Beschluss nicht unbedingt wörtlich, so aber doch inhaltlich vollständig wiedergegeben werden (Meyer-Goßner, a.a.O., m.w.N.). Daran leidet hier aber die Revisionsbegründung. Sie teilt den Inhalt des ablehnenden Gerichtsbeschlusses nur teilweise mit, was insbesondere durch die Formulierung „... dass der Vorsitzende seit längerem die Berufungskammer für Jugend- und Jugendschutzsachen führe. Damit gehe einher, dass sich über Jahre erhebliche Erfahrungen angesammelt habe, die die zutreffende Beurteilung der Glaubwürdigkeit gewährleiste“ verdeutlicht. Der ablehnende Gerichtsbeschluss geht deutlich über diesen Inhalt hinaus, sodass nur mit Rückgriff auf die Akten eine Überprüfung möglich wäre.

Die Sachrüge ist nicht erhoben worden.“

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei und macht sie zum Gegenstand seiner eigenen Entscheidung (vgl. dazu auch BGHSt 3, 214).


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