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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ws 95/04 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Auswahlermessen des Vorsitzenden, wenn der Beschuldigte die Beiordnung eines auswärtigen Pflichtverteidigers wünscht

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Pflichtverteidiger; Beiordnung neben Wahlverteidiger, Auswahlermessen des Vorsitzenden, Beiordnung eines auswärtigen Pflichtverteidigers;

Normen: StPO 142

Beschluss: Strafsache
gegen M.B.
wegen Betruges, (hier: Beschwerde des Angeklagten gegen die Beiordnung des Rechtsanwalts T. in Bielefeld als Pflichtverteidiger und die Ablehnung der Beiordnung der Rechtsanwältin S. in Köln als Pflichtverteidigerin).

Auf die Beschwerde des Angeklagten den Beschluss des Vorsitzenden der II. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 23. Januar 2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

G r ü n d e :
I.
Gegen den Angeklagten wird derzeit vor dem Landgericht in Bielefeld ein umfangreiches Strafverfahren wegen gewerbsmäßigen Betruges geführt. Hauptverhandlungstermine hat der Kammervorsitzende bestimmt auf den 28. April 2004 mit insgesamt 19 Fortsetzungsterminen bis zum 01. September 2004. Der Angeklagte wurde zunächst von Rechtsanwalt Dr. G. aus Köln sowie von Rechtsanwalt R. verteidigt. Rechtsanwalt R. hat zwischenzeitlich das Mandat niedergelegt. Rechtsanwalt Dr. G. hatte mit Schreiben vom 16. Januar 2004 mitgeteilt, dass er an insgesamt sechs Terminstagen an der Verteidigung des Angeklagten verhindert sei. Mit Schreiben vom 20. Januar 2004 meldete sich sodann Rechtsanwältin S. aus Köln ebenfalls als Verteidigerin unter Vorlage einer Vollmacht für den Beschuldigten und beantragte ihre Beiordnung als Pflichtverteidigerin. Für diesen Fall lege sie ihr Wahlmandat nieder. Mit Schreiben vom 21. Januar 2004 beantragte auch der Verteidiger Dr. G. für den Angeklagten die Beiordnung von Rechtsanwältin S..

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Januar 2004 hat der Vorsitzende der Strafkammer dem Angeklagten jedoch nicht Rechtsanwältin S. sondern Rechtsanwalt T. aus Bielefeld als Pflichtverteidiger beigeordnet und den Antrag des Angeklagten auf Beiordnung von Rechtsanwältin S. aus Köln abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers zur Sicherung des Verfahrens geboten sei. Nach der Verbindung mehrerer Strafverfahren würden dem Angeklagten u. a. Betrugstaten in siebzehn Fällen vorgeworfen. In Ansehung des Aufklärungsumfanges sowie der von der Verteidigung bereits während der früheren Hauptverhandlung vom 09. April 2003 angekündigten Beweisanträge könne sich die am 28. April 2004 beginnende Hauptverhandlung über Wochen, möglicherweise auch über Monate erstrecken. Es könne derzeit nicht beurteilt werden, ob die Verteidigung des Angeklagten durch seine Wahlverteidiger seinerzeit war noch Rechtsanwalt R. als Wahlverteidiger an dem Verfahren beteiligt gewährleistet sei. Insbesondere habe der Angeklagte vortragen lassen, dass er nach seiner Haftentlassung im April 2003 keine Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit oder aus Arbeitslosengeld beziehe, so dass es zumindest nicht ausgeschlossen sei, dass der Angeklagte wirtschaftlich nicht in der Lage sei, zwei Wahlverteidiger für deren Tätigkeit in einer möglicherweise langandauernden Hauptverhandlung zu bezahlen. Die Beiordnung von Rechtsanwalt T. sei deshalb erfolgt, weil Rechtsanwältin S. ihren Kanzleisitz in Köln habe und demgemäß während der sich möglicherweise über einen langen Zeitraum erstreckenden Hauptverhandlung aus Köln anreise müsse. Die durchschnittliche Fahrzeit von Köln nach Bielefeld betrage etwa 2 ½ Stunden, und zwar ohne Berücksichtigung ungünstiger Verkehrsverhältnisse oder nicht auszuschließender Verspätungen der Bahn. Da bereits beide Wahlverteidiger - Rechtsanwalt Dr. G. und Rechtsanwalt R. aus anderen Gerichtsbezirken zur Hauptverhandlung anreisen müssten, mache es der prozessordnungsgemäße Ablauf der Hauptverhandlung erforderlich, dass zumindest ein Verteidiger seinen Kanzleisitz in Bielefeld habe. Hinzu komme, dass der Angeklagte selbst nicht am Kanzleisitz der Rechtsanwältin S. in Köln, sondern in Versmold wohne, das von Bielefeld etwa genauso weit entfernt sei wie von Köln.

Soweit der Vorsitzende in dem angefochtenen Beschluss noch weitere Ausführungen dazu gemacht hat, dass sich Rechtsanwalt R. in der unterbrochenen Hauptverhandlung im April 2003 prozeßordnungswidrig verhalten habe und deshalb nicht auszuschließen sei, dass sich ein von dem Angeklagten beauftragter oder benannter Verteidiger auch in Zukunft prozessordnungswidrig verhalten könnte, hat der Senat diesen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt.

Mit am 06. Februar 2004 bei den Bielefelder Justizbehörden eingegangenem Schreiben hat der Angeklagte Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Januar 2004 eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er nicht von Rechtsanwalt T., sondern von Frau Rechtsanwältin S. verteidigt werden möchte. Zu Letzterer habe er ein großes Vertrauensverhältnis und schon vieles mit ihr besprochen. Er möchte seine Verteidigung nur mit Rechtsanwälten durchführen, zu denen er auch Vertrauen habe. Frau Rechtsanwältin S. habe er zudem deshalb ausgewählt, weil sie genauso wie Rechtsanwalt Dr. G. in Köln ihre Kanzlei habe und daher die Besprechungen einfacher und effektiver für ihn seien.

Rechtsanwältin S. hat mit Schreiben vom 09. Februar 2004 namens des Angeklagten ebenfalls Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Januar 2004 eingelegt und beantragt, unter Entpflichtung von Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidigerin beigeordnet zu werden. Zur Begründung hat sie wiederum ausgeführt, dass sie mit dem Angeklagten in mehreren Besprechungen die Verteidigung erörtert habe und ein Vertrauensverhältnis zu dem Angeklagten bestehe. Bei dieser Sachlage müsse sie auch als auswärtige Anwältin beigeordnet werden. Sie könne sämtliche Hauptverhandlungstermine wahrnehmen und jeweils pünktlich losfahren bzw. schon am Abend vorher anreisen, wenn dies gewollt sei.

Mit Beschluss vom 16. Februar 2004 hat der Vorsitzende der Strafkammer der Beschwerde nicht abgeholfen. Soweit Rechtsanwältin S. ausführe, ihr pünktliches Erscheinen zu den Hauptverhandlungsterminen könne auch dadurch sichergestellt werden, dass sie schon am Abend vor dem Hauptverhandlungstermin anreisen könne, dürfe die Verantwortung des Gerichts auch vor dem Steuerzahler nicht unbeachtet bleiben.

II.
Beschwerde des Angeklagten ist gem. § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Insbesondere ist sie nicht nach § 305 Abs. 1 StPO unstatthaft. Danach sind Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsförderung vorausgehen, nicht mit der Beschwerde anfechtbar. § 305 Satz 1 StPO bezieht sich aber nur auf solche Entscheidungen, die im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen und bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen (Senat, Beschluss vom 28. Januar 1999 3 Ws 27/99 -; OLG Stuttgart, NStZ-RR 1996, 207). Demgegenüber handelt es sich bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers um eine Entscheidung des Vorsitzenden, die über die Vorbereitung der Urteilsfällung hinaus selbständige prozessuale Bedeutung hat, da sie in das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren eingreifen und zu im Nachhinein nicht mehr behebbaren Nachteilen für den Angeklagten durch Zeitablauf oder durch Unterlassen prozessualer Handlungen führen kann (Senat, a. a. O., Senat, StV 1989, 242; OLG Hamm, NStZ 1990, 143; OLG Stuttgart, a. a. O.; OLG Frankfurt/Main, StV 1987, 379; StV 1994, 288; StV 1997, 575; OLG Celle StV 1988, 100; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 141 Rdnr. 10 m. w. N.).

Der Angeklagte ist durch die Beiordnung von Rechtsanwalt T. und die Ablehnung der Beiordnung von Rechtsanwältin S. auch beschwert. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass der Angeklagte die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidiger oder auch die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers anfechten kann, wenn er geltend macht, die (weitere) Pflichtverteidigung sei unzulässig oder sachlich nicht gerechtfertigt (Senat, Beschluss vom 28. Januar 1999 3 Ws 27/99 -; OLG Frankfurt/Main, StV 1994, 288 m. w. N.; StV 1997, 575; Meyer-Goßner, a. a. O., § 141 Rdnr. 9). Aus dem Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren folgt nämlich das Recht, sich ausschließlich durch von ihm gewählte Verteidiger bzw. durch Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Verteidigungskonzeptionen mehrerer Wahl- bzw. Pflichtverteidiger zu Lasten des Angeklagten divergieren. Deshalb muss der Angeklagte das Recht haben, sich gegen eine unzulässige oder sachlich nicht gerechtfertigte Bestellung eines Pflichtverteidigers neben dem Wahlverteidiger zu wehren (Senat, Beschluss vom 28.01.1999
3 Ws 27/99).

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren ist durch die Bestellung von Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger nicht verletzt. Der Kammervorsitzende hat das ihm gem. § 142 Abs. 1 StPO zustehende Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Die Bestellung der von dem Angeklagten benannten Rechtsanwältin S. aus Köln als Pflichtverteidigerin stehen wichtige Gründe im Sinne von § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO entgegen. Hier gebieten nämlich die ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip verwurzelten Grundsätze der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs und des Beschleunigungsgebotes in Strafsachen die Beiordnung eines ortsansässigen Verteidigers als Pflichtverteidiger.

Der Zweck des Institutes der Pflichtverteidigung besteht ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird. Die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers oder eines Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidiger kann darüber hinaus in besonders schwierigen und umfangreichen Sachen zur Sicherung des weiteren Verfahrens im Interesse einer wirkungsvollen staatlichen Strafrechtspflege geboten sein (Meyer-Goßner, a. a. O., § 141 Rdnr. 1 a m. w. N.). Der Zweckbestimmung des Instituts der Pflichtverteidigung entspricht es, dass die Auswahl des Pflichtverteidigers Sache des Gerichtsvorsitzenden ist (§§ 141, 142 StPO), der nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ohne dass der Anwalt, der die Verteidigung führen will, seine Beiordnung durchsetzen könnte. Insbesondere verleiht das Institut der Pflichtverteidigung dem Rechtsanwalt keinen Anspruch darauf, in einer bestimmten Strafsache zum Verteidiger bestellt zu werden, eine ihm übertragene Pflichtverteidigung weiterzuführen und seiner drohenden oder vollzogenen Abberufung entgegenzutreten. Sinn der Pflichtverteidigung ist es nämlich nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen (BVerfGE 39, 238, 242; vgl. bereits BVerfGE 9, 36, 38; Senat, Beschluss vom 28. Januar 1999 3 Ws 27/99 -).
Andererseits hat der Angeklagte einen Anspruch auf ein faires Verfahren bzw. ein Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK). Der verfassungsmäßig verbürgte Anspruch auf ein rechtstaatlich faires Verfahren als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips umfasst das Recht des Angeklagten, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfG NJW 2001, 3695, 3696 f; BVerfGE 39, 238, 243; BGH NJW 2001, 237; BGH NJW 1992, 849; StV 1998, 414; Senat, Beschluss vom 28. Januar 1999 3 Ws 27/99 -; OLG Frankfurt/Main, StV 1987, 379; StV 1991, 9; StV 1994, 288; StV 1997, 575; NStZ-RR 1996, 304, 305; OLG Stuttgart, NStZ-RR 1996, 207; OLG Hamburg, NStZ-RR 1997, 203). In Fällen der Pflichtverteidigung erfährt dieses Recht nur insoweit einer Einschränkung, als der Beschuldigte keinen unbedingten Anspruch auf Bestellung des von ihm gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger hat, ihm andererseits aber der Anwalt seines Vertrauens als Pflichtverteidiger beizuordnen ist, wenn dem nicht wichtige Gründe entgegenstehen, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um die Bestellung des Erst- oder Zweitverteidigers handelt (BVerfG, NJW 2001, 3695, 3696; BayObLG, StV 2000, 412, 413; Senat, Beschluss vom 28. Januar 1999 3 Ws 27/99 m. w. N.). Ein Anspruch des Angeklagten auf Bestellung des von ihm gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger beseht aber dann nicht mehr, wenn der weitere Zweck des Instituts der Pflichtverteidigung, einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu sichern, im Falle der Bestellung des Verteidigers des Vertrauens zum Pflichtverteidiger nicht mehr erreicht werden könnte (Senat, a. a. O.; vgl. auch BGH, NJW 1992, 849 und BGHSt 15, 306, 308 f). Dabei sind im Rahmen der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs das Gebot der Verfahrensbeschleunigung, insbesondere der besonderen Beschleunigung in Haftsachen, sowie die Terminsplanung und Gesamtplanung des Gerichts zu berücksichtigen (Senat, a. a. O.; vgl. BGH StV 1998, 414; NJW 1992, 849; OLG Hamburg, NStZ-RR 1997, 203, 204; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 304, 305; OLG Düsseldorf, StV 1997, 576; Meyer-Goßner, a. a. O., § 141 Rdnr. 1 a m. w. N.). Der Sicherung des weiteren Verfahrens im Sinne eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs steht hier aber bereits die Entfernung zwischen dem Kanzleisitz der Rechtsanwältin S. in Köln und dem Gerichtsort in Bielefeld entgegen, und zwar vor allem angesichts des Umstandes, dass der Pflichtverteidiger bzw. die Pflichtverteidigerin hier mindestens 20 Hauptverhandlungstermine wahrzunehmen haben wird. Soweit das OLG Zweibrücken (StV 2002, 238) eine Entfernung zwischen dem Kanzleisitz und dem Gerichtsort von 238 km als noch nicht so erheblich angesehen hat, dass damit nicht mehr hinnehmbare Kosten für die Staatskasse verbunden wären, bezog sich die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken auf eine Strafsache, in der die Hauptverhandlung für einen Tag möglicherweise einen weiteren Verlängerungstag vorgesehen war. Damit ist die vorliegende Fallgestaltung nicht vergleichbar. Hier sind nach derzeitigen Sachstand 20 Verhandlungstage geplant. Bei einer Entfernung von rd. 200 km zwischen Köln und Bielefeld würde dies bereits eine Gesamtstrecke von 8000 km darstellen, die Rechtsanwältin S. zurücklegen müsste, um jeweils ihr Erscheinen zu den bislang anberaumten Hauptverhandlungsterminen sicherzustellen, für jeden Hauptverhandlungstermin würde die Fahrtstrecke hin und zurück mindestens 400 km betragen. Mit einem derart immensen Fahrtaufwand sind nach der Lebenserfahrung so viele Unwägbarkeiten bereits aufgrund der typischen Unsicherheiten des Straßen- bzw. Schienenverkehrs verbunden, dass die erforderliche Verfahrenssicherung nicht mehr gewährleistet erscheint. Hinzu kommt, dass auch das Kosteninteresse des Staates durch die Regelung des § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO geschützt wird (OLG Zweibrücken, a. a. O.). Frau Rechtsanwältin S. könnte hier aber im Falle ihrer Beiordnung gem. § 97 BRAGO in Verbindung mit § 28 BRAGO Ersatz der Fahrtkosten für insgesamt mindestens 8000 Reisekilometer sowie Tage- und Abwesenheitsgeld und ggf. Übernachtungskosten verlangen. Dabei würde das Tage- und Abwesenheitsgeld gem. § 28 Abs. 3 BRAGO bei einer angenommenen Abwesenheit von mehr als acht Stunden pro Verhandlungstag allein bei den bisher vorbereiteten Hauptverhandlungsterminen 1.120,00 € und die Fahrtkosten würden allein 2.160,00 € betragen. Diese Zusatzbelastung von mehr als 3.000,00 € unbeschadet möglicherweise noch hinzu kommender Übernachtungskosten in nicht unerheblicher Höhe sind für die öffentlichen Kassen ebenfalls nicht mehr hinnehmbar. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zu Rechtsanwalt T. kein Vertrauensverhältnis aufbauen könnte (vgl. BVerfG NJW 2001, 3695, 3696 f) sind hier nicht ersichtlich. Rechtsanwalt T. ist im Übrigen ein dem Senat seit langem bekannter erfahrener Strafverteidiger, der auch fachlich ohne weiteres zur Wahrnehmung der Verteidigung des Angeklagten in dem vorliegenden Verfahren qualifiziert ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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