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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 690/03 OLG Hamm

Leitsatz:

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Einzelrichter, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Zulassung, Verletzung rechtlichen Gehörs, rechtliches Gehör, letztes Wort, keine Gelegenheit zum Schlussvortrag

Normen: StPO 258; GG 103

Beschluss: Bußgeldsache gegen J. B.
wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 29. August 2003 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 18. August 2003 hat der 4 . Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 11. 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Paderborn hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil in seiner Anwesenheit wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 40,00 Euro verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene am 29. August 2003 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und zugleich Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung dieses Rechtsmittels gestellt. Insoweit hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 1. September 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Das Rechtsmittel ist durch den Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz vom 10. September 2003, eingegangen beim Amtsgericht Paderborn am folgenden Tage, rechtzeitig begründet worden.
Das Rechtsmittel hat zumindest vorläufig Erfolg.
Insoweit hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 29. Oktober 2003 ausgeführt:
"Soweit der Betroffene geltend macht, das Amtsgericht habe nach Zurückweisung des Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens das Urteil verkündet, ohne seinem Verteidiger Gelegenheit zu einem Schlussvortrag zu geben und ihm selbst das letzte Wort zu erteilen, und damit die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, erweist sich diese Rüge als begründet.
Zwar stellt eine Verletzung von Prozessregeln, die unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs statuiert sind, nicht stets eine Versagung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG und damit von § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG dar. Jedoch gibt Art. 103 Abs. 1 GG dem in einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (Göhler, OWiG, 13. Auflage, § 80 Rdnr. 16 a). Diese Möglichkeit ist dem Betroffenen aber bei einem Verstoß gegen § 258 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG genommen (Göhler, a.a.O., § 80 Rdnr. 16 b m.w.N.).
Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls hat das Amtsgericht nach Zurückweisung des Beweisantrages weder dem Verteidiger Gelegenheit zum Schlussvortrag gegeben, noch wurde dem Betroffenen das letzte Wort erteilt (zu vgl. BI. 66 d.A.).
Zwar kommt die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Betracht, um nur die Nachprüfung des Urteils unter dem Gesichtspunkt der Versagung rechtlichen Gehörs zu ermöglichen. Es ist vielmehr bereits im Zulassungsverfahren zu prüfen, ob das rechtliche Gehör verletzt ist (BVerfG NJW 92, 2811). Dies bedeutet, dass der Betroffene mit seiner Rüge substantiiert darlegen muss, was er im Fall seiner Anhörung geltend gemacht hätte, da nur dann das Rechtsbeschwerdegericht in der Lage ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruht und dem Betroffenen tatsächlich rechtliches Gehörs verwehrt worden ist (OLG Hamm, VRS 97, 142). Welche Anforderungen an die Begründung gestellt werden müssen, ist eine Frage des Einzelfalles, deren Beantwortung von der Art des gerügten Verstoßes und den einzelnen Geschehnissen im Verfahrensverlauf abhängt, sofern sie für die Beruhensfrage Bedeutung gewinnen können (Kuckein in KK StPO, 4. Auflage, § 344 Rdnr. 43, 65; KG StV 2000, 189, 190).
Diesen Anforderungen wird das Rechtsbeschwerdevorbringen gerecht.
Der Betroffene hat ausgeführt, er hätte im Fall seiner Anhörung dargelegt, dass sich aus der Videoaufzeichnung sowie den Messbildern ein zeitlicher Abstand von 0,8 Sekunden zwischen seinem Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug nicht entnehmen lasse, da sich aus der Standbildserie seine Geschwindigkeit bei dem Durchfahren der Messstrecke zwischen den Messpositionen zwei und drei nicht ergebe und sich bereits aus der Videoaufzeichnung entnehmen lasse, dass das vorausfahrende Fahrzeug für das Durchfahren der Strecke zwischen den Positionen zwei und drei nur 0,60 Sekunden benötigt habe, während er für das Durchfahren dieser Strecke 0,80 Sekunden benötigt habe. Des weiteren hätte er darauf hingewiesen, dass aus den Messbildern nicht hervorgehe, wo sich das vorausfahrende Fahrzeug befunden habe, während er die Messstrecke von der Position zwei bis zur Position drei durchfahren habe, sodass das vorausfahrende Fahrzeug durchaus einen Spurwechsel nach rechts habe vollziehen können. Schließlich hätte er ausgeführt, dass er, nachdem das vor ihm fahrende Fahrzeug nach rechts gezogen sein, sein Fahrzeug beschleunigt habe, so dass er innerhalb der Messstrecke ein größere Geschwindigkeit zurückgelegt habe und der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug notwendigerweise größer gewesen sein müsse."
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist möglich, was genügt (BGHSt 21, 288, 290; Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 258 Rdnr. 34 m.w.N.), dass das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht. Das angefochtene Urteil war daher mit den Feststellungen aufzuheben, und die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Paderborn zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 5 und 6 OWiG).
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat aufgrund der Ausführungen der Bußgeldbehörde auf Bl. 7 d.A. vorsorglich darauf hin, dass Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist. Die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit soll am 7. August 2002 begangen worden sein. Die durch Schreiben der Bußgeldbehörde vom 30. September 2002 (Bl. 7 d.A.) im Wege der Amtshilfe erbetene Fahrerermittlung verbunden mit der weiteren Bitte um Anhörung des verantwortlichen Fahrers hat die Verjährung nicht als Anordnung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrechen können, weil der Bußgeldbehörde zu diesem Zeitpunkt der Name des Betroffenen noch nicht bekannt war und eine wirksame Unterbrechungshandlung voraussetzt, dass der Betroffene im Zeitpunkt ihrer Vornahme "der Person nach" bekannt ist (vgl. BayObLG, VRS 90, 292 und Senatsbeschlüsse vom 12. September 2000 - 4 Ss OWi 823/00 - sowie vom 13. April 2000 - 4 Ss OWi 228/00 -). Die Verjährung ist somit erstmals durch den Anhörungsbogen vom 24. Oktober 2002 unterbrochen worden.


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