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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 1002/98 OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Ablehnung des Revisionsrichters, Verwerfung, offensichtlich unbegründet, Verfahren, Sachverständiger, Obergutachter, Anthrophologischer Sachverständiger, eigene Sachkunde

Normen: StPO 349; StPO 24; StPO 244; StPO 267

Beschluss: Strafsache gegen M.J.

Auf 1. die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der XVII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 27.03.1998, 2. den Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der in der Revisionsbegründungschrift vom 25.06.1998 erhobenen Verfahrensrügen zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27. 3. 1998, 3. das Ablehnungsgesuch der Angeklagten vom 12.05.1999 gegen den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht, 4. den Antrag der Angeklagten vom 25.05.1999 auf Präzisierung der dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.06.1999 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft u.a. gem. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch ist begründet. Der Antrag der Angeklagten vom 25.05.1999 auf Präzisierung der dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter wird zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der in der Revisionsbegründungschrift vom 25.06.1998 erhobenen Verfahrensrügen zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27.03.1998 ist gegenstandslos.

Gründe: I. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Computerbetruges in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen diese Verurteilung richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die formelle und materielle Rüge erhoben hat. Mit der materiellen Rüge macht die Angeklagte u.a. geltend, die Urteilsgründe seien lückenhaft.
Die Angeklagte hat folgenden Verfahrensgang zum Anlaß genommen, die zunächst mit der befaßten Mitglieder des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen: Dem Senat wurden die Akten von der Generalstaatsanwaltschaft am 19.11.1998 zugeleitet. Ein (Verwerfungs-)Antrag wurde zunächst nicht gestellt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dann mit Schriftsatz vom 30.04.1999, der am 05.05.1999 beim Senat eingegangen ist, auf Anregeung des Senats beantragt, die Revision der Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Ihre Besorgnis der Befangenheit sieht die Angeklagte insbesondere darin begründet, daß ihr nicht offengelegt worden sei, daß der Senat den Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO bei der Generalstaatsanwaltschaft selbst angeregt hat.
II. Der Ablehnungsantrag der Angeklagten gegen die bislang mit der Sache befaßten Mitglieder des Senats vom 12.05.1999 ist begründet, §§ 24 ff. StPO. Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist Mißtrauen des Angeklagten in die Unparteilichkeit des Richters dann gerechtfertigt, wenn der Angeklagte bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, daß der oder die abgelehnten Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. statt vieler Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., 1999, § 24 Rn. 8 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Zu beurteilen ist das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes vom Standpunkt des Ablehnenden aus, so daß nicht entscheidend ist, ob der Richter tatsächlich befangen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 24 Rn. 6).
Der von der Angeklagten vorgetragene, von den abgelehnten Richtern als zutreffend bezeichnete Verfahrensablauf - wegen der Einzelheiten wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Antragsbegründung vom 12.05.1999 Bezug genommen - berechtigt die Angeklagte zu der Annahme, die abgelehnten Richter seien ihr gegenüber befangen. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, daß der Verwerfungsantrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 30.04.1999 von den abgelehnten Mitgliedern des Senats bei der Generalstaatsanwaltschaft angeregt worden ist. Ein solches Verfahren wird von namhaften Stimmen in der Literatur jedenfalls nicht als unzulässig angesehen (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 349 Rn. 12; Kleinknecht JZ 1965, 160 Fn. 81; KMR § 349 Rn. 15; kritisch allerdings Römer MDR 1984, 357; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl., 1998, Rn. 1248; Hanack in Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., 1985, § 349 Rn. 13). Davon scheint grundsätzlich auch der Verteidiger der Angeklagten auszugehen. Dahinstehen kann weiter, ob allein der Umstand, daß die Anregung des Verwerfungsantrags durch den Senat der Angeklagten nicht offengelegt worden ist, nach den in der Rechtsprechung des BGH zur Transparenz von Verfahrensvorgängen vertretenen Grundsätzen (vgl. dazu u.a. BGHSt 37, 99; 41, 348; siehe auch OLG Bremen StV 1989, 145), die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt. Denn diese ist jedenfalls wegen der mangelnden Transparenz des Verfahrens in Zusammenhang mit dem weiteren Verfahrensablauf, der offenbar erst nach einer Bearbeitungszeit von mehr als fünf Monaten zur Anregung des Antrags, die Revision als o f f e n s i c h t l i c h (zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals als "ohne längere Prüfung erkennbar" vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 349 Rn. 10 mit weiteren Nachweisen; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Aufl., 1999, § 349 Rn. 22 ff. mit weiteren Nachweisen) unbegründet zu verwerfen, geführt hat, begründet.
Soweit die Angeklagte in ihrem Schriftsatz vom 25.05.1999 die Präzisierung der dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter beantragt hatte, war dieser Antrag zurückzuweisen. Es kann dahinstehen, inwieweit einem Angeklagten überhaupt ein Recht zur Befragung eines abgelehnten Richters zusteht (verneint von Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 24 Rn. 21; OLG Koblenz NStZ 1983, 470, 471 m.w.N.). Ein Fragerecht ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn - wie vorliegend - das Ablehnungsverfahren durch Ausscheiden des abgelehnten Richters beendet ist, da ein Fragerecht - wenn überhaupt - allenfalls zur Vorbereitung eines Ablehnungsgesuchs in Betracht kommen kann. Etwas anders folgt nicht aus der vom Verteidiger in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidung des BGH in BGHSt 37, 99, 104, 105. Diese betrifft eine andere Fallgestaltung; dort ging es nämlich u.a. darum, die Besorgnis der Befangenheit ggf. mit der vorab verweigerten Auskunft zu Verfahrensvorgängen begründen zu können.
III. Das Rechtsmittel der Angeklagten ist begründet, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen war.
Die Urteilsgründe sind lückenhaft (§ 267 StPO), was die Angeklagte zu Recht mit der Sachrüge geltend macht. Das Landgericht hat zur Frage der Täterschaft der Angeklagten, die bei den ihr vorgeworfenen unberechtigten Geldabhebungen zweimal gefilmt worden ist, zwei anthropologische Sachverständigengutachten eingeholt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Täterschaft der Angeklagten gekommen sind. Während der Sachverständige Dr. Sch. die Angeklagte als Täterin angesehen hat, hat der Sachverständige Prof. Dr. K. schwerwiegende Zweifel an der Täterschaft geäußert. Das Landgericht hat sich aufgrund eigener Sachkunde dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. angeschlossen.
Die in diesem Zusammenhang vom Landgericht zur eigenen Sachkunde gemachten Ausführungen sind bei der hier vorliegenden besonderen Fallgestaltung nicht ausreichend. Zwar kann der Tatrichter eigene Sachkunde auch während des Verfahrens aufgrund des Gutachtens eines Sachverständigen erwerben (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., 244 Rn. 73 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Er muß dann jedoch diese eigene Sachkunde im Urteil darlegen (so schon BGHSt 12, 18), wobei die Anforderungen an diese Darlegungen sich nach dem Maß der Schwierigkeit des Beweisfrage richten (BGHSt 12, 18, 20). Schon danach waren vorliegend die Anforderungen an den Nachweis der eigenen Sachkunde hoch, weil der Tatrichter schwierige anthropologische Fragen zu beurteilen hatte. Ob das angefochtene Urteil diesen Anforderungen gerecht wird (vgl. dazu u.a. BGH NStZ 1994, 503), kann dahinstehen. Denn die vorliegende besondere Fallgestaltung erforderte vom Landgericht nämlich zusätzlichen, über den allgemeinen Nachweis hinausgehenden Begründungsaufwand, dem das angefochtene Urteil jedoch nicht gerecht wird. Der Tatrichter hat sich hier dem Ergebnis des einen Sachverständigengutachtens angeschlossen und mit diesem die Argumente des anderen widerlegen wollen. Dabei handelt es sich bei dem Gutachter, dem das Landgericht nicht gefolgt ist, um den Sachverständigen, der, wie das Landgericht selbst ausführt, von den Gerichten zu den hier zu beurteilenden Fragen in der Regel als Obergutachter herangezogen wird. Wenn das Landgericht sich diesem nicht anschließt, bedarf es eingehender Ausführungen dazu, wieso es - aufgrund der sich gerade widersprechenden Sachverständigengutachten - in der Lage ist, die von diesem Sachverständigen gewonnenen Erkenntnisse als nicht zutreffend anzusehen. Ggf. wird das Landgericht auch erwägen müssen, ob es bei einer solchen Fallgestaltung diesem Sachverständigen nicht auch Gelegenheit geben muß, sich mit den Angriffen des anderen Sachverständigen gegen sein Gutachten, ggf. in einer nochmaligen mündlichen Anhörung vor dem Tatgericht, auseinanderzusetzen. Wenn es das als nicht erforderlich ansieht, muß es jedoch zumindest eingehend darlegen, warum es davon abgesehen hat. Dem allen werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht, so daß das Revisionsgericht nicht in der Lage ist zu überprüfen, ob der Tatrichter sich die erforderliche eigene Sachkunde zu Recht zugetraut hat.
IV. Da das Rechtsmittel mit der Sachrüge Erfolg hatte, kam es nicht mehr darauf an, ob die von der Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen rechtzeitig geltend gemacht worden sind. Der dazu gestellte Wiedereinsetzungsantrag war mithin als gegenstandslos anzusehen, was zur Klarstellung im Tenor festgestellt worden ist.


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