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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 1088/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten, Beweiswürdigung, inhaltliche Anforderungen an ein Urteil, Mitteilung der Beweisergebnisse, Urteilsinhalt, Castor-Transporte, Castor

Normen: StPO 261, StGB 113

Beschluss: Strafsache gegen H.S.,
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Coesfeld vom 03.08.1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.12.1999 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Coesfeld zurückverwiesen.
Gründe: I. 1. Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 03.08.1999 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je DM 25 verurteilt. Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
2. a) Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht festgestellt:
"Am 20.03.1998 fand ein Castor-Transport zum Brennelementezwischenlager in Ahaus statt. Der Transport wurde mit der Bahn durchgeführt, wobei an der Spitze des Zuges sich zwei Triebfahrzeuge befanden. Gegen 17.55 Uhr war der Zug im Bahnhof von Holtwick aus anderen Gründen zum Stillstand gekommen. Nachdem die Strecke wieder frei war, erhielt der Zeuge Sch., der als Lokführer die erste Lok steuerte, den Befehl, die Fahrt fortzusetzen. Er hatte ,die Bremse der Lokomotive betätigt und soeben Leistung zugeschaltet, war also im Begriff, die Fahrt fortzusetzen. In diesem Moment lief der Angeklagte auf das Bahngleis in Begleitung einer zweiten unbekannten Person, die jedoch später vom Bahnkörper wieder weglief. Der Angeklagte lief genau auf die von dem Zeugen Sch. gesteuerte Lokomotive zu und kroch unter diese. Daraufhin nahm der Zeuge Schwieckerath sofort wieder die Leistung zurück und bremste den Zug. Der Angeklagte befand sich nunmehr in Fahrtrichtung gesehen hinter dem rechten Vorderrad der Lokomotive und hielt sich an dem Gestänge der Lokomotive bzw. an Leitungen fest. Daraufhin forderte der Zeuge L., der als Grenzschutzbeamter den Transport sicherte, den Angeklagten mehrfach erfolglos auf, unter der Lokomotive hervorzukommen. Der Angeklagte weigerte sich jedoch und hielt sich weiter fest. Der ebenfalls mit der Sicherung des Zuges befaßte Zeuge G. schaffte es nicht, den Angeklagten herauszuziehen. Schließlich mußten auch die Beamten B. und K. eingreifen, um mit vereinten Kräften den sich weiter durch Festhalten widersetzenden Angeklagten unter Anwendung von körperlicher Gewalt unter der Lokomotive hervorzuziehen. Insgesamt dauerte dies etwa fünf Minuten."(UA 2)
b) Der Angeklagte hat sich zur Sache nicht eingelassen. Ausweislich der Urteilsgründe hat sich das Gericht von dem festgestellten Sachverhalt "aufgrund der Inaugenscheinnahme des Videofilms, der Fotos und der Aussagen der Zeugen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach allesamt übereinstimmen", überzeugt (UA 3).
II. Der auf die Sachrüge vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand; auf die erhobenen Verfahrensrügen braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.
1. Es ist schon zweifelhaft, ob die von dem Amtsrichter getroffenen Feststellungen den Schuldspruch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte tragen.
Tathandlung des § 113 StGB ist - neben dem tätlichen Angriff das Leisten von Widerstand gegen einen Amtsträger, der eine rechtmäßige Vollstreckungshandlung vornimmt. Unter Widerstand ist eine aktive Tätigkeit gegenüber dem Vollstreckungsbeamten zu verstehen, mit der die Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme verhindert oder erschwert werden soll. Demgemäß stellt Widerstand seiner Natur nach eine Nötigungshandlung zur Unterlassung der Diensthandlung dar (vgl. Schönke/Schröder/Eser, 25. Aufl. (1997), § 113 StGB Rdnr. 40 m.w.N.).Diese kann vom Täter vorbereitet sein; sie muß dann allerdings im Hinblick auf die spätere Amtshandlung zu deren Verhinderung oder Erschwerung vorgenommen werden. Eine ohne solche Absicht entfaltete Tätigkeit, die sich äußerlich zwar als Hindernisbereitung auswirkt, als solche zunächst aber nicht gedacht ist, ist nicht tatbestandsmäßig (vgl. BGHSt 18, 133, 135).
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte während des direkten Einsatzes der Sicherungskräfte im Bereich des ersten Triebfahrzeugs weiter an dem Gestänge der Lokomotive oder an Leitungen festgehalten und hat sich geweigert, der Aufforderung, unter der Lok hervorzukommen, zu folgen. Das äußere Erscheinungsbild dieses Verhaltens läßt mehrere Schlußfolgerungen zu, mit denen sich das Amtsgericht im Hinblick auf die Tathandlung im Sinne des § 113 StGB hätte auseinandersetzen müssen.
Zum einen kann der Angeklagte damit seine mit dem Betreten der Bahngleise zum Zwecke der Verhinderung der Zugfahrt bereits begonnene Nötigung gegenüber dem Lokführer Sch. fortgesetzt haben. Mit dem Festhalten kann er aber auch versucht haben, ggf. seine Festnahme zu vereiteln. Ein Widerstandleisten gegen die einschreitenden Beamten käme jedenfalls nur in Betracht, wenn er mit dem Willen agiert hätte, sich den polizeilichen Maßnahmen zu entziehen.
Ob das der Fall gewesen ist, läßt sich den Urteilsgründen nicht hinreichend deutlich entnehmen. Allenfalls könnte aus dem Satz, daß schließlich vier Beamte haben eingreifen müssen, "um mit vereinten Kräften den sich weiter durch Festhalten widersetzenden Angeklagten unter Anwendung von körperlicher Gewalt unter der Lokomotive hervorzuziehen" (UA 2), eine entsprechende Einstellung des Angeklagten hergeleitet werden. Darüber bedarf es indes keiner weiteren Erörterung.
2. Selbst wenn die Widerstandshandlung damit ausreichend beschrieben wäre, könnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, weil die Ausführungen zur Beweiswürdigung eine Überprüfung auf Rechtsfehler nicht zulassen; es fehlt an der Mitteilung der Beweismittelergebnisse und ihrer Würdigung.
Zwar ist es allein Sache des Tatrichters, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu würdigen (vgl. § 261 StPO).Doch sind ihm dabei rechtliche Grenzen gesetzt, deren Beachtung das Revisionsgericht auf entsprechende Rüge prüft. Grundlage dieser revisionsgerichtlichen Beweiswürdigungsprüfung ist das schriftliche Urteil mit dem der Tatrichter darüber Rechenschaft gibt, auf welchem Wege er von den Beweismittelergebnissen zum festgestellten Sachverhalt gelangt ist (vgl. BGH NStZ 1985, 184). Dazu muß er mindestens darlegen, was für seine Beweiswürdigung bestimmend gewesen ist (vgl.KK-Hürxthal, 4. Aufl. (1999), § 267 StPO Rdnr. 13).
Kommt es dem Tatrichter - wie hier - auf die Aussage von Zeugen an, weil der Angeklagte sich zur Sache nicht eingelassen hat, bestimmt das Erfordernis der Nachprüfbarkeit für das Revisionsgericht die Notwendigkeit der Wiedergabe der Zeugenbekundungen (vgl BGH StV 1990, 440) und deren Würdigung in den Entscheidungsgründen (vgl. KK-Hürxthal, a.a.O., § 267 StPO Rdnr. 15).Wie unter I. zitiert ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen, daß das Amtsgericht seine Feststellungen vornehmlich aufgrund "der Ausführungen der Zeugen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach allesamt übereinstimmen"(UA 3), getroffen hat. Ob sich daraus eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage für Schlußfolgerungen zur subjektiven Tatseite - falls solche überhaupt gezogen worden sind - ergibt, läßt sich den Urteilsgründen, auch in ihrem Gesamtzusammenhang, nicht entnehmen. Dem Senat ist deshalb die Nachprüfung auf sachlichrechtliche Fehler verwehrt.
III. Die aufgezeigten Mängel nötigen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil nicht auszuschließen ist, daß der Angeklagte auf rechtsfehlerhafter Grundlage verurteilt worden ist. Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Coesfeld zurückzuverweisen (§ 354 Abs.2 StPO),die auch über die Kosten der Revision zu befinden hat, da der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne des § 473 StPO noch nicht feststeht.


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